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Interview
„Man schwingt sich so in den Abend rein“

Leidensfähig, aber kein Hardcore-Fußballfan: Hartmut Engler.Foto: Carsten Klick
Leidensfähig, aber kein Hardcore-Fußballfan: Hartmut Engler. Foto: Carsten Klick
Hartmut Engler stellt mit seiner Band Pur auf der großen Open-Air-Tournee durch die Republik das neueste Album „Zwischen den Welten“ vor

Bietigheim-Bissingen. Mit über zwölf Millionen verkauften Tonträgern gehört die Bietigheimer Popband Pur bereits seit mehr als drei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Künstlern Deutschlands. Das neue Album „Zwischen den Welten“, das im vergangenen September erschien, ist bereits das zehnte der Bandgeschichte – das nach einer deutschlandweiten Hallentour im Herbst und Winter nun auch bei Open-Air-Konzerten auf seine Livetauglichkeit hin überprüft wird. Heute um 21.Uhr spielen sie in der Mechatronik-Arena in Aspach. Wir haben mit Sänger Hartmut Engler über lästige Verletzungen, den Reiz der Freiluftkonzerte und das Leid als VfB-Fans gesprochen.

Herr Engler, Ende vergangenen Jahres haben Sie sich einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Sind Sie wieder hundertprozentig fit?

Hartmut Engler: Eigentlich hätte ich den Bandscheibenvorfall ja gerne komplett verschwiegen, aber nachdem deswegen eine TV-Show abgesagt werden musste, ging das nicht mehr. Ich habe trotzdem noch mehrere Konzerte gespielt. Und jetzt bin wieder bei fast hundert Prozent. Durch den eingeklemmten Nerv hat die Reha recht lange gedauert, aber es ist alles gut. Dieser Sommer wird schön auf der Bühne.

Wie ist das denn eigentlich geschehen?

Das ist während der Tournee passiert. Ich saß eingequetscht im Auto auf einer langen Fahrt – und als ich aufstand, hatte ich Schmerzen im Rücken und einen tauben linken Fuß. Das ging einfach nicht mehr weg – aber ich habe die Zähne zusammengebissen und die letzten drei Konzerte zu Ende gespielt. Es ist schon lästig, wenn man sich nicht richtig bewegen kann, trotz Physiotherapie und Schmerzmitteln.

Dann hatten Sie vor Beginn der Open-Air-Tour sicherlich ein straffes Trainingsprogramm?

Ja, ich mache immer noch Reha-Training, Physiotherapie, zu Hause bin ich auf dem Crosstrainer. Wir stehen diesen Sommer ja zum Glück nicht jeden Abend auf der Bühne. Es sind zwar 28 Konzerte, aber es verteilt sich über drei Monate, da hat man zwischendurch immer wieder vier, fünf Tage frei zum Regenerieren. Es sollte wie ein Urlaub für die ganze Band sein, während dessen man immer mal auf die Bühne steigt.

Wo in der Republik ist denn eure Fanbasis gefühlt am größten?

Der Ruhrpott ist einfach Pur-Land. Wir sind ja die Band, die das Schalke-Stadion eingeweiht hat, in Mönchengladbach auch, wir kommen auch immer wieder zurück. Aber dennoch kann man das regional nicht so festmachen. Wir spielen in Hamburg genauso ausverkauft wie in Köln, Stuttgart oder Berlin.

Nehmen Sie auf den Konzerten wiederum Unterschiede wahr?

Unsere Fans singen ja viel mit und es gibt dann immer einige Stellen, an denen sie alleine singen. Und da hört man dann regionale Unterschiede durch den Dialekt. Der Satz „Du blickst mich an mit deinen Funkelperlenaugen“ klingt in Hamburg völlig anders als in München (lacht). Stimmungsmäßig spürt man aber keinen Unterschied. Und wir haben uns wahnsinnig gefreut im Dezember, dass Stuttgart besonders euphorisch war. Wo man doch sagt, dass der Prophet im eigenen Lande nichts gilt.

Von der öffentlichen Generalprobe in Ludwigsburg zum Tourauftakt im Herbst ganz zu schweigen?

Das war auch sehr schön. Es ist geplant, das wieder mal so zu machen – weil es für uns natürlich auch toll ist, abends nicht ins Hotel, sondern nach Hause zu fahren.

Ihr habt ja das neue Album „Zwischen den Welten“ im Gepäck. Wie kommt es an, gibt es schon klare Favoriten?

Es ist erstaunlich, die Songs haben unglaublich gut funktioniert, deswegen spielen wir jetzt bei den Sommerkonzerten auch einige davon. Manche haben sich schon zu kleinen Hits gemausert – „Zu Ende träumen“, „Weißt Du nicht“, „Zwischen den Welten“ natürlich, „Verboten schön“ oder „Beinah“. Das Album hat gerade Gold bekommen, die Tour läuft gut, bei hoffentlich vielen weiteren lauen Sommernächten.

Was ist für Sie der Hauptunterschied zum Hallenkonzert?

Die Situation ist eine völlig andere – wir haben keine Rundbühne im Saal, sondern eine normale Frontbühne, das ist auch mal wieder ganz gut, weil wir uns nicht die ganze Zeit drehen müssen. Open Air ist auch einfach immer eine ganz andere Erfahrung: Da geht nicht einfach das Licht aus, sondern es wird langsam dunkel. Man schwingt sich so in den Abend rein, eher ein Familienfest, kein Lichterrausch.

Klingt, als würden Sie Freiluftkonzerte etwas lieber spielen…

Nein, ich mag wirklich beides! Bei Hallentouren geht es aber eben auch jeden Tag in eine andere Stadt, das ist einfach wesentlich anstrengender. Eine Sommertour ist viel entspannter.

Das Miteinander spielt auf euren Alben immer wieder eine große Rolle. Welche Botschaft haben Pur, die ja jetzt nicht explizit politisch sind, in diesen Zeiten mit im Gepäck?

„Zwischen den Welten“ ist das Thema für uns momentan. Für uns selbst zwischen Hallentour, Privatleben und Außenbühnen überall in der Republik, mal kleiner Schlossgarten, mal Fußballstadion. Die Botschaft des Albums ist generell, dass man den Perspektivwechsel braucht. Auch in der Hinsicht, dass alles, was fremd ist, nicht mehr fremd ist, wenn man es kennenlernt. Wenn man es nicht kennenlernen will, dann bleibt es so.

Zu Pur hat, so scheint es, fast jeder eine klare Meinung – zwischen starker Zuneigung und deutlicher Abneigung. Wieso?

Ich glaube, es gibt niemanden, der uns hasst. Aber es gibt sehr viele, die uns mögen, auch wenn uns ja nicht alle mögen müssen – sie können ja andere Musik hören. Ich habe den Eindruck, dass sich die Meinung über Pur in den vergangenen Jahren auch durch die Sendung „Sing meinen Song“ deutlich zum Positiven gewandelt hat. Das spürt man.

Sie sind ja bekanntlich auch großer Fußballfan. Was sagen Sie eigentlich zum Abstieg des VfB Stuttgart?

Das macht mich natürlich sehr traurig, ich bin großer VfB-Fan und sogar Mitglied. Ich bin schon leidensfähig, aber auch kein Hardcore-Fan, der zwei Tage weint. Ich bin viel in Fußballstadien unterwegs, habe auch eine hohe Affinität zur Nationalmannschaft. Ich finde den Sport, und was er auslöst, einfach genial. Den Sieg von Liverpool in der Champions League habe ich sehr gefeiert. Der VfB wird jetzt einfach ein Jahr wieder gewinnen, dann gibt es ein ganz anderes Gefühl – und dann hoffen wir mal. Es ist ein leidenschaftlicher Sport, aber es ist auch nur ein Sport.

Wie geht’s mit Pur in den nächsten Jahren weiter? Gibt es konkrete Pläne?

Es gibt schon ganz, ganz tolle Pläne! Es sind aber eben derzeit nur Pläne. So lange nichts unterschrieben ist, sprechen wir natürlich nicht davon. Man wird auf jeden Fall noch das eine oder andere von uns hören.