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„Internet ist eine Einsamkeitsfabrik“

René Sydow. Foto: D. Reichenbach/p
René Sydow. Foto: D. Reichenbach/p
Der Kabarettist René Sydow gastiert am Sonntag mit „Heimsuchung“ im Glasperlenspiel

Asperg. Ein „fröhliches Feuerwerk der Boshaftigkeit gegen Politiker, Prominenz und Political Correctness“ verspricht der Kabarettist René Sydow, wenn er an diesem Sonntag, 13. Februar, um 19 Uhr im Glasperlenspiel Station macht. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Sydow, Ihr neues, viertes Programm „Heimsuchung“ sei Ihr heiterstes, lassen Sie verlauten. Wie kriegen Sie in diesen doch eher tristen Zeiten diesen Spagat hin?

René Sydow: Je trostloser die Zeiten sind, desto mehr benötigt man den Humor, als eine Art Bewaffnung. Und da es in „Heimsuchung“ um tendenziell deprimierende Themen wie Pflegenotstand und selbstbestimmtes Sterben geht, war mir sofort klar, dass dies mit dem größtmöglichen Aufgebot an Witz geschehen muss.

Ob Coronapolitik oder Ukrainekrise: Es mangelt nicht an brisanten Themen. Aber eignen sich etwa die genannten Beispiele gut fürs Kabarett?

Der große römische Satiriker Juvenal meinte mal angesichts der Welt: „Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben.“ Und sowohl Corona als auch die Situation um die Ukraine wirkt manchmal schon von sich aus wie absurdes Theater, da kann man schon einiges herausholen.

Worum geht es bei „Heimsuchung“?

Das Programm ist geteilt zwischen dem politischen Teil, in dem es um das seit Jahren kaputtgesparte Pflegesystem geht, und einer Familiengeschichte, die in dieses System hineingerät. Am Ende verzahnt sich das Ganze zu einem gesamten Gedankenkomplex… So hoffe ich zumindest.

Was ist generell Ihr Lieblingsthema?

Immer das, mit dem ich mich für das nächste Programm beschäftige. Und privat: Alles, was für das Kabarett eher uninteressant ist: Film, Literatur, Musik.

Gibt es eine prominente politische Figur, deren Auftreten aus Ihrer Sicht schon so komödiantisch ist, dass sich ein kabarettistischer Kommentar hier erübrigt?

Traurig, aber wahr: Bei einem Philipp Amthor beispielsweise reicht die Erwähnung des Namens, um das Publikum zum Lachen zu bringen.

Wie haben Sie als Kabarettist die Pandemie erlebt? Hat Ihnen die Bühne sehr gefehlt?

Von etwa 160 Auftritten jährlich auf gar keinen zurückgeworfen zu werden, ist für einen Bühnenmenschen schon ein harter Schlag. Abseits der finanziellen Herausforderung war es für mich aber eher nicht so schlimm. Ich habe durch die Zwangspause zwei Romane und ein Bühnenstück fertigschreiben können. Für mich war die Zeit also ungeheuer produktiv.

Wie sehen Sie die Lage mit Blick auf die Kultur? Gab es genug Unterstützung für Künstler?

In NRW, wo ich lebe, gab es für uns Freischaffende, vor allem zu Beginn, gute Unterstützung. In anderen Bundesländern habe ich dies nur teilweise so wahrgenommen. Was ich aber noch immer vermisse, ist das Vertrauen in die Spielstätten, dass sie für die Infektionslage ungefährlich sind. Sämtliche Studien zeigten, dass gerade Theater, Kinos und so weiter hervorragend vorgesorgt hatten. Dass diese nun immer noch nur sehr eingeschränkt arbeiten dürfen, kann ich nicht nachvollziehen.

Ist das Internet als Bühne eine Alternative, in Lockdown-Zeiten oder auch generell?

Das Internet ist für nichts eine Alternative. Es ist eine Einsamkeitsfabrik. Für mich der trostloseste und uninteressanteste Ort der Welt.