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Klangspielplatz unter Strom

Die Künstlerin Melissa E. Logan (links) und die Tänzerin Alisa Scetinina bei der Performance zur Eröffnung. Foto: Andreas Becker
Die Künstlerin Melissa E. Logan (links) und die Tänzerin Alisa Scetinina bei der Performance zur Eröffnung. Foto: Andreas Becker
Die Soundskulptur „Spark“ der Künstlerin Melissa E. Logan in Marbach

Marbach. Nach Auftaktveranstaltungen in Esslingen und Ludwigsburg nimmt das Festival der Kulturregion, 2022 unter dem Motto „Über:Morgen“, weiter Fahrt auf: Marbach ist eine der 21 Kommunen, die sich in diesem Jahr an dem interkommunalen Kunstprojekt beteiligen, seit Samstag steht dort unter dem Vordach des Literaturmuseums der Moderne mit „Spark“ (Funke) eine „radikal partizipative Soundskulptur“ der Künstlerin Melissa E. Logan, die bis zum 15. Oktober während der Öffnungszeiten des Museums zur Interaktion einlädt. Denn nur, wer seine Hand nah genug an eine der auf einem Kupferrohrgestell montierten Antennen annähert, bringt den „Spektralfrequenzen-Soundplayer“ zum Erklingen. Ohne die Antenne zu berühren. Was dann ertönt, ist lediglich einer der vier Kanäle, auf die Logan ihre Tonspuren verteilt hat: Erst wenn alle Antennen gleichzeitig aktiviert werden, erklingt die Gesamtkomposition. Zwei Hände allein reichen dazu nicht aus.

Wie das aussehen kann, zeigte Logan mit der Vokalistin und Tänzerin Alisa Scetinina bei ihrer Performance zur Eröffnung: Vierhändig entlockten sie dem poppig bunten, retro-futuristischen Musikinstrument die Tonspuren, reicherten die Darbietung aber durch Live-Vocals und choreografische Elemente an. Das Herzstück ihrer Installation ist ein sogenannter Waveplayer, der Mehrkanaltonspuren abspielt: „Es ist ein relativ stabiler Aufbau“, sagt Logan, die in den USA und in Österreich aufgewachsen ist und in München Kunst studiert hat. Wer alle fünf Songs hintereinander aktiviert und anhört, verbringt eine knappe halbe Stunde im „Spark“. 1999 hat Logan mit Alex Murray-Leslie Chicks on Speed gegründet, dessen Arbeit sich an der Schnittstelle von Performance, Musik, Mode und Design bewegt. Auch in der Ausstellung „Coverart“ der Waiblinger Galerie Stihl haben sie eine Sektion gestaltet.

Der Marbacher „Instrumentalspielplatz“ (Logan) wird von der spezifischen Ästhetik des Kollektivs geprägt, einer Verschränkung von Clubkulturaffinität und DIY-Trash-Charme, stets im Gestus der Affirmation, der Ironie sich jedoch zumeist verweigernd. Die Materialität der Skulptur sei auch eine Referenz an die Dada-Künstlerin Elsa von Freytag-Loringhoven, so Logan, die eingearbeiteten Parabolantennen übernehmen keine technische Funktion, haben aber ein wenig Farbe aus der Spraydose abbekommen. In ihrem Bühnenoutfit wirken Logan und Scetinina wie schrille Figuren aus einer Science-Fiction-Zirkus-Komödie.

Ausgangspunkt für die ortspezifische Arbeit war die Überlegung, dass Marbach traditionell Ort der Literatur, aber auch der Energieerzeugung ist, erklärte Julian Warner, der künstlerische Leiter des Festivals. So sind auch einige Texte von Jean Paul und E.T.A. Hoffmann eingeflossen, die Logan im Archiv gehoben hat. Ihre Electro-Synth-Pop-Musik veröffentlicht sie als VooCha: „Uploading The Human“ besitzt einen Euro-Disco-Groove, „Spark“ ist in New York in Zusammenarbeit mit Laurie Spiegel entstanden, der großen alten Dame des Buchla-Synthesizers, „Fly & Fall“ mixt Cyber-R&B mit Reminiszenzen an Laurie Anderson. Strom und Kraftwerk sind in Luftlinie stets im Blick.