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Medienbericht belastet die VfB-Führung schwer

Ursprung allen Übels: Abstimmung über die Ausgliederung am 1. Juni 2017. Im Hintergrund der damalige Präsident Wolfgang Dietrich. Foto: Baumann
Ursprung allen Übels: Abstimmung über die Ausgliederung am 1. Juni 2017. Im Hintergrund der damalige Präsident Wolfgang Dietrich. Foto: Baumann
Das Nachrichtenmagazin Spiegel hat aus dem Ermittlungsbericht der Kanzlei Esecon zitiert und damit mehrere Funktionäre des VfB Stuttgart in Bezug auf den Datenskandal schwer belastet. Auch an der Abstimmung über die Ausgliederung selbst gibt es Zweifel. Es ist die nächste Eskalationsstufe in dem beispiellosen Machtkampf.

Stuttgart. Seit dem 30. Dezember 2020 fragen sich viele Fans, was genau los ist beim VfB Stuttgart. Warum entbrannte bei dem Fußball-Bundesligisten ein derart erbitterter Machtkampf? An jenem 30. Dezember veröffentlichte der Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger einen offenen Brief, indem er Präsident Claus Vogt in aller Schärfe attackierte. Es folgte Vogts Verteidigung und die Behauptung, die Attacke gegen ihn gebe es nur, weil er den Datenskandal aufklären wolle. Im September war durch einen Bericht des Kicker bekannt geworden, dass der VfB zwischen 2016 und 2018 Mitgliederdaten an eine PR-Agentur weitergegeben haben soll, um subtil für die Ausgliederung zu werben. Zahlreiche damalige Verantwortliche sind noch heute beim VfB tätig.

Mutschler und Schraft im Zentrum

Der Disput war der Auftakt zu einer Auseinandersetzung, die ihres gleichen sucht. Inzwischen geht es längst nicht mehr um Hitzlsperger und Vogt. Es wird gestritten, ob Vogt zur Präsidentenwahl vorgeschlagen wird, ob die Mitgliederversammlung am 18. März stattfinden kann und darum, wer für den Datenskandal Verantwortung trägt und was das für Konsequenzen hat. Das Nachrichtenmagazin Spiegel verlieh der Debatte gestern mit einer brisanten Veröffentlichung neue Sprengkraft und lässt die Hintergründe erahnen. Unter der Überschrift „Wie der VfB Stuttgart seine Mitglieder verriet“ zitierte das renommierte Blatt aus dem Ermittlungsbericht der mit der internen Aufklärung beauftragten Kanzlei Esecon sowie aus dem Schriftverkehr zwischen VfB und dem Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink, der ebenfalls gegen den Club ermittelt.

Demnach haben die Präsidiumsmitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler „zahlreiche Versuche“ unternommen, um Esecons Mandat zu beschneiden, schreibt der Spiegel. Dadurch sei es zu erheblichen Verzögerungen der Untersuchungen gekommen. AG-Vorstand und Vereinspräsidium hätten nachhaltig Einfluss auf die Untersuchung genommen. Auch Hitzlsperger habe nur schleppend Informationen an Brink geliefert.

Was das Ermittlungsergebnis angeht, werden laut Spiegel mehrere hochrangige Funktionäre durch das Eseceon-Ermittlungsergebnis schwer belastet. Es sei zutreffend, dass der Verein Zehntausende Mitgliederdaten weitergegeben habe. Kommunikationsdirektor Oliver Schraft und ein weiterer Mitarbeiter sollen die Datenpakete versendet haben, die Vorstände Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) sowie das heutige Präsidiumsmitglied Rainer Mutschler (damals Projektleiter Ausgliederung) sollen in die Pläne „eingeweiht gewesen sein.“ Es soll klare Hinweise geben, „dass Planung und Umsetzung dieser Maßnahmen auf der Führungsebene des VfB bekannt waren und zumindest geduldet wurden“, schreibt das Nachrichtenmagazin. Oberster Verantwortlicher in dieser Zeit der offenbar bewussten Mitgliedertäuschung war Präsident Wolfgang Dietrich. Im Kontrollgremium des Aufsichtsrates waren Martin Schäfer (damals Wirth-Vertriebschef), Wilfried Porth (Daimler-Personalvorstand) und Hartmut Jenner (Kärcher-Chef) die prägenden Figuren.

Und noch ein weiteres brisantes Thema bringt der Spiegel auf die Agenda: Demnach gab es bei der Abstimmung über die Ausgliederung am 1. Juni 2017 weitere Ungereimtheiten. Es sei schleierhaft, warum Tausende ihr Stimmrecht nicht wahrnahmen. Dass es bei der Abstimmung möglicherweise Probleme gab, war bekannt. Weil viel mehr Mitglieder kamen als erwartet (der VfB schenkte jedem Teilnehmer ein Trikot), mussten sich etliche Fans ihr Stimmgerät mit dem Sitznachbarn teilen. Zahlreiche Teilnehmer berichteten hinterher von defekten Geräten. Obwohl zu Beginn der Veranstaltung 12778 stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren, gaben nur 9099 ihre Stimme auch ab. Dabei war die Ausgliederung zuvor jahrelang und hochkontrovers diskutiert worden. Der VfB versicherte damals, dass alles korrekt ablief. Auf Anfrage unserer Zeitung wollte sich der Verein dazu heute nicht äußern.

Die Ausgliederung wurde damals mit deutlicher Mehrheit beschlossen, die Profifußball-Abteilung des Vereins damit in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Daimler AG kaufte daraufhin für 41,5 Millionen Euro 11,75 Prozent der Anteile. Die restlichen 88,25 Prozent liegen noch beim Verein.