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Kritik an der Anlage wird schärfer

Visualisiert: Neben dem bestehenden Kohlekraftwerk ist die geplante Klärschlammverwertungsanlage zu sehen. Fotomontage: EnBW
Visualisiert: Neben dem bestehenden Kohlekraftwerk ist die geplante Klärschlammverwertungsanlage zu sehen. Fotomontage: EnBW
Die EnBW will auf dem Gelände des Walheimer Kraftwerks eine Klärschlammverwertungsanlage im zweistelligen Millionenbetrag bauen. Dies stößt bei den Gemmrigheimern auf offene und teilweise scharfe Kritik.

Gemmrigheim. Aus gutem Grund fand die Gemeinderatssitzung am Montagabend in der Festhalle im Wörth statt. Denn dass viele Bürgerinnen und Bürger erschienen waren, lag angesichts des Tagesordnungspunkts „Planung einer Klärschlammverwertungsanlage“, kurz KVA, auf der Hand. „Viele Gemmrigheimer sind an dem geplanten Vorhaben näher dran als so mancher Walheimer. Es bewegt die Leute. Sie sehen es an dem Zuspruch“, meinte Bürgermeister Dr. Jörg Frauhammer, als er Andreas Pick von der EnBW begrüßte.

Nachdem das Projekt bereits im Walheimer, Besigheimer und Kirchheimer Gemeinderat vorgestellt worden war (wie mehrfach berichtet), präsentierte es der Gesamtplanungsleiter der KVA nun dem Gemmrigheimer Gremium. Anschließend trat Pick einigen Argumenten, die aus Gemmrigheimer Perspektive gegen die Anlage sprechen könnten, wohlweislich gleich selbst entgegen.

Luftschadstoffe? „Wir unterliegen sehr strengen gesetzlichen Vorschriften und müssen die entsprechenden Grenzwerte zwingend einhalten.“ Die Emissionen des KVA dürften sich – verglichen mit denen des bestehenden Kohlekraftwerks – um ein Vielfaches verringern, sagte Pick. Ein 56 Meter hoher, schlanker Schornstein aus Stahl, der etwa einen Durchmesser von eineinhalb Metern hat, trage darüber hinaus dazu bei, dass sich „die Luft in Gemmrigheim verbessern dürfte“.

Gestank? Wenn Klärschlamm trocken sei, rieche er nicht mehr nach Fäkalien, versicherte Pick. Die EnBW werde die technischen Vorkehrungen treffen, damit keine Gerüche entstehen. Zudem herrsche Unterdruck im etwa 80 Millionen Euro teuren Gebäude, das nach einer rund zweijährigen Bauphase Anfang 2025 in Betrieb genommen werden soll, so dass bei den angelieferten, abgedichteten Containern „nichts nach außen dringt“.

Erhöhtes Verkehrsaufkommen? Der Großteil des Klärschlamms werde über Lastwagen angeliefert – gerechnet wird mit 60 pro Tag –, die über die Autobahn nach Walheim fahren, sagte der EnBW-Planungsleiter, ein „Mehr an Verkehr“ bewege sich für Gemmrigheim im „geringen Prozentbereich“.

Allen Darstellungen zum Trotz sahen die Gemeinderäte das geplante Vorhaben völlig anders. Er finde es „unsittlich und unverantwortlich“, ärgerte sich Jörg Lorenz (SPD), er sei ein absoluter Gegner dieser Anlage. „Wir werden uns massiv dagegen wehren“, schob Lorenz nach, wofür er Applaus aus den Reihen der Zuhörerschaft bekam.

Dem konnte Sven Herold (CDU) nur zustimmen. Er könne es „absolut nicht nachvollziehen, weshalb so eine Anlage an dieser landschaftlichen Engstelle“ hingebaut werden soll. „Gegenüber, also auf Gemmrigheimer Seite, befindet sich eine dichte Wohnbebauung, die von der Flussseite her belüftet wird.“ Herold erinnerte daran, dass die umliegenden Kommunen Konzepte entwickelten, um Touristen anzulocken, und nun „soll im schönen Neckartal ein solches Bauwerk“ entstehen. „Das tut mir weh“, machte Herold klar und sagte: „Die Verbrennung von Klärschlamm ist ein lukratives Geschäft für ein Unternehmen, da machen wir uns mal nichts vor.“ Warum der Klärschlamm nicht zum nahe gelegenen EnBW-Kraftwerksstandort Heilbronn gebracht werde, erschloss sich ihm nicht.

Kopfschüttelnd und fassungslos zeigte sich auch Manfred Sannert (CDU). Die Anlage stehe in „Windrichtung zur höchstens 200 Meter entfernten Gemmrigheimer Bebauung“, die „Walheimer Wohnbebauung ist rund 400 Meter und das Naturdenkmal Steillagen leider nur etwa 100 Meter weg“. Ob die Kommune ein Vetorecht habe, um dagegen Einspruch einzulegen?, fragte er, denn die Gemeindegrenze verlaufe direkt am Kohlekraftwerk. Ohne wirklich eine Antwort zu erwarten, hob Sannert hervor: „Das ist ein Nachlass, den uns unsere Nachfahren nicht verzeihen werden. Hier entsteht eine chemische Bombe.“

Er habe sich zwar mit seinem Vortrag Mühe gegeben, wandte sich Ralf Schober an den EnBW-Planungsleiter, aber es habe nicht funktioniert. „Sie haben uns Märchen erzählt von der Erhaltung von Arbeitsplätzen und von energetischen Vorteilen.“ Er freue sich, sagte Schober, „wenn die Bürgerschaft sich wehrt und Sie ordentlich Gegenwind bekommen“.

Er habe keine Märchen erzählt, entgegnete Andreas Pick. Mit Blick auf die Bedeutung von Phosphor sei die novellierte Klärschlammverordnung im Oktober 2017 in Kraft getreten, „sie regelt den Umgang mit Klärschlamm komplett neu“.