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Spendenübergabe
Kleine Giftwaage und Opium-Pfeife

Da kommt Freude auf: (von links) Museumsleiterin Catharina Raible, Oberbürgermeister Jürgen Kessing, Erika und Horst Beyreuther. Foto: Alfred Drossel
Da kommt Freude auf: (von links) Museumsleiterin Catharina Raible, Oberbürgermeister Jürgen Kessing, Erika und Horst Beyreuther. Foto: Alfred Drossel
Die Objekte sehen unscheinbar aus, doch für das Stadtarchiv sind sie bedeutsam. Gestern wurde eine ganze Reihe von kunstvollen Stücken aus Japan übergeben. Sie stammen aus einem Familienbesitz und aus dem Dunstkreis von Erwin Bälz – dem großen Sohn der Stadt.

Bietigheim-Bissingen. Die Geschichte ist verworren und doch wieder typisch für die Zeit vor rund 100 Jahren. Die Gegenstände stammen aus dem Besitz von Wilhelm Solf. Er war ein deutscher Diplomat mit Stationen in Samoa und in Japan, wo er von 1920 bis 1928 als Botschafter in Tokio tätig war. Er verstand es, die kulturelle und politische Annäherung an Japan zu fördern.

Er war mit Robert Bosch bekannt und er traf sich wahrscheinlich auch mit Erwin Bälz. Und so stellt sich der Bezug der Exponate zu Bietigheim her. Bälz ist im Bietigheimer Stadtmuseum eine kleine Kabinettausstellung gewidmet. Er ist in Bietigheim geboren und in Stuttgart aufgewachsen. Er studierte Medizin, lehrte an der Universität in Tokio und wurde später zum Leibarzt des japanischen Kaisers. Bälz sah sich als Mittler zwischen der traditionellen japanischen und der westlichen Medizin. Er wird noch heute in Japan verehrt und gilt als einer der Mitbegründer der modernen Medizin in Japan.

Es wird vermutet, dass sich Erwin Bälz und der liberale Diplomat Wilhelm Solf getroffen haben. Das ist auch der Grund, warum die alten Stücke aus Japan den Weg in das Bietigheimer Hornmoldhaus gefunden haben. Denn die Beyreuthers hatte einen Kontakt zur Diplomaten-Familie Solf und ist im Besitz von vielen verschiedenen Kunstgegenständen aus Japan. Einen Teil davon hat sie jetzt dem Stadtmuseum vermacht.

Die Familie hat historische Objekte, die der Tante von Erika Beyreuthers Vater, Martha Richter (1885-1979), gehörten. Martha ging als junges Mädchen „in Stellung“ bei der Familie von Wilhelm Solf und kümmerte sich von 1911 bis 1954 um deren vier Kinder, unter anderem den jüngsten Sohn Otto. Während seiner Zeit als Botschafter in Japan bestanden Kontakte zur kaiserlichen Familie, denn die Kinder spielten auch mit den Kindern des Kaiserhauses. Martha Richter lebte von 1920 bis 1926 mit der Familie in Japan. Erinnerungsstücke und Geschenke der Familie Solf aus dieser Zeit blieben in ihrem Besitz und gelangten nach ihrem Tod auch an die Nichte Erika Beyreuther.

Gestern übergab Familie aus Gemmrigheim zahlreiche Objekte wie Teeschalen, Lackschalen, Opiumpfeifen oder verschiedene Stoffe, dem Hornmoldhaus, das bereits über eine stattliche Japansammlung, unter anderem aus dem Hause Bälz verfügt. Erika Beyreuther ist dem Hornmoldhaus schon seit Jahren verbunden und hat bereits viele Leihgaben für unterschiedliche Ausstellungen beigesteuert. Jetzt erweitert sich die Sammlung des Stadtmuseums um verschiedene Tee-Schalen, ein Räuchergefäß, Sake-Schälchen, ein Reisetintenfass, eine Apothekerwaage, ein Teeservice, eine Opiumpfeife, einen gefütterten Kimono, Nadelmalerei mit Chrysanthemen und Schmetterlingen oder einen schmalen Gürtel mit Vogelschließe.

Besonders fällt die Apothekerwaage auf. Die Schalen sind aus Perlmutt und mit Aufklebern versehen, auf welchen das deutsche Wort Gift steht. Der Grund für die ungewöhnliche Beschriftung könnte sein, dass bis in die 1970er-Jahre Krankenakten noch in deutscher Sprache geführt wurden. Die Mediziner mussten, während ihre Ausbildung, ebenfalls Deutsch lernen. Auch das ein Überbleibsel aus der Zeit, als Erwin Bälz an der Universität von Tokio und am kaiserlichen Hof wirkte.

Das Teeservice kommt gerade richtig, denn in der nächsten Woche beginnt im Stadtmuseum eine große Ausstellung zum Jahresende über die Welt der Teekannen und dabei dürfen die Stücke aus der eigenen Sammlung natürlich nicht fehlen.