1. Startseite
Logo

Ludwigsburgs OB sucht in der Krise auch den Aufbruch

„Nicht so dramatisch“: Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht, qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzender der Schlossfestspiele. Foto Andreas Becker
„Nicht so dramatisch“: Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht, qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzender der Schlossfestspiele. Foto Andreas Becker
Jahresgespräch mit Matthias Knecht über Ludwigsburg und was das neue Jahr bringt – Kommenden Mai soll die Zukunftswerkstatt beginnen

Ludwigsburg. Aufbau von Teststellen, von PCR-Testangeboten, von Impfstraßen – auch der Krisenstab in Ludwigsburg hatte alle Hände voll zu tun. Und die Sorge um Corona und diejenigen, die noch immer keine Erstimpfung haben, ist auch Oberbürgermeister Matthias Knecht anzumerken. Sein Appell ist eindeutig, auch wenn er der Waldorfschule nahesteht, wo es viele Impfskeptiker gibt. „Wer immer noch meint, das sei eine leichte Grippe, verkennt die Lage“, sagte er im Jahresgespräch mit unserer Zeitung. Dies auch mit Blick auf die verheerenden Auswirkungen auf Gesellschaft, Gesundheitswesen und Wirtschaft. „Notfalls brauchen wir die Impfpflicht“, ist er überzeugt.

Dass Ludwigsburg inzwischen ebenfalls eine Stadt mit Montagsdemonstrationen ist, bei der Hunderte Impfgegner durch die Stadt ziehen, gefällt ihm nicht. Es sei frustrierend, so Knecht, dass man diese Menschen so schwer oder gar nicht erreicht. Man werde aber alle Angebote offen halten. Gleichwohl wollen Stadt und Polizei die als „Spaziergänge“ bezeichneten Demos, mit denen man sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt, genauer unter die Lupe nehmen.

Mit Blick auf die Stadt hat sich Knecht, der jetzt seit zwei Jahren OB ist, mit Verwaltung und Gemeinderat auf eine Strategie verständigt, in der man sich vertieft um die Themen sozialer Zusammenhalt, Bildung, Klimaschutz, Mobilität und bezahlbares Wohnen kümmern will. Gleichzeitig hat Knecht, wie schon andere vor ihm, die Verwaltung umstrukturiert und die Zuständigkeit der Bürgermeister neu definiert. Über die künftigen Ziele für Ludwigsburg will die Stadt auch mit den Bürgern reden, wozu sie im Mai zu einer Zukunftswerkstatt einlädt. Dafür sollen Bürger per Zufall ausgewählt und für die Gespräche eingeladen werden.

Warum gespart wird: Laut Knecht ist die Konsolidierung der Finanzen seine größte Sorge, in den nächsten Jahren müssen weitere fünf Millionen Euro eingespart werden, wie im Haushalt vorgesehen ist. Trotz wieder hoher Steuereinnahmen – 2021 ist es ein Sondereffekt, weil Firmen von Corona doch nicht so stark betroffen sind – sei es ein schwieriger Kurs. Vor allem auch deshalb, weil um jeden Cent gerungen werden müsse – so hat der Gemeinderat beispielsweise das Stadtticket, das teurer werden sollte, einkassiert, was erneute Ausgaben zur Folge hat. Auf der anderen Seite benötigt die Stadt mehr Einnahmen. Knecht rechnet hier mit Widerstand. Die Sache werde aber nicht einfacher, so der OB, „wenn man die Anwohner vor höheren Parkgebühren verschonen will, wenn man die Eltern vor höheren Kitagebühren verschonen will, wenn man Steuern nicht erhöhen will“.

