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Jeden zweiten Tag besucht sie Tonis Grab

Ruth Maciejewski trauert immer noch um Toni. Foto: Andreas Becker
Ruth Maciejewski trauert immer noch um Toni. Foto: Andreas Becker
Steht Ruth Maciejewski am Grab von Toni, fließen immer noch die Tränen. Vor zwei Jahren ist der Hund in ihren Armen eingeschlafen. Jetzt liegt er auf dem Kornwestheimer Tierfriedhof. „Der Gedanke, ihn verbrennen zu lassen, war mir unerträglich“, sagt sie.

Kornwestheim. Sechs Jahre, zwei Monate und 20 Tage sind die beiden durch dick und dünn gegangen, erzählt Ruth Maciejewski. Toni wurde angeschossen in Rumänien aufgelesen, schwer verletzt und etwa acht Jahre alt im Ludwigsburger Tierheim abgegeben. Die linke Hüfte war steif, sein rechtes Bein konnte er kaum noch gebrauchen. Trotzdem verliebte sich Ruth Maciejewski spontan in den Mix aus Golden Retriever und Spitz und er schloss auch sie schnell in sein Hundeherz. Mit einem umgebauten Kinderwagen wurde Gassi gegangen.

Mit den Jahren sind der freiheitsliebende Straßenhund und die Schulbusfahrerin zusammengewachsen wie ein Paar. „Er berührte mein Herz und gab mir mit seinen lieben Augen unendlich viel Liebe und Zärtlichkeit“, schluchzt Maciejewski. Gerade hat sie Christrosen und Erika um den gravierten Sandstein gepflanzt. Ein Foto steht auf dem Grabmal.

Wenn sie an den Todestag, den 9. März 2020, denkt, weckt das in ihr einen Alptraum. Schwer krank war der Liebling, als ihr die Tierärztin riet, ihn vom Leiden zu erlösen. Er starb in ihren Armen. „Es war, als ob man das eigene Kind verliert.“ Aber sie war auf den Tag vorbereitet, bereits drei Jahre zuvor besichtigte sie mit der Friedhofsverwalterin Anke Hörer den Tierfriedhof. Die Lage an den Streuobstwiesen schien ihr so friedlich – keine Autos, nur Spaziergänger und Hundehalter beim Gassigehen auf dem Weg.

Alle zwei Tage besucht die 55-Jährige ihren Toni. Sie spricht mit ihm und pflegt das Grab. „Das ist für mich Trauerbewältigung.“ Vor allem, weil sie an dem Ort Menschen trifft, die mit ihr das Schicksal teilen und sie nicht als Spinnerin verurteilen. Ihn einzuäschern hätte sie nicht über sich gebracht. Auch wenn ihr klar war, dass er nichts spüren würde.

„Nach dem Tod sah Toni so friedlich aus und ganz ohne Schmerzen“, weint Ruth Maciejewski. Sie habe ihn in seine Lieblingsdecke gewickelt und sei nach einem Anruf zum Rathaus gefahren. Dort sei sie von Anke Hörer sehr verständnisvoll empfangen worden. Die habe sie auch zur Bestattung begleitet und zwei Gedichte vorgelesen. Den Hund hat Ruth Maciejewski dann selbst ins Grab gelegt und mit den ersten Schaufeln Erde bedeckt. „Es war sehr würdevoll.“

Der Kornwestheimer Tierfriedhof war 2003 einer der ersten in ganz Deutschland und ist bis heute noch einer der wenigen kommunalen Einrichtungen dieser Art in der Region. 532 Haustiere wurden seither hier von ihren Besitzern bestattet. Vom Hamster bis zur Hauskatze, vom Nymphensittich bis zum Neufundländer.

Initiator war damals der Friedhofsverwalter Gerd Beisswinger. Selbst Hundehalter wollte er einen würdigen Ort des Abschieds und der Trauer schaffen. Der ist seither auf dem Kornwestheimer Friedhof eingerichtet – mit eigenem Eingang, räumlich und optisch getrennt von den anderen Grabstätten.

Erste Ansprechpartnerin nach dem Tod eines Tieres ist derzeit Anke Hörer. Mit ihr werden die Formalitäten geklärt und die gewünschte Bestattungsform, ob ein anonymes Grab oder eine individualisierte Ruhestätte gewünscht wird. Je nach Größe des Tieres kostet die Bestattung zwischen 100 und 670 Euro. Die Ruhezeit beträgt fünf Jahre, kann aber anschließend verlängert werden.

„Meistens wird die Erdbestattung gewählt“, sagt Hörer. Die toten Tiere werden einem Kollegen übergeben und an den Friedhof überführt. Meistens werden sie in Leinensäcken dorthin gebracht, aber auch in Särgen aus stabilem Karton oder selbst gezimmert aus Holz. Sehr selten kommen auch Urnen. „Wahrscheinlich wird die Asche oft zu Hause aufbewahrt“, vermutet Hörer. Sie bietet auch Trauerbegleitung an, hilft, die passende Grabstelle auszusuchen, berät und hält auf Wunsch eine Trauerrede. Oft werden die Gräber liebevoll gestaltet. Blumen werden gepflanzt, eine gravierte Platte mit den Lebensdaten und einem Foto gesetzt, ein Lieblingsspielzeug mit auf den letzten Weg gegeben. Ganz selten wird sogar ein Steinmetz mit der Gestaltung eines Steins beauftragt.

Die Klientel ist sehr unterschiedlich und reicht von der Familie mit Kindern, die über ihren Schmerz und den Verlust hinwegkommen wollen, bis zu alleinstehenden Senioren, die den geliebten Partner verloren haben, so Hörer. Zwei Dutzend solcher Fälle betreut sie jährlich.

Ruth Maciejewski bereut keine Minute, dass sie sich für die Hundebestattung entschieden hat. Neben Wellensittichen hat sie nun wieder Hunde, zwei Chihuahuas. Auch sie sollen einmal eine solche letzte Ruhestätte bekommen.