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Krankenhaus: Kinderklinik arbeitet am Anschlag

Das Frauen- und Kind-Zentrum samt Kinderklinik am Ludwigsburger Krankenhaus hat derzeit sehr viel zu tun. Foto: Andreas Becker
Das Frauen- und Kind-Zentrum samt Kinderklinik am Ludwigsburger Krankenhaus hat derzeit sehr viel zu tun. Foto: Andreas Becker
Schon seit Wochen herrscht an der Kinderklinik des Krankenhauses eine angespannte Situation. Die Betten der Isolierstation sind dauerhaft belegt. Grund dafür ist eine heftige Welle von RSV-Infektionen.

Ludwigsburg. Die Kinderklinik arbeitet momentan am Limit. „Wir schauen derzeit nur, wie wir über die Nacht kommen können“, sagt der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. Jochen Meyburg. In den anderen Kinderkliniken der Region sieht es nicht besser aus. „Wir sind die ganze Zeit am Telefonieren, um zu erfahren, wo es noch einen freien Platz gibt.“ Manche Eltern müssen mit ihren Kindern von Ludwigsburg schon in andere Häuser geschickt werden. Die Situation sei gerade noch so unter Kontrolle.

Die Isolierstation der Kinderklinik mit 22 Betten ist aber dauerhaft komplett belegt. Hauptgrund dafür ist das RS-Virus (Respiratorische Synzytial-Virus). Etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Kinder auf der Isolierstation leidet darunter. Eine Erkrankung verläuft zunächst kaum anders als eine normale Erkältung mit hohem Fieber und trockenem Husten. Einige Kinder bekommen im Verlauf aber immer stärkere Atemnot, erklärt Meyburg. Vor allem bei Säuglingen kann das Virus die Schleimhäute der Bronchien erheblich angreifen.

Hochphase sonst erst ab Weihnachten

„Ansteckungsort Nummer eins ist die Kita.“ Säuglinge werden meist von den älteren Geschwistern angesteckt. Ein Großteil der Kinder packt eine Infektion aber ohne größere Probleme weg, so der Professor. Nur in ganz seltenen Fällen verläuft die Krankheit richtig schwer und kann sogar zum Tod führen. Das hat es in Ludwigsburg bisher aber nicht gegeben. Die medizinischen Möglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren weiter verbessert, so dass die meisten Kinder sehr gut behandelt werden könnten. Aber: Mit dem RS-Virus ist nicht zu spaßen. Kinder, die schwer erkranken, müssen mitunter sogar beatmet werden – momentan gilt das auch für einen acht Wochen alten Jungen in Ludwigsburg. Auch die drei Intensivbetten der Kinderklinik sind fast ständig komplett belegt. Entweder mit RS-Virus-Patienten oder mit Kindern, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben.

Das RS-Virus ist fast jeden Winter ein Thema, sagt Jochen Meyburg. Normalerweise liegt die Hochphase zwischen Weihnachten und Februar. Dieses Jahr hat die Welle allerdings viel früher angefangen. Schon im September. „Bereits im Sommer haben wir in Australien oder den USA gesehen, dass uns eine Welle bevorsteht.“ Da die Infektionswelle früher begonnen hat, könnte sie auch eher abebben. „Wenn wir Glück haben, wird es Ende Dezember besser.“

Letztes Jahr um dieselbe Jahreszeit war es übrigens gespenstisch leer in der Kinderklinik, erinnert sich Meyburg. Durch den Lockdown, die Kontaktbeschränkungen und all die Vorsichtsmaßnahmen, gab es kaum Kinder, die sich angesteckt hatten. Dafür hat es die Kinderklinik jetzt praktisch mit zwei Jahrgängen an RSV-Patienten auf einmal zu tun.

Zu diesen schwerwiegenden Folgen der Coronapandemie kommen weitere hinzu: die Personalsituation. Von den 72 Betten der Kinderklinik können momentan nur 56 belegt werden, weil es zu wenig Personal gibt. Pflegerinnen und Pfleger haben gekündigt oder gewechselt. Außerdem macht der Klinik der strenge Mutterschutz in Baden-Württemberg Probleme.

Allein vier Ärztinnen fehlen momentan

95 Prozent der Mitarbeiter in der Kinderklinik sind Frauen. Derzeit fehlen Meyburg allein vier Ärztinnen, weil sie schwanger sind. Vom Tag der Bekanntgabe der Schwangerschaft können Ärztinnen oder Pflegerinnen nicht mehr in der Klinik arbeiten. „Und ersetzt werden können sie momentan auch nicht“, sagt Jochen Meyburg.

Die Anzahl der Coronapatienten ändert sich dagegen kaum. „Wir haben immer ein paar Kinder auf Station meist etwa zwei bis drei, darunter oft Säuglinge.“ Wirklich schwere Fälle gebe es selten und wenn dann seien eher Säuglinge und Kleinkinder betroffen. Typisch seien Atemwegsymptome, ähnlich wie beim RS-Virus. Womit es die Ärzte allerdings immer öfter zu tun bekommen, sind an Covid erkrankte Schwangere oder Mütter, die ihre Säuglinge anstecken. Ein Grund dafür sei, dass für Schwangere erst später eine Impfempfehlung ausgesprochen wurde, so Meyburg.

Im Vergleich zum RS-Virus treten die Covidfälle in der Kinderklinik aber stark in den Hintergrund. Das sogenannte PIMS-Syndrom – eine schwere Entzündungserkrankung bei Kindern und Jugendlichen infolge eine Covid-Infektion – spielt momentan praktisch keine Rolle mehr für den Kinderarzt. Meyburg vermutet, dass dafür die Impfmöglichkeit ab 12 Jahren gesorgt hat.