1. Startseite
Logo

„Ich darf endlich hier wählen“

Deutlich weniger Menschen als in früheren Jahren haben 2020 im Landkreis Ludwigsburg ihre Einbürgerungsurkunde erhalten. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Deutlich weniger Menschen als in früheren Jahren haben 2020 im Landkreis Ludwigsburg ihre Einbürgerungsurkunde erhalten. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Elaine Ikizer
Elaine Ikizer
646 Menschen sind im vergangenen Jahr im Landkreis Ludwigsburg eingebürgert worden. Das ist der zweitniedrigste Wert seit dem Jahr 2000. Ein Grund dafür: die Coronakrise.

Kreis Ludwigsburg. „Es war ein ganz besonderer Moment, als ich die Staatsbürgerschaftsurkunde in den Händen hielt“, sagt Elaine Ikizer. Die 63-jährige Übersetzerin wohnt seit Ende der 90er Jahre in Tamm und lebt seit gut vierzig Jahren in Deutschland. Eigentlich wurde sie in Libyen geboren, wo ihr Vater bei der britischen Armee diente. „Wir sind viel herumgekommen“, erinnert sie sich an die Aufenthalte in Malaysia und Singapur.

In London arbeitete sie schon in ihrem Job, als sie in der Times auf das Stellengesuch ihres jetzigen Arbeitgebers, der Großkanzlei Gleiss Lutz aufmerksam wurde. Und mit der Anstellung als Übersetzerin in einem damals sehr kleinen, inzwischen 14-köpfigen Team war auch der Wechsel nach Deutschland verbunden.

„Ich habe mich schon immer gut integriert gefühlt“, so Ikizer, die mit einem ebenfalls eingebürgerten türkisch-stämmigen Mann verheiratet ist. Doch dann kam der Brexit. „Und ich hatte Angst, nicht mehr so frei wie früher reisen zu dürfen.“ Deshalb hat sie im September ihren Antrag gestellt und wurde auch sehr schnell eingebürgert. Einen Sprach- oder Staatsbürgertest musste sie bei ihrer Vita nicht machen.

„Eigentlich hatte ich mich immer in meiner Situation sehr wohl gefühlt.“ Denn als Britin hat ihr in Deutschland nichts gefehlt. Außer das Wahlrecht. „Jetzt kann ich endlich auch hier wählen, nicht nur in der Kommune, sondern auch Land- und Bundestag.“ Ihren britischen Pass durfte sie übrigens behalten. „Ich bin eben beides – Deutsche und Britin.“ Das fühle sich „sehr gut an.“

Wie Elaine Ikizer ist es im vergangenen Jahr 14 weiteren Landsleuten gegangen. Auch sie haben sich einbürgern lassen. „Der Brexit dürfte eine wichtige Rolle dabei gespielt haben“, so Andreas Sayler, stellvertretender Leiter des Geschäftsteils Ausländer- und Staatsangehörigkeitswesen des Landkreises. Seit der Entscheidung des Vereinigten Königreiches, die Europäische Union zu verlassen, hätten sich 147 Bürger entschlossen, den deutschen Pass zu beantragen. Allerdings seien die Zahlen zuletzt wieder zurückgegangen.

Die weiterhin größte Gruppe, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage, seien jedoch Türken. „Das sind vor allem Menschen, die oft ohnehin hier geboren wurden und zur zweiten oder dritten Generation gehören“, erklärt Sayler. Griechen, Rumänen, Italiener und Kosovaren seien weitere Gruppen, die vermehrt einen deutschen Pass wollten. Im vergangenen Jahr beantragten auch 23 Inder die deutsche Staatsangehörigkeit. Über die Gründe kann Sayler nur spekulieren: „Eventuell arbeiten sie in einem der internationalen Unternehmen und wollen es sich einfacher machen zu reisen.“

Die Coronakrise hat auch Auswirkungen auf die Einbürgerungen. „Vieles müssen sie im persönlichen Gespräch machen und das geht im Moment nur schwer, da das Landratsamt aufgrund der andauernden Pandemie nur mit Termin betreten werden kann“, erklärt Sayler.

„Natürlich führt das zu Unmut, wenn die Anträge nicht so schnell bearbeitet werden können.“ Doch das könnte sich mit weiteren Lockerungen ändern – und dann wohl auch die Zahl der Einbürgerungen wieder steigen.