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Mehr Spielraum für bauwillige Kommunen?

Welche Ausnahmen sollten für das Bauen in Grünzügen gelten?
Welche Ausnahmen sollten für das Bauen in Grünzügen gelten?
Mit regionalen Grünzügen will der Verband Region Stuttgart dafür sorgen, dass Natur erhalten bleibt und Siedlungen nicht zusammenwachsen. Doch das führt mitunter zu Konflikten, weil sich Städte und Gemeinden in ihrer Entwicklung eingeschränkt fühlen. Die Kommunen wünschen sich deshalb etwas mehr Flexibilität beim Bauen im Grünzug, doch die Region sieht dafür keine Notwendigkeit. Beispiele aus dem Landkreis verdeutlichen das Spannungsfeld.

Kreis Ludwigsburg. In einer dicht besiedelten Region wie dem Großraum Stuttgart kommt der Natur eine besondere Bedeutung zu: unter anderem fürs Klima, als Lebensraum für Tiere, Erholungsort für den Menschen, aber auch als klare Grenze zwischen den immer weiter wachsenden Kommunen. Vor Jahrzehnten hat der Verband