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Impftag bei Marbacher Haustag läuft „wie am Schnürle“

Dr. Dieter Böhm mit den wertvollen Ampullen aus dem Kühlschrank. Foto: Andreas Becker
Dr. Dieter Böhm mit den wertvollen Ampullen aus dem Kühlschrank. Foto: Andreas Becker
Marbacher Hausarzt Dr. Dieter Böhm organisiert eine größere Aktion für Patienten – Straffe Organisation im Team

Marbach. „Seien Sie bloß vorsichtig, lassen Sie sie nur nicht fallen.“ „Und machen Sie die Tür schnell wieder zu.“ Mit Argusaugen wacht die medizinische Fachangestellte Jennifer Hertel über ihren Chef, Dr. Dieter Böhm, und den in diesen Zeiten wertvollsten Einrichtungsgegenstand: den Kühlschrank. Im Kühlschrank lagern die Ampullen mit den Impfstoffen Biontech und Moderna. Täglich wird die Temperatur kontrolliert, „bei über acht Grad müssen wir hellhörig werden“, so Hertel. Gefordert sind vier bis sechs Grad. Heute ist großer Impftag in der Panoramapraxis. Böhms Patienten sind froh, dass er dies anbietet und sie nicht irgendwo hin fahren müssen und warten.

„Man hört ja oft, dass man lange Schlange stehen muss beim Impfen, da bin ich dankbar, dass mein Hausarzt sich kümmert“, sagt eine 86-jährige Dame aus Steinheim. Ihr sei das Impfen wichtig, „für eine gewisse Sicherheit“, wie sie sagt. „Ich habe schon meine Zweifel, ob der Schutz hält, nachdem jetzt die Zahlen wieder so hochgehen“, sagt sie. Ein jüngerer Mann indes ist überzeugt von der Impfung: „Wenn mein Hausarzt mir dazu rät, mache ich es auch“, sagt er. Er habe durch eine chronische Erkrankung ohnehin ein geschwächtes Immunsystem, also lasse er sich gerne impfen. Zumal das in der Praxis „wie am Schnürle“ gehe.

Den großen Impftag hat Dr. Dieter Böhm mit seinem Team entsprechend vorbereitet. Als die Inzidenzen in die Höhe schnellten, wollte der Mediziner handeln. Er organisierte Helfer vom Rettungsdienst, seine medizinischen Fachangestellten und wollte eine große Impfaktion samstags auf die Beine stellen. Allein, die Apotheken hatten keinen Impfstoff. Nachdem es auch am Samstag darauf nicht klappte, hatte ein Apotheker dann doch montags eine Sonderlieferung mit 84 Impfdosen. Dr. Böhm reagierte schnell, dienstags telefonierte seine Mitarbeiterin einen Vormittag fünf Stunden lang die Patienten ab. Schon im Vorfeld mussten alle Impfwilligen sich mit einer E-Mail für eine Impfung anmelden, diese wurden in einem Ordner abgeheftet und jetzt abgearbeitet. „Wir waren schon angespannt, weil es eine kurzfristige Aktion war“, sagt Jennifer Hertel. Aber es klappt alles reibungslos, es gibt kaum Wartezeiten, nebenher läuft sogar noch die normale Sprechstunde für Notfälle. Zwei Mitarbeiterinnen impfen Biontech, eine Moderna, zwei hüten das Telefon. „An so einem Tag sind natürlich alle meine fünf Mitarbeiterinnen im Einsatz“, betont Böhm. Weshalb er auch eine Corona-Pauschale für medizinische Fachangestellte gerecht fände. „Auch in den Arztpraxen ist es anstrengend. Da reicht klatschen auch nicht“, sagt der Marbacher Arzt.

Während einige vor der Tür warten, werden auf dem Flur harte Verhandlungen geführt à la „Kann ich noch meine Frau mitbringen?“ „Da wird richtig gedealt“, sagt Dr. Böhm, der aber durchaus auch eine Verunsicherung bei den Patienten spürt. Bei den 84 Dosen habe er gerade einmal zwei oder drei Erstimpfungen gehabt. „Ich versuche, die Zweifel bei meinen Patienten auszuräumen, wenn ich vom Nutzen der Impfung in ihrem Fall selbst überzeugt bin, aber das dauert schon lange, bis alle Argumente genannt sind. Die Leute lesen viel und stellen viele Fragen. Man muss erst Vertrauen aufbauen“, sagt er. Für jeden Menschen gebe es eine Abwägung zwischen Nutzen und Schaden. Er sei nicht dazu da, dem Mainstream zu folgen, sondern seinen Patienten einen Rat zu geben, was sie tun sollen. Bei manchen rate er zur Impfung, bei anderen nicht. „Wenn man ehrlich ist, hören die Menschen auch zu“, weiß er. Er weiß aber auch, dass hartnäckige Impfgegner erst gar nicht zu ihm in die Praxis kommen.

Bei Kindern und Jugendlichen rate er derzeit zum Beispiel von einer Impfung ab, da er keinen medizinischen Nutzen sehe. Die Datenlage für Kinder sei noch zu dünn, eine Studie aus den USA lasse sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Die Voraussetzungen seien dort andere, so hätten viele Kinder dort Übergewicht oder seien nicht ganz gesund. Hier seien die Kinder im allgemeinen gesünder. Es brauche also zunächst verlässliche Studien aus Deutschland. Außerdem gebe es derzeit zu wenig Impfstoff. „Solange wir die Erwachsenen wegschicken müssen, sollten wir nicht die Kinder impfen“, sagt er.

Böhm kann Gutes von den Booster-Impfungen berichten: 300 habe er schon gemacht, es gebe kaum Nebenwirkungen. Bei der Antikörpermessung habe man nach der Booster-Impfung 5000 Antikörper pro Milliliter Blut festgestellt, nach der zweiten Impfung seien es 2000 Milliliter gewesen. Seiner Meinung nach gibt es keinen Unterschied zwischen Biontech und Moderna, außer dass Moderna nicht an unter 30-Jährige verimpft werden dürfte.

Unverständnis gegenüber den Impfgegnern äußert ein älteres Ehepaar. Sie sind ebenfalls wegen der Booster-Impfung hier. Der Mann ist Risikopatient und überzeugt von den Impfungen. „Ich kann die Skepsis nicht verstehen. Früher ist man in der Schule geimpft worden, keiner hat sich aufgeregt. Es ist ein notwendiges Übel, man ja muss irgendwie Antikörper erzeugen.“