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Kresse und Krawatten „to go“

Inhaberin Maya Esch (rechts) nimmt Tauschartikel entgegen. Foto: Andreas Becker
Inhaberin Maya Esch (rechts) nimmt Tauschartikel entgegen. Foto: Andreas Becker
Unverpacktladen Heimathafen beteiligt sich am Tag der Nachbarn – Setzlinge und Saatgut sowie Kleider werden getauscht

Benningen. Am Vormittag taucht unvermittelt eine Gruppe von sieben Mädchen vor dem Unverpacktladen Heimathafen am Dengelberg auf. Sie waren gerade im Wäldchen neben der Gemeindehalle, wo der Heimathafen an diesem Tag eine Schnitzeljagd für mehr Achtsamkeit organisiert hat. An mehreren Stellen absolvieren die Kinder Yoga-Übungen und sammeln Buchstaben für ein Lösungswort.

Laden funktioniert ganz ohne Plastik

Wer durchhält und alle Buchstaben findet, bekommt bei der Rückkehr zum Heimathafen Süßigkeiten und eine kleine Packung mit Saatgut. Selbstverständlich plastikfrei. „Wir haben die Tüten aus altem Zeitungspapier gebastelt“, sagt Maya Esch, Inhaberin des Heimathafens. In ihrem Geschäft, das sie Anfang November mitten in der Coronapandemie gemeinsam mit ihrem Mann Ralf eröffnet hat, ist Nachhaltigkeit oberstes Gebot. Zum Konzept gehört auch, dass der Laden komplett ohne Plastik funktioniert.

Ob sie schon mal Yoga gemacht hätten, fragt Maya Esch die Mädchen. Die verneinen, versichern aber, dass die Übungen großen Spaß gemacht hätten. Vor allem seien sie allerdings wegen der Süßigkeiten gekommen. Die Leckereien werden sogleich ausgehändigt. Ein Mädchen, das gerne kocht, hat ein Kochbuch entdeckt. „Muss man das kaufen?“, fragt sie. Eigentlich schon, antwortet Maya Esch, in diesem Fall macht sie aber eine Ausnahme und verschenkt das Buch. Das Interesse der Mädchen ist ganz im Sinne der Inhaberin. Bei der Aktion heute beteiligte sich der Heimathafen am Tag der Nachbarn, den das in Berlin ansässige Internetportal nebenan.de ins Leben gerufen hat. Bundesweit können Akteure vor Ort mitmachen und so die Vernetzung in ihrem Umfeld fördern – ein Anliegen, das die Eschs ohnehin verinnerlicht haben.

Vor dem Unverpacktladen stehen Behälter, in denen Besucher Setzlinge und Saatgut abgeben und mitnehmen können. Schon am Vormittag findet sich eine breite Palette an Blatthortensien, Wirsing, Roter Bete, Kürbissen, Stangenbohnen, Mangold und Kapuzinerkresse. Maya Esch informiert ihre Kundschaft auch über die positiven Wirkungen dieser Pflanzen. Kapuzinerkresse und Meerrettich etwa seien natürliche Antibiotika, deren Wirkung sich im Zusammenspiel noch verstärke. Das Kauen von getrockneten Nelken lindere Zahnschmerzen.

Vor dem Heimathafen gibt es aber nicht nur Kresse, sondern auch Krawatten und andere Kleidungsstücke „to go“: Auf einer Kleiderstange hängen Anzüge, T-Shirts, Röcke und eben Krawatten – ein Benninger hat offensichtlich seinen Schrank ausgemistet und gleich einen ganzen Haufen Halsbinden vorbeigebracht. Alle Kleidungsstücke sind in gutem Zustand. „Was der eine aussortiert, passt einem anderen“, sagt Maya Esch. „Mit dieser Tauschaktion wollen wir darauf aufmerksam machen, dass es oft auch ohne Geld geht und alte Sachen oder Gegenstände mehr Wertschätzung verdient haben.“

Tauschring für Fähigkeiten und Zeit

Nicht zuletzt wirbt der Heimathafen beim Tag der Nachbarn für die neue Nachbarschaftsinitiative „Tauschring Benningen“. Hier steht nicht der Tausch von alter Kleidung oder Gegenständen, sondern das Einbringen von Talenten und Zeit im Vordergrund. „Es geht zum Beispiel darum, Leuten beim Einkaufen zu helfen oder sie bei Reparaturarbeiten zu unterstützen“, so Esch. „Dabei soll aber keine Konkurrenz zum örtlichen Handwerk entstehen.“

Nach einem halben Jahr ist der Heimathafen in Benningen angekommen. Sobald es die Coronaverordnung zulässt, wollen die Eschs vor ihrem Geschäft zwei Tische aufstellen und Kaffee, Tee, Säfte und Snacks servieren. In der Coronazeit sei die Kundschaft mitunter ein wenig reserviert gewesen, sagt Ralf Esch. „Aber ich habe schon den Eindruck, dass die Leute es zu schätzen wissen, dass es in Benningen jetzt einen Unverpacktladen gibt.“