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„Ich wollte immer mitgestalten“

„Eine Stadträtin muss mit Herzblut bei der Sache sein.“ Margit Liepins weiß nach 30 Jahren, dass Politik einen langen Atem und breite Schultern benötigt. Sie arbeitet auch gerne interfraktionell. „Man muss immer kompromissbereit sein.“Foto: Holm Wols
„Eine Stadträtin muss mit Herzblut bei der Sache sein.“ Margit Liepins weiß nach 30 Jahren, dass Politik einen langen Atem und breite Schultern benötigt. Sie arbeitet auch gerne interfraktionell. „Man muss immer kompromissbereit sein.“ Foto: Holm Wolschendorf
Margit Liepins im Wahlprospekt von 1989, als sie das erste Mal für die SPD antritt...
Margit Liepins im Wahlprospekt von 1989, als sie das erste Mal für die SPD antritt...
...und 1994. Im Gemeinderat ist sie nun in der siebten Legislaturperiode dabei. Fotos: privat
...und 1994. Im Gemeinderat ist sie nun in der siebten Legislaturperiode dabei. Foto: privat
Margit Liepins kommt 1990 für die SPD in den Gemeinderat und hat die Politik zu ihrem Beruf gemacht

Ludwigsburg. Es ist 1989. Die Mauer wackelt, und in Ludwigsburg steht die Gemeinderatswahl an. „Erhalten & gestalten. Mehr SPD ins Rathaus“ prangt auf dem Wahlkampfprospekt dieses Jahres. Auf Platz 8 findet sich eine neue Kandidatin, 33 Jahre jung: Margit Liepins. Sie will den Sprung vom Stadtteilausschuss Neckarweihingen wagen, das Titelblatt passt: „Der Gemeinderat hat mich sehr gereizt. Ich wollte mitgestalten.“

Bis heute erinnert sich die 63-Jährige gut an die Wahl, denn sie bekommt schon erste Glückwunschschreiben für ihren Einzug in den Gemeindereat, als sich herausstellt, dass Parteikollegin Monika Bergan das Kopf-an-Kopf-Rennen „mit rund 30 Stimmen“ gewonnen hat. Im Mai 1990 rückt Margit Liepins dann nach, wird rasch stellvertretende Fraktionsvorsitzende, heute steht sie an der Spitze, es ist ihre siebte Legislaturperiode. Sie hat von Hans Jochen Henke bis Matthias Knecht vier sehr unterschiedliche Oberbürgermeister erlebt, hat ihre Linie behalten. „Ich habe mich immer eingesetzt. Aber wenn ich etwas für richtig halte, habe ich immer versucht, Verbündete zu finden.“ Das leichte Staunen ist zu hören: „Ich hätte nie gedacht, dass es 30 Jahre werden.“

Vom Stadtteilausschuss für die SPD in den Gemeinderat

Ihr Stadtteil ist für ihr politisches Engagement die Basis. Ihr Urgroßvater Paul Lochmann hatte die SPD schon 1946 im Gemeinderat vertreten, „in den Achtzigern war Neckarweihingen eine SPD-Hochburg“, erinnert sie sich. Ihr lokalpolitisches Engagement begann mit dem Kampf für einen Zebrastreifen, „dann kam ich zufällig in eine aktive Gruppe“, die sie in den Stadtteilausschuss führte. Der tagte nur einmal im Jahr, nichtöffentlich. Dass sie im Gemeinderat darauf hingewirkt hat, dass diese zweimal jährlich tagen, öffentlich, darauf ist sie heute noch stolz. „Es gab viel zu wenig Bürgerbeteiligung.“

Viele Themen haben Margit Liepins ihr ganzes Ratsleben begleitet. Man brauche einen langen Atem, sagt sie, „und breite Schultern“. Gerne hätte sie den B.27-Tunnel in Eglosheim oder Innenstadt gesehen. Dann waren die Rücklagen weg: „Ich glaube nicht, dass der Tunnel noch kommt.“ Mehr Geld für den ÖPNV fordert sie, aber auch die Stadtbahn stehe in den Sternen. Die Strecke nach Markgröningen sei möglich, „aber den Zweig nach Oßweil kann ich mir noch nicht wirklich vorstellen“.

