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Gräben, Brücken und ein schwieriges Beziehungsgeflecht

Knapp sieben Wochen nach der Bürgermeisterwahl ist von einer Entspannung in der Marbacher Kommunalpolitik nichts zu spüren. Im Gegenteil.

Marbach. Dass der Aufbau einer „neuen Normalität“ nicht einfach wird, war absehbar. Trotz seines – knappen – Wahlsieges hat es Jan Trost im Gemeinderat mit einer Opposition vor allem aus Grünen und CDU zu tun, die nicht mehr mit ihm als Bürgermeister weitermachen wollte. Und die offenbar auch nicht gewillt ist, den bisherigen, zumindest öffentlich eher harmonischen, Kurs weiterzufahren. Das zeigte sich bei der Gemeinderatssitzung in der vergangenen Woche, in der Grünen-Stadtrat Sebastian Engelmann Trost scharf in Sachen Klimapolitik angriff, auf Wahlkampfaussagen Trosts zu diesem Thema hinwies und eine Vorlage der Verwaltung vor diesem Hintergrund zerpflückte (wir berichteten).

Trost verwies in seiner Erwiderung auf laufende Projekte zum Klimaschutz, sagte zu, den Beitritt zum Klimaschutzpakt mit Leben zu erfüllen. So weit, so gut – dabei hätte man es bewenden lassen können. Hätte. Denn eine Woche später, in der Sitzung des Verwaltungsausschusses, sah sich Puls-Stadtrat Hendrik Lüdke veranlasst, Engelmann nachträglich kräftig zu maßregeln.

Der habe „schwer vom Leder gezogen und Bürgermeister Trost massiv angegriffen“, so Lüdke, der sich im Verlauf des Wahlkampfs klar für Jan Trost positioniert hatte. Lüdke stellte wortreich dar, warum der Bürgermeister aus seiner Sicht das falsche Ziel für die Attacke in Sachen Klimaschutzpolitik sei, und gab dem früheren Beigeordneten Gerhard Heim die Schuld daran, dass Marbach keinen Klimaschutzmanager hat, sondern mit einem externen Büro zusammenarbeitet. „Das wussten in dieser Sitzung viele Stadträte und haben dennoch geschwiegen“, ereiferte sich Lüdke und erklärte, „dass die Äußerungen von Herrn Engelmann doch nur die Gräben vertiefen können“.

Lüdke hielt seine Philippika freilich in Abwesenheit des von ihm so Gescholtenen. Sebastian Engelmann gehört zwar dem Verwaltungsausschuss an, war aber am Donnerstag nicht in der Sitzung. Der Puls-Rat kündigte deshalb an, dass er seine Kritik dem Kollegen persönlich mitteilen werde. Was er per E-Mail, die er zudem an die Presse weiterleitete, nach der Sitzung auch tat. Darin legte Lüdke nach. Im Anschreiben heißt es wörtlich: „Lieber Sebastian, Du bist mit Deinem Engagement und Deiner herausragend guten Rhetorik ein Gewinn für den Gemeinderat. Manches Mal aber übertreibst Du. Deine massive Kritik wirkt auf mich überheblich und ja, bis hin zu arrogant. Mir scheint, dass Du daran echten Spaß findest. Du solltest von deinem hohen Sockel, den Du aus meiner Sicht erklommen hast, mal wieder runterkommen. Sorry, für diese offenen Worte, aber so wirkt das auf mich. Und Brücken baut so eine Tirade nicht gerade. Und die brauchen wir doch!“

Dass solche Sätze auch keine Brücken bauen, scheint Lüdke nicht aufzufallen.

Gleichwohl wirft dieser Vorgang ein Schlaglicht auf das äußerst schwierig gewordene Beziehungsgeflecht innerhalb des Gemeinderats und im Zusammenspiel mit Jan Trost: Grüne und CDU müssen ihre Oppositionsrolle beibehalten, um ihre Positionierung im Wahlkampf zu rechtfertigen. Denn da war ihnen ja aus dem Trost-Lager vorgeworfen worden, in der ersten Amtszeit des Bürgermeisters keine oder kaum Kritik an dessen Amtsführung geübt zu haben. Demgegenüber stehen zumindest einige Stadträte wie Hendrik Lüdke, die Kritik offenbar maximal in homöopathischen Dosen zulassen wollen. Wie anders soll der Satz „Und schlichtweg unseriös ist es, nur fünf Wochen nach der Wahl den gewählten Bürgermeister an Wahlaussagen zu messen“, interpretiert werden, den Lüdke noch an Engelmanns Adresse richtete?

Jan Trost wirkt im Zentrum dieser Gemengelage nahezu hilflos. Dabei müsste er jetzt der Brückenbauer sein, durch eine klare, profilierte Amtsführung die Opposition befrieden und damit wieder eine Sachebene für die Gemeinderatsarbeit schaffen. Um zu zeigen, dass er dazu tatsächlich in der Lage ist, hat er nicht mehr viel Zeit.