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Heiße Debatte zum geplanten Gewerbegebiet in Mundelsheim

Es gibt einiges zu diskutieren: Gegner und Befürworter des geplanten Gewerbegebiets schauen sich mit Mundelsheims Bürgermeister Boris Seitz, Regionaldirektor Thomas Kiwitt und Stadtplaner Karsten Heuckeroth das Areal an der A 81 an. Foto: Holm Wolsch
Es gibt einiges zu diskutieren: Gegner und Befürworter des geplanten Gewerbegebiets schauen sich mit Mundelsheims Bürgermeister Boris Seitz, Regionaldirektor Thomas Kiwitt und Stadtplaner Karsten Heuckeroth das Areal an der A 81 an. Foto: Holm Wolschendorf
Befürworter und Gegner des geplanten Gewerbegebiets Benzäcker haben beim Spaziergang der Gemeinde versucht, das jüngste Unwetterereignis in Mundelsheim argumentativ für sich zu nutzen. Die Entscheidung fällt am kommenden Sonntag, 29. Mai, beim Bürgerentscheid.

Mundelsheim. Die Sonne strahlt wieder über Mundelsheim und seinen Benzäckern. Vor wenigen Tagen bot sich ein anderes Bild. Starker Gewitterregen spülte Schlammmassen die Hänge hinab in den Ort – und das kurz vor dem Bürgerentscheid über die Planung eines Gewerbegebiets nahe der Mundelsheimer Autobahnabfahrt. Die Einwohnerschaft ist gespalten. Gegner und Befürworter des Projekts haben sich in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen („Benzäcker erhalten“ und „Wir für Mundelsheim“) und werben seit Wochen für ihre jeweilige Position. So auch an diesem Sonntagnachmittag. Die Gemeinde hat zu Spaziergängen mit Thomas Kiwitt, Regionaldirektor des Verbands Region Stuttgart, und Stadtplaner Karsten Heuckeroth über die Benzäcker eingeladen, wo das 20 Hektar große Gebiet entstehen soll. Gemeinsam mit Mundelsheims Bürgermeister Boris Seitz stehen Heuckeroth und Kiwitt den Teilnehmern Rede und Antwort. Knapp 30 Interessierte spazieren bei sommerlich heißen Temperaturen die erste Runde mit – und ringen um die Deutungshoheit über das Unwetterereignis.

„Mundelsheim hat ein Problem mit Starkregen“

Als „tragisch“ bezeichnet Seitz dieses in seiner Begrüßungsansprache und leitet daraus ab: „Wir müssen die Situation ändern.“ Weiter kommt er erst einmal in seiner Argumentation nicht, denn eine Frau aus dem Lager der Gewerbegebietsgegner fällt ihm ins Wort. „Aber mit dem, was Sie vorhaben, geht das nicht“, wirft sie aufgebracht ein. Doch bleibt es bei diesem einen Zwischenruf und Seitz fährt unbeirrt davon fort: „Man kann die Situation verbessern, aber das muss auch jemand bezahlen...“ Damit ist er bei einem seiner Hauptargumente für das Gewerbegebiet angekommen, dass zusätzliche Steuereinnahmen in die Gemeindekasse spülen soll, und nimmt im nächsten Satz die Argumente der Gegner aufs Korn. Deren Theorie, dass der Boden das Wasser aufnehme, habe nicht funktioniert.

Kiwitt nimmt des Bürgermeisters Vorlage auf. „Mit oder ohne Gewerbegebiet, Mundelsheim hat ein Problem mit Starkregen“, stellt er fest. Werde das Gewerbegebiet realisiert, könne man im Zuge dessen ein Regenrückhaltebecken bauen. Wenn nicht, gebe es niemanden, der ein solches finanziere, argumentiert Kiwitt, derweil er gleich die ersten Meter auf dem Spaziergang von Teilnehmern belagert wird. Diese halten ihm dagegen, dass Flächenversiegelungen mit eine Ursache für Überschwemmungen seien und Regenrückhaltebecken auch in der Fläche ohne Bebauung möglich seien. In einer Menschentraube scharen sie sich um Kiwitt, dass kaum ein Vorankommen mehr ist bis zum vorübergehenden Stillstand der Gruppe – just genau vor einem der Protestschilder, die Gegner des Gewerbegebiets entlang des geplanten Areals aufgestellt haben. „Druckmittel Freibad + Kita und alle fallen rein“, steht darauf bezogen auf Seitz’ Geldargument, auf das Kiwitt nun in monetärer Argumentationsweise noch eins draufsetzt.

Feldfrüchte, Monokulturen und schwere Arbeitsmaschinen

Derweil spazieren Seitz und Heuckeroth mit dem restlichen Drittel der Teilnehmer voraus, die vor allem auch untereinander rege diskutieren. Da wird berichtet, wie die Oma in Nachkriegszeiten dank der auf dem fruchtbaren Boden der Benzäcker angebauten Feldfrüchte die Familie durchgebracht hat und von ihrer Ernte auch noch an andere etwas abgeben konnte. Da wird anhand von den Starkregenfluten hinterlassenen Spuren analysiert, dass Maismonokulturen mit ihren Anteil an den Schlammmassen beim Unwetter hatten, während Baumwiesen im Gebiet einen Teil der abgeschwemmten Erde zurückhalten konnten. Es wird über schwere Arbeitsmaschinen in der Landwirtschaft philosophiert, die den Boden verdichteten und ihn weniger aufnahmefähig für Wasser machten, und bedauert, dass die schöne Landschaft zubetoniert werden soll, die von Spaziergängern und Radfahrern zur Naherholung genutzt werde.

„Genießt den Blick, solange es noch geht“, steht auf einem Protestschild am oberen Ende der zur Debatte stehenden 20 Hektar. Mit einem „gestuften Waldsaum“ könne man gestalterisch das Gewerbegebiet kaschieren, sagt Heuckeroth einer Teilnehmerin. Vis-à-vis dazu hat die Gemeinde einen mobilen Getränkestand postiert, an dem die Spaziergänger nun Wein und Wasser zu sich nehmen können. Und während sich Heuckeroth meist unter vier Augen mit einzelnen Teilnehmern austauscht, um ihre Bedenken gegen das Gewerbegebiet zu erfahren und gegebenenfalls planerisch zu berücksichtigen, wird nun auch Seitz belagert. Betont gelassen hört er sich die Argumente von Gewerbegebietsgegnern an, die ihn kaum zu Wort kommen lassen. Ähnlich ergeht es jetzt auch Kiwitt.

Bürgerentscheid am Sonntag

Seitz ist dennoch mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden, welche die letzte Aktion der Gemeinde vor dem Bürgerentscheid ist, wie er auf Nachfrage unserer Zeitung sagt. Sehr ausgewogen seien Für und Wider von den Teilnehmern diskutiert worden, unter denen sich mit ebenso viele Befürworter wie Gegner des Gewerbegebiets befinden würden. Am Sonntag, 29. Mai, findet der Bürgerentscheid zum Gewerbegebiet Benzäcker statt.