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Höhere Mietobergrenzen für ALG-II-Empfänger

Wer ALG II bezieht, bekommt in der Regel nur die örtlich „angemessenen“ Wohnungskosten vom Jobcenter ersetzt. Foto: Hannibal Hans/ dpa
Wer ALG II bezieht, bekommt in der Regel nur die örtlich „angemessenen“ Wohnungskosten vom Jobcenter ersetzt. Foto: Hannibal Hans/ dpa
Bezahlbare Mietwohnungen sind rar – und Mieten wie Mietnebenkosten steigen weiter stark. Doch wer auf Arbeitslosengeld II (ALG II) angewiesen ist und die Wohnkosten daher vom Jobcenter erstattet bekommt, muss günstig wohnen. Da das immer schwieriger wird, hebt der Landkreis die Grenzen der als „angemessen“ geltenden Wohnkosten für ALG-II-Empfänger rückwirkend zum 1. Mai um 9,8 Prozent an.

Kreis Ludwigsburg. Den Beschluss, die Grenze für angemessene Mietkosten anzuheben und damit gegebenenfalls auch höhere Wohnkosten als bisher zu übernehmen, fasste der Sozialausschuss des Kreistags am Montag einstimmig. Er gilt nicht nur für Langzeitarbeitslose, die auf ALG II angewiesen sind, sondern auch für Sozialhilfeempfänger.

Mit der Neuberechnung der Grenzen schreibt der Kreis das im Jahr 2016 beschlossene „schlüssige Konzept“ für die Definition „angemessener“ Wohnkosten fort, das alle zwei Jahre aktualisiert wird (siehe unten). Die Datenbasis lieferte das Forschungs- und Beratungsunternehmen Empirica, zu dessen Schwerpunkten die Beobachtung des Wohnungsmarkts gehört. Möglich wäre auch das Heranziehen des Verbraucherpreisindexes gewesen, der Miet- und Nebenkosten ebenso pauschal aufführt wie Lebensmittel- und Energiepreise. Empirica bietet jedoch konkret am lokalen Wohnungsmarkt erhobene Daten. Die Entscheidung, sich daran und nicht an Durchschnittswerten zu orientieren, ist zudem günstig für die Leistungsempfänger, die vom Jobcenter des Landkreises so höhere Mieten erstattet bekommen, als dies nach dem Index der Fall gewesen wäre.

Laut Empirica sind die Nettomieten im Kreis seit 2020 um 8,2 Prozent gestiegen. Mit den ebenfalls höheren Mietnebenkosten (ohne Heizung) erhöht sich der Anstieg auf 9,8 Prozent. Die 39 Kreiskommunen sind in dem Konzept in sieben „Vergleichsringe“ eingeteilt. Konkret bedeutet das: Für einen leistungsberechtigten Einpersonenhaushalt gelten künftig beispielsweise in Oberriexingen 570, in Ludwigsburg aber 630 Euro Mietkosten als angemessen, für den Vierpersonenhaushalt sind es 1000 und 1120 Euro.

Allerdings bezahlen ohnehin die meisten Leistungsempfänger bereits „angemessene“ Mieten, nur sechs Prozent liegen darüber. Den Landkreis kostet die Erhöhung daher nur knapp 93000 Euro, den Rest der Mehrausgaben trägt der Bund. 2021 lagen die vom Jobcenter insgesamt übernommenen Wohnkosten bei 54,4 Millionen Euro. Wegen der Coronapandemie hat es seit 2020 keine Mietzahlungen mehr gekürzt.

Wann ist die Miete angemessen – und was passiert, wenn nicht?

Die Mietkosten von Empfängern von Arbeitslosengeld II (der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“) werden vom Jobcenter übernommen, sofern sie „angemessen“ sind. Anerkannt werden dabei sowohl die reinen Miet- als auch die „kalten“ Nebenkosten wie Abfall, Wasser und Strom; Heizkosten werden separat behandelt. Welche Kosten als angemessen gelten, hängt von Wohnungsmarkt und Mietniveau vor Ort ab. Für diese Festlegung muss ein „schlüssiges Konzept“ erarbeitet werden, zu dessen Kriterien auch eine umfassende Rechtsprechung besteht. Gelten die „kalten Mietkosten“ eines Leistungsempfängers als unangemessen hoch, so ist er gehalten, sie etwa durch einen Umzug zu senken – sofern das nicht aufgrund persönlicher Umstände unzumutbar ist. Dazu gilt in der Regel eine Übergangsfrist von „längstens“ sechs Monaten. Danach übernimmt das Jobcenter nur noch die „angemessenen“ Kosten. Vergleichbare Kriterien für die Angemessenheit der Wohnkosten gelten auch für Sozialhilfeempfänger, deren Zahl im Kreis allerdings geringer ist als die der Bezieher von Arbeitslosengeld II. (pro)