Die Gestaltung der Innenstadt, heute ZIEL genannt, stand schon vor 30 Jahren auf dem Zettel. KSK-Areal, Arsenalplatz, Schillerdurchlass. „Ich bin überzeugt, dass die Schillerstraße eine Einbahnstraße werden muss.“ Für die Innenstadt habe man viel getan, die Gesamtverkehrsplanung werde aber zu langsam umgesetzt. Für mehr Tempo 30 im Innenstadtbereich warb die SPD schon 1989, der bittere Streit um den Umbau der Wilhelmstraße samt Bürgerentscheid 1999 endete wie bekannt: „Es war ein Fehler, sie so umzubauen.“

Ein Dauerbrenner auch die Bahnhofsgestaltung. Der Westausgang sei ein Quantensprung gewesen, jetzt stehe das Nestlé-Areal an. „Die Stadt muss das Areal kaufen, das ist zentral für die Stadt.“ Eine Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Handel, das wäre ideal, sagt Margit Liepins.

Der Wohnungsbau beschäftigt seit Anbeginn. Nach dem kritischen Beschluss Ende der Neunzigerjahre, eigene Wohnungen zu verkaufen, habe Werner Spec bei der Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) „die Trendwende geschafft“, diese aus der Trägheit geholt. „Auf dem normalen Wohnungsmarkt ist nichts zu finden.“ Sie hätte sich allerdings gewünscht, er hätte Kooperationen möglich gemacht. „Stattdessen hat er Feindschaften mit den Bauträgern geschaffen.“

Schon 1994 kam sie in den Ältestenrat, „als einzige Frau unter älteren Männern“, ging in den Bauausschuss. Stadtplanung und -entwicklung, Haushalt, Bauen, Soziales, das ist ihres. Liepins ist bekannt dafür, dass sie die Zahlen parat hat und gut vorbereitet ist. Von 1999 bis 2014 saß sie zudem im Kreistag. Dafür investiert sie viel Zeit. „Der Gemeinderat und die Politik sind mein Beruf geworden.“ Und eine Berufung: „Ich diskutiere gerne mit anderen Menschen und versuche, die Bürger zu vertreten.“

Das war auch ein Grund, dass sie ihr PH-Studium für Grund- und Hauptschule nicht mehr abgeschlossen hatte. 1979 wurde ihre Tochter Stefanie geboren, 1982 ihr Sohn Gunnar. Auch, wenn sie ihr Mann immer unterstützte: „Für mich war klar, entweder Gemeinderat oder Ausbildung. Beides hätte ich mir mit Kindern nicht zugetraut.“ Sie entschied sich für die Politik und kaufte sich ihren ersten Computer, einen Amiga 500, das damalige Maß der Dinge. Sie lacht: „Für die Anträge.“

Seit Jahren kämpft Margit Liepins, die vor elf Jahren nach Poppenweiler zog, übrigens darum, dass sie offiziell nicht als „Hausfrau“ geführt wird. „Das ist diskriminierend, das steht bei keinem Mann.“ Wegen ihres Nebenverdiensts laufe sie nun unter „kaufmännische Angestellte“.

„Gestalten und erhalten“ – 1990 war sie mittendrin, als die Amerikaner die Kasernen verließen und es um die Neugestaltung ging. Film- und Medienzentrum wie Karlskaserne seien ein Erfolg, wie auch das Rotbäumlesfeld, sagt sie, mit der Jägerhofkaserne steht nun die letzte Kaserne an. „Das ist gut gelungen.“

Jetzige Finanzkrise als gewaltige Herausforderung

Ob es gelingt, gut mit der derzeitigen Finanzkrise umzugehen, ist ungewiss. Gerade hat der Gemeinderat eine Klausur hinter sich, das große Thema: Sparen. 2008 hat die SPD-Stadträtin schon eine Finanzkrise erlebt, hat immer „ein Auge auf die Finanzen gehabt“, die Situation jetzt in Coronazeiten sei aber gravierend anders. Margit Liepins: „Wenn wirklich 38 Millionen Euro Verlust herauskommt, und wenn nur geringe Gelder von Bund und Land kommen, wird es sehr lange dauern.“