Knecht kündigt an, dass gewisse Leistungen reduziert werden müssen. „Da mache ich mich nicht beliebt als OB, aber wir müssen ehrlich sein und auch den Bürgern sagen, dass diese Notwendigkeit besteht“, räumt er ein. Die „kleinen“ Kürzungen benötige man, um im laufenden Betrieb aus dem Minus herauszukommen. Dass das Vereine oder Kultureinrichtungen besonders spüren, sei verständlich. Auf der anderen Seite gebe es viele Aufgaben. Knecht spricht nach wie vor von einem Investitionstau. Investiert werde auch jetzt in großem Stil in Kitas, Schulen, Infrastruktur, dafür müssten aber in den nächsten Jahren Kredite mit bis zu 80 Millionen Euro aufgenommen werden. Damit macht Ludwigsburg erstmals wieder Schulden in größerem Umfang, „wenn auch nicht so wie manch’ andere Städte“, so Knecht. Dunkle Wolken mit Blick auf die Steuern ziehen zudem auf, weil der Konzern Wüstenrot& Württembergische Ludwigsburg verlässt, womit Millionen an Einnahmen verloren gehen.

Für was Geld da ist: Die Neubauten beim Bildungszentrum West, unter anderem für die Daimler-Realschule und das Otto-Hahn-Gymnasium, fordern die Stadt finanziell heraus. Zunächst auf über 150 Millionen Euro taxiert, wurde das Projekt durch Einsparungen auf 130 Millionen Euro zurückgefahren. Die Stadträte hat’s gefreut, doch kurze Zeit später dann die Rechnung mit den aktuellen Baukosten: Das Bildungszentrum landet wieder auf 157 Millionen Euro. Doch bremst es anderes aus? Allein für dieses Vorhaben wird die Stadt Kredite aufnehmen müssen. „Eine Stadt kann sich aber über die nächsten zehn Jahre nicht nur auf ein Bildungszentrum konzentrieren. Stadtentwicklung braucht Kitas, braucht eine verbesserte Betreuungssituation“, so Knecht. Demnächst geht die Kita Brahmsweg in Betrieb, in absehbarer Zeit auch weitere Kitas bei St. Paulus in Oßweil und beim HCL. „Stadtentwicklung braucht darüber hinaus Mobilitätslösungen, einen barrierefreien Busbahnhof, bedeutet auch die Entwicklung des Franck- und Kepler-Areals und ebenso Digitalisierung, Wohnen und sozialen Zusammenhalt.“ So wichtig das Bildungszentrum West sei, man dürfe sich nicht allein auf dieses Projekt reduzieren.

Was gut lief und was nicht: Im Rückblick wertet Knecht als kleinen Erfolg das Aktionsprogramm, das die Stadt für Gastronomie und Einzelhandel aufgelegt hat. Damit sollte die Innenstadt gestützt werden. Darlehen in Höhe von 80000 Euro wurden vergeben und sind inzwischen zurückgezahlt. Auch der Gemeinderat habe sich mit dem Programm klar für die Innenstadt positioniert und damit ein Zeichen gesetzt. Geradezu „fürchtetlich“ sei es gewesen, den Weihnachtsmarkt absagen zu müssen. Gerade für den Tourismus wie für die Innenstadt sei dies ein herber Schlag gewesen.

Was 2022 sichtbar wird: Die Stadt soll nicht kaputtgespart werden, so der OB. Nächstes Jahr sollen einige Fortschritte sichtbar werden. So etwa soll auf dem Franck-Areal eine Zwischennutzung im Bereich Kultur und Mobilität erfolgen, auf dem Kepler-Areal, wo bislang ein Hochhaus geplant war, werde ein Ludwigsburger Unternehmen seinen Standort finden. Im ersten Halbjahr sollen dazu Pläne vorgestellt werden. Beim Gewerbegebiet WaldäckerIII, der früheren Kleingartenanlage Frommannkaserne, soll es weitergehen. Bekanntlich will sich dort die Firma Götze ansiedeln, auch das Audi-Autohaus benötigt Flächen. Die „Premiumfläche entlang der Schwieberdinger Straße“, so Knecht, sei noch nicht vergeben. „Wir wollen dort Zukunftstechnologien ansiedeln, keine Logistik.“ Sichtbar werden soll auch, was die Stadt auf dem Arsenalplatz plant und 2023 dann umsetzt. Die August-Lämmle-Schule wird fertig werden, auch die Friedrich-von-Keller-Schule. Dazu kommen die Radwege Robert-Franck-Allee und Grönerstraße. Alleenstraße und Friedrich-Ebert-Straße folgen 2024 und 2025. Auf der Wilhelmstraße wird nächstes Jahr Tempo30 eingeführt, so Knecht. Im Frühjahr soll auch ein Konzept zur Nutzung des Akademiehofs vorgelegt werden. 2022 soll zudem die Digitalisierung vorangetrieben „und auch für den Bürger spürbar“ werden.

Wo die Stadtbahn bleibt: Bei der Stadtbahn will Knecht jetzt Nägel mit Köpfen machen und im ersten Halbjahr mit dem Gemeinderat Ludwigsburg eine Entscheidung treffen, mit der dann der Zweckverband Stadtbahn wie der Kreistag arbeiten kann. Im Herbst hatte Knecht eine neue Linienführung über die Robert-Franck-Allee und nicht über die Hindenburgstraße vorgeschlagen, die später als sogenannte „Knecht-Linie“ gehandelt wurde. Ludwigsburgs OB steht dazu, diese Linienführung habe einige Freunde gefunden. Klar sei aber, dass es keine Hochflurbahn sein dürfe, sondern dass in die Stadt herein bis zum Bahnhof eine Niederflurbahn fahren müsse. „Bei der Linienführung wird es noch einiges zu arbeiten geben“, hält er die Tür offen. Dies müsse mit dem Gemeinderat festgelegt werden. Von Remseck bis zum Bahnhof und von dort bis Markgröningen, dafür werde es eine hohe Einvernehmlichkeit geben. Offen ist noch, wie die Innenstadt und Oßweil angeschlossen wird. Da gebe es politisch eine Pattsituation. „Da müssen beide Seiten kompromissbereit sein, da müssen sie sich aufeinander zubewegen.“ Ludwigsburg brauche eine Lösung, die die Innenstadt stärkt und zukunftsgerichtet ist. Knecht: „Die Innenstadt stärken wir nur, wenn der Zug über den Bahnhof hinaus in Richtung Osten fährt.“

Sporthallen und Stadtteile: „Stadtteile sind mehr als die drei Sporthallen“, so Knecht zu den ursprünglichen Plänen, in der Oststadt, in Oßweil und Poppenweiler zeitnah Sporthallen zu bauen. „Die Stadtteile liegen mir sehr am Herzen. Ich werde auch künftig versuchen, Themen der Stadtteile anzugehen. Das können auch kleine Dinge sein wie ein Fußgängerüberweg oder vorübergehende Lösungen wie für das Rathaus Neckarweihingen.“ Ziel sei weiterhin, die drei Sporthallen zu ermöglichen. In den nächsten fünf Jahren geht das aus finanziellen Gründen nicht. Aber nach der Halle Oststadt, die acht Millionen Euro kostet und nicht bis Mitte 2024, aber im Zeitraum 2024/2025 fertig sein soll, sei Oßweil dran, dann Poppenweiler.

Wohnen teils ohne Auto: „Im Fuchshof wollen wir den Parkraum für Autos konzentrieren, den Sport stärken und Freiflächen für Grün lassen“, so Knecht. So wird die Quartiersgarage auf dem Rasenspielfeld gebaut, zwei Drittel davon bleibe für neue Sportnutzungen und ein Vorbildprojekt von HCL und MTV. Im geplanten Wohngebiet Fuchshof gegenüber des Sportparks habe die Stadt inzwischen die meisten der noch fehlenden Flächen erwerben können. Das Grundstücksgeschäft hatte die bisherige Weiterentwicklung ausgebremst. Neue Wohnungen entstehen zeitnah im Jägerhofquartier, die spätestens 2023 bezogen werden können, in Grünbühl-Sonnenberg werden bereits Wohnungen und eine Kita gebaut, am Gämsenberg gehe es mit der Erschließung bald los.