1. Startseite
Logo

Höhere Kosten, längere Bauzeiten

Der Kindergarten Lindenweg in Murr wird um zwei Gruppen erweitert. Das Ergebnis der Ausschreibung der ersten vier Gewerke brachte eine Kostensteigerung von rund 15 Prozent im Vergleich zur Kostenschätzung. Foto: Ramona Theiss
Der Kindergarten Lindenweg in Murr wird um zwei Gruppen erweitert. Das Ergebnis der Ausschreibung der ersten vier Gewerke brachte eine Kostensteigerung von rund 15 Prozent im Vergleich zur Kostenschätzung. Foto: Ramona Theiss
Die Lieferengpässe bei wichtigen Baumaterialien und die damit verbundenen Verteuerungen machen nicht nur der Wirtschaft und privaten Häuslebauern zu schaffen, mehr und mehr kommen auch Kommunen in die Bredouille, wenn ihre Projekte stocken oder die Preise durch die Decke gehen.

Kreis Ludwigsburg. Zu wenig Holz, zu wenig Stahl, zu wenig Bitumen, aber eine hohe Nachfrage, die die Preise teils in schwindelerregende Höhen treibt: Eine Situation wie diese ist nie gut, doch die Kommunen trifft sie vor allem deshalb zur Unzeit, weil viele von ihnen aufgrund sprudelnder Steuereinnahmen vor der Coronakrise einerseits und billigen Krediten andererseits kräftig investieren. Sei es in Neubauten oder mit Sanierungen in den Erhalt ihrer Infrastruktur. Zudem konnten und können sie mit üppigen Zuschüssen von Land und Bund rechnen – wenn es zum Beispiel um den Ausbau der Kinderbetreuung geht oder um die energetische Ertüchtigung kommunaler Liegenschaften. Einige Beispiele aus dem Landkreis.

Aufgrund steigender Kinderzahlen und entsprechender Nachfrage hat die Gemeinde Murr im Frühjahr die Erweiterung des Kindergartens Lindenweg um zwei Gruppen beschlossen. 2,5 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, der Bund gibt 270000 Euro als Zuschuss – aber nur, wenn der Anbau innerhalb eines Jahres und damit bis Ende Juni 2022 realisiert wird. Eine sportliche Vorgabe, die sich die Gemeinde und ihr Architekt aber zutrauten. Baubeginn war Anfang dieser Woche, davor wurden die ersten vier Gewerke (Rohbau, Gerüstbau, Aufzug und Dachabdichtung) vergeben – zu Angebotssummen, die allerdings insgesamt knapp 15 Prozent über der Kostenschätzung liegen. Angesichts der Entwicklung auf dem Bau spricht Bürgermeister Torsten Bartzsch dennoch von einer „Steigerung noch im vertretbaren Bereich“; bislang komme die Gemeinde mit einem blauen Auge davon.

Etwas mehr als ein blaues Auge holte sich die Gemeinde Affalterbach bei der Erweiterung des Elsa-Brodbeck-Kindergartens. Im Februar schrieb die Gemeinde das Projekt als Generalunternehmerleistung aus. Darauf reagiert hat nur eine einzige Firma, deren Angebot dann um 26 Prozent über der Kostenberechnung von gut 1,1 Millionen Euro lag. Als Reaktion darauf hob der Gemeinderat im Mai die beschränkte Ausschreibung auf und beauftragte die Gemeindeverwaltung mit Nachverhandlungen und einer freihändigen Vergabe. Architekt Stefan Früh klagte schon damals über eine „Katastrophe auf dem Bau“, weil nicht nur die Preise durch die Decke gingen, sondern viele Firmen auch immer noch gut ausgelastet seien. Lange Lieferzeiten sorgten dafür, dass manche Baustellen schlicht stehen.

Wird die Mehrzweckhalle in Münchingen fünf Prozent teurer als 2020 kalkuliert? Oder muss man zu den Gesamtkosten – sie beinhalten neben dem Abriss der Albert-Buddenberg-Halle auf dem Gelände noch die Sanierung der Sporthalle beim Freizeitbad – von 19 Millionen Euro gar 20 Prozent draufschlagen? Die Unsicherheit ist groß unter den Stadträten, als in der Debatte diese Werte kursierten – so groß, dass jüngst bei einer Formalie gar das ganze Projekt hinterfragt wurde. Denn den Mehrkosten stehen bislang auch nicht die erhofften Förderzusagen gegenüber. Die Anträge einzelner Räte, die einen weiteren Verzug oder gar einen völligen Neustart bedeutet hätten, wurden in jener Sitzung zwar abgelehnt. Im Sommer 2022 soll aber nochmals diskutiert werden – wohl auch über eine Abspeckung der Pläne –, wenn klar ist, wie sich die Preise bis dahin entwickelt haben, vor allem aber, ob es zu den zugesagten 600000 Euro vom Land noch drei Millionen Euro Bundesförderung gibt, um die sich die Stadt nach dem beschlossenen Wechsel des Vergabeverfahrens für die Planung erneut bewerben wird. Übrigens: Bei der Haushaltsplanaufstellung 2019 waren für das Gesamtprojekt noch rund zwölf Millionen Euro angesetzt.

Angesichts der sich abzeichnenden Preissteigerungen ging Freudental bei der Sanierung des Gebäudes Gartenstraße 1/1 einen etwas anderen Weg: In der Ausführung wurden Abstriche gemacht, um Kosten zu senken. So verzichtete die Kommune auf eine Wärmedämmung der Außenwände, bei den Flaschnerarbeiten am Dach wird statt Kupfer nur halb so teures Blech aus Titanzink verwendet.

Ähnlich bei der Sanierung des Rathauses Münchingen: Weil hier die Zimmererarbeiten für Fassade und Dach bei 660000 statt kalkuliert 550000 Euro liegen, bringt die Stadt mehr eigene Planungsleistungen ein, und zusammen mit günstigeren Angeboten bei zwei anderen Gewerken bleibt der Gesamtpreis letztlich gleich.

Freilich: Nicht jedes aktuelle Bauprojekt wird automatisch teurer. Für Marbach etwa, wo derzeit große und teure Vorhaben wie das Neue Rathaus, die Sanierung des Bildungszentrums oder die Erweiterung des Seniorenstifts auf der Agenda stehen, sagt die Erste Beigeordnete Franziska Wunschik: „Die abgeschlossenen Bauverträge für unsere laufenden Projekte sind wie üblich bei Hochbauverträgen Einheitspreisverträge mit fixierten Preisen und enthalten normalerweise keine Gleitklausel für Materialpreissteigerungen. Das Preisrisiko verbleibt damit grundsätzlich beim Auftragnehmer. So bewegen sich zum Beispiel die Ergebnisse der ersten beiden Vergaberunden für das Seniorenstift noch im Bereich der Kostenberechnung, die vor den Preissteigerungen verfasst wurde.“

Doch die Lieferengpässe bei wichtigen Baumaterialien lassen immer mehr Bauzeitenpläne Makulatur werden, Termine müssen verschoben werden. Das betrifft auch das Neubaugebiet Schauinsland in Ludwigsburg-Neckarweihingen, das wegen fehlenden Baumaterials ins Stocken kommt. Die Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) hat dort 53 Wohneinheiten geplant. Doch vorerst kann nicht begonnen werden. „Wir kriegen keine Information, wann geliefert werden kann, und oft auch keine Preise genannt“, so WBL-Geschäftsführer Andreas Veit. Kunststofffenster, Dämmmaterial, Holz – all das sei derzeit fast nicht zu bekommen. Er geht davon aus, dass sich die Fertigstellung um rund ein halbes Jahr verzögern wird.