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Kleine Häuser halten besser durch

Spart, wo es geht: Axel Preuß, Intendant der Stuttgarter Schauspielbühnen. Foto: Sina Schuldt/dpa
Spart, wo es geht: Axel Preuß, Intendant der Stuttgarter Schauspielbühnen. Foto: Sina Schuldt/dpa
Geförderte Privattheater profitieren häufig von Kurzarbeit – Ohne eigenes künstlerisches Ensemble sinken die Kosten

Stuttgart. Theater während der Coronakrise – im zweiten Teil unserer Umschau widmen wir uns den Privattheatern, die zumeist über einen Trägerverein organisiert sind und aus öffentlichen Mitteln eine institutionelle, sprich für den laufenden Betrieb dauerhaft und fix zugesagte Förderung erhalten. In unterschiedlichem Maße müssen sie sich aber über Zuschauereinnahmen Teile ihres Etats selbst erwirtschaften. In der Region das größte Theater in dieser Organisationsform sind die Schauspielbühnen Stuttgart mit den Häusern Altes Schauspielhaus und Komödie im Marquardt. Die Schauspielbühnen arbeiten mit einem ganzen Stab an fest angestellten Mitarbeitern in Verwaltung, Technik und künstlerischer Leitung, haben aber wie die meisten Häuser dieser Gattung kein festes Schauspielensemble, sondern verpflichten Regisseure und Darsteller jeweils für die einzelnen Stücke, die als Besonderheit auch en suite gespielt werden.

Größerer Apparat, größere Sorgen, kann man sagen, denn die Personal- und Fixkosten laufen weiter, die Zuschauereinnahmen, bei den Schauspielbühnen laut Verwaltungsleiterin Ines Pieper normalerweise fast die Hälfte des Etats, bleiben aus. Dazu kommt noch, dass die Schauspielbühnen auch ein Abonnementsystem zu bedienen haben. Auch hier heißt das Zauberwort also Kurzarbeit. Intendant Axel Preuß sagt es lapidar: „Ohne Kurzarbeit hätten wir es 2020 nicht geschafft und auch 2021 würde uns die Insolvenz wohl drohen.“ Immerhin, so Ines Pieper, sind dem Haus Einnahmen in Höhe von bisher 2,1 Millionen Euro weggebrochen. Sparen, wo es geht, ist also angesagt. In der Zeit, in der vor kleinem Publikum gespielt werden durfte, hat man auf kleinere Stücke mit wenig Personal zurückgegriffen, man arbeitet mit mehr einheimischen Darstellern, für die keine Reisen und keine Unterkunft bezahlt werden müssen.

Dazu hat die Stadt Stuttgart in ihrem Hilfsprogramm 187000 Euro zugeschossen. „Das hat uns sehr geholfen“, stellt Ines Pieper unumwunden fest und lobt die Stadt für die schnelle Hilfe. Sie musste feststellen, dass ihr Theater für Bundesmittel nicht antragsberechtigt ist und die Landesmittel aus dem Fördermittelfonds nur mit hohem bürokratischen Aufwand und ungewissem Ausgang zu beantragen sind. Derzeit produziert man auch hier zwei bis drei Stücke, die nach Ende des Lockdowns dann rasch auf die Bühne gebracht werden sollen. Wann das sein wird, weiß man natürlich auch an den Schauspielbühnen nicht. Pieper berichtet von den mehrfach umgeschriebenen Spielplänen, deren Umsetzung die gesamte Belegschaft massiv fordern. Sie würde sich wie die meisten anderen Betroffenen mehr Planungssicherheit wünschen. Wenn der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, sieht man an den Schauspielbühnen auch eine wichtige Aufgabe darin, die Abonnenten zurückzugewinnen, das Publikum neu für einen Theaterbesuch zu motivieren. Und trotz aller Arbeit, die durch das ständige Ändern der Pläne entsteht, will man an den Schauspielbühnen auch darüber nachdenken, wie man Neues für das bisherige Publikum präsentieren, aber auch für neue Zuschauer attraktiver werden kann.

Sorgen um das Publikum macht sich Susanne Heydenreich weniger. „Wir haben gemerkt, dass die Leute uns mögen, sie brauchen Theater und werden gerne wiederkommen, wenn wir erst einmal wieder spielen dürfen.“ Die Intendantin des Theaters der Altstadt beklagt aber ebenso wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen die fehlende Planungssicherheit, von der alle betroffen sind, sei es das Friedrichsbau-Varieté, das vorerst die Eigenproduktionen eingestellt hat, sei es das Theaterhaus, das ebenfalls hohe Fixkosten für Personal und Räumlichkeiten zu tragen hat oder all die anderen Theater, die allesamt schauen müssen, wie sie mit den Hilfen der Stadt, ihrer institutionellen Förderung und mit Kurzarbeit über die Runden kommen. Für alle gilt, dass das ganze Ausmaß wohl erst sichtbar wird, wenn die Normalität zurückkehrt, auch abhängig davon, wann das letztlich sein wird.

Für das Theater der Altstadt kamen, wie Susanne Heydenreich berichtet, einige Umstände zusammen, die die Probleme „nicht ganz so furchtbar werden ließen, wie ich es zu Beginn befürchtet hatte“. Da war die sofortige Einführung der Kurzarbeit, da war die städtische Hilfe, da war die Solidarität der Zuschauer und Freunde des Theaters, die auch spendeten, da war die zuschauerträchtige Sommerbespielung mit Wommy Wonder und Monika Hirschle und da war die im Nachhinein so rettende Idee, mit den Vorstellungen in die trotz Corona geöffneten Kirchen der Umgebung des Theaters auszuweichen, wo man zwar keinen Eintritt nahm, aber dafür Spenden in erheblichem Umfang einsammeln durfte. Für die Intendantin war es auch wichtig, überhaupt spielen zu können.

Das ist auch derzeit ein Problem, denn auch in ihrem Theater wird geprobt, aber sie gibt unumwunden zu: „Mir war zum Heulen, als wir direkt vor der Schließung noch die Generalprobe von „Geliebter Lügner“ hatten und ich wusste, wir dürfen das derzeit nicht spielen.“ Für sie ein Trost ist dabei aber auch die spürbare Solidarität aller Stuttgarter Theater, die in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten. Und es macht auch Hoffnung, dass sie nicht daran glaubt, dass die Zuschüsse für die Theater gekürzt werden.

Insgesamt, so scheint es, kommen kleinere Häuser besser durch die Krisenzeit, wohl in erster Linie deshalb, weil der Anteil an Zuschauereinnahmen in ihren Etats geringer ist, und weil sie flexibler agieren können als große Häuser wie die Schauspielbühnen, die sich in jeder Hinsicht mit vielen großen Stadttheatern vergleichen können. Für viele Theater erweist es sich als nützlich, kein eigenes künstlerisches Ensemble vorzuhalten, nur das Theater Tri-Bühne leistet sich eine kleine Schauspielertruppe, weil Intendantin Edith Koerber dies für unabdingbar hält. Alle anderen müssen zwar schon bestehende Verträge erfüllen, können aber bei den Neuabschlüssen zurückhaltend sein – wobei dies auch nur in beschränktem Maße, da in der Branche Verträge vor allem mit gefragterem Personal mindestens ein Jahr im Voraus abgeschlossen werden. So scheint es jetzt aber tatsächlich Vertragsabschlüsse zu geben, die eine Ausstiegsklausel zum Inhalt haben, was man seither eher aus der Fußballerbranche kannte.

Unter den gegebenen Umständen offenbar noch ganz gut durch die Krise kommen kleinere Häuser wie das Zentrum für Figurentheater (Fitz) oder die Rampe. Beide Theater haben als Besonderheit, dass sie hauptsächlich als Gastspieltheater agieren, aber auch als Co-Produzenten aktiv sind. Beide sind in Bezug auf die laufenden Kosten wenig von den Zuschauerzahlen in ihren ohnehin kleinen Theaterräumen abhängig. Beide benötigen kaum das Instrument der Kurzarbeit, an beiden Theatern wird weiter gearbeitet, hauptsächlich mit freien Gruppen, für die sich die Intendantinnen beider Häuser auch in einem ganz besonderen Maße verantwortlich fühlen.