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In der Krise: Suche nach politischem Kompass

Stadträte gehen beim Sparkurs mit, wollen aber für 2021 nachsteuern – Rettungsschirm vom Land verhindert Schlimmeres

Ludwigsburg. Eine politische Debatte darüber, wo genau und was gespart wird oder nicht, blieb in der Krise aus. Die Fraktionen im Gemeinderat zeigten vielmehr großen Konsens mit dem jetzigen Sparkurs, kündigten aber an, in den kommenden Finanzberatungen manches nachsteuern zu wollen. Für die Fraktionen steht fest, dass es mit dem „Krisen-Nachtragshaushalt“, wie er vom Stadtkämmerer bezeichnet wird, nicht getan ist. Die Finanzen müssen auf mehrere Jahre hinaus neu geordnet werden, so die Einschätzung am Dienstagabend bei der Beratung im Forum. Ein Aspekt, auf den auch Oberbürgermeister Matthias Knecht aufmerksam gemacht hatte: „Wir brauchen eine Strategie für die Folgejahre, für die nächsten drei bis vier, vielleicht auch fünf bis sieben Jahre.“

Warum redet man von einer politischen Strategie?

Die Fraktionen gehen bei dem Sparkurs mit, wollen die Finanzen auf das ausrichten, was die Stadt leisten soll und kann. „Wir brauchen einen politischen Kompass“, stellte Grünen-Fraktionschef Michael Vierling fest. Nur dann könne im Einzelfall richtig entschieden werden. „Wir müssen uns mehr um die Daseinsvorsorge als um die Kür kümmern“, so das Statement von Reinhardt Weiss (Freie Wähler). Einen großen Bogen spann die SPD, die die Finanzpolitik wieder mehr auf soziale Themen ausrichten will. Für die CDU und FDP ist die große Konstante die Schulden- und Personalpolitik der Stadt.

Wieso wird auf die nächste Haushaltsberatung verwiesen?

Die Stadt muss zunächst einen Nachtragshaushalt 2020 aufstellen, um die krisenbedingten Steuerausfälle zu bewältigen. Die Fraktionen haben am Dienstagabend in der Sitzung im Forum dem Sparkurs zugestimmt, bei einer Gegenstimme. Vieles muss jedoch neu austariert werden. Es ist ein Ansatz, der die eigentliche Debatte auf den Herbst verschiebt. „Das wird uns Luft zum Atmen verschaffen“, kommentierten die Grünen. Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Herrmann war der Nachtragshaushalt „der Auftakt für die Haushaltsberatung 2021“, dort würden dann die Weichen gestellt. „Im Moment haben wir das Beste aus der Notlage gemacht“, resümierte SPD-Stadtrat Daniel O‘Sullivan.

Was bringt eine Zusammenarbeit der Städte?

Die Grünen setzen ihren Schwerpunkt bei Kultur, Kita und interkommunaler Zusammenarbeit. Es sei keine Perspektive, die Kita-Eltern stärker zu belasten. Auch müsse sich der Klimaschutz stärker in den Finanzdaten widerspiegeln. „Kultur und Sport sind keine Sparschweine“, kritisierte Vierling die Kürzungen. Gerade die Vereine würden den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Die Schlossfestspiele gehören für ihn dazu. Einen Gewinn verspricht sich Vierling von der interkommunalen Zusammenarbeit, sei es bei der Digitalisierung, bei den Technischen Diensten oder der Feuerwehr. „Es ist besser, die Aufgaben zwischen den Kommunen aufzuteilen als sie abzubauen.“

Wie können die Ausgaben gebremst werden?

Die CDU sorgt sich um die steigende Verschuldung und den in den vergangenen Jahren „exorbitanten Anstieg der Personalkosten“. Während andere vergleichbare Städte 19 bis 28 Prozent mehr Personal einstellten, habe sich Ludwigsburg 34 Prozent mehr Stellen geleistet. Dass die Stadt trotz der Sparmaßnahmen noch kräftig investiert, begrüßt die CDU. Gerade in Krisenzeiten sei das ein positives Zeichen für die Wirtschaft.

Warum sind Kürzungen bei Sport und Kultur schecht?

Von einem „wirtschaftlichen Desaster“ sprach Reinhardt Weiss (Freie Wähler) mit Blick auf die allgemeine Situation. Nicht einig ist er mit den Kürzungen bei Sport und Kultur. „Das sollte eine Ausnahme bleiben, die Kürzungen stehen in keinem Verhältnis zu den negativen Auswirkungen auf die Stadt.“ Dank Rettungsschirm –Ludwigsburg erhält 20 Millionen Euro – komme die Stadt mit einem dunkelblauen Auge davon. Auch er kritisierte die Personalaufwendungen, was von der Verwaltung als Einsparung tituliert werde, seien genau genommen nur Verschiebungen.

Warum muss auf soziale Belange geachtet werden?

Einen großen Bogen spann die SPD, die die Finanzpolitik mehr auf soziale Themen ausrichten will. „Die Krise hat vor allem diejenigen getroffen, die ohnehin schon benachteiligt sind“, so Daniel O‘Sullivan, der beispielsweise Honorarkräfte bei Vereinen oder der Musikschule nannte. „Das zeigt, wie es weitergehen muss.“ Für die SPD stehen deshalb soziale Einrichtungen, die Schulen, die Volkshochschule und die Stadtbücherei, aber auch die Schulsozialarbeit ganz oben. Gerade die Schulsozialarbeit wäre in der Krise wichtig gewesen, der weitere Ausbau wurde geschoben. Laut O‘Sullivan dürfe es keine Erhöhung der Kita-Gebühren geben, Sport und Kultur müssen gefördert werden, wobei er mehr an Musik- und Sportvereine und die Jugendmusikschule denkt, weniger an die Schlossfestspiele. Steuererhöhungen schließt er nicht aus. Der Stadtumbau müsse weitergehen, verstärkt im Sinne von Fußgängern und Radfahrern.

Warum muss man sich wegen der Verschuldung Sorgen machen?

Die FDP bekümmert die zunehmenden Verschuldung, ohne den Zuschuss des Landes müsste Ludwigsburg Ausfälle von über 60 Millionen Euro verkraften. Sebastian Haag warnte, dass in den nächsten Jahren voraussichtlich keine weiteren Rettungsschirme aufgelegt würden. „Wir müssen uns überlegen, was wir als Service künftig anbieten können.“ Fest steht für ihn, dass die Stadt nicht mehr nach dem Motto bauen dürfe, „koste es was wolle.“

Braucht man einen Lastenausgleich wie nach dem Krieg?

Für die Linken hat Corona eine „soziale Unwucht“ mit sich gebracht, die Kluft von Arm und Reich gehe weiter auseinander. „Wir brauchen einen Lastenausgleich wie nach dem Krieg“, so Jürgen Müller. Einmalige Kürzungen bei den Vereinen hält er dennoch für vertretbar. Lubu-Stadträtin Elga Burkhardt empfiehlt, nicht ständig neue Baugebiete auszuweisen, dies führe zu nicht mehr finanzierbaren Folgekosten. Für Hayrettin Dogan vom Bündnis für Vielfalt ist entscheidend, dass „die Stadt handlungsfähig bleibt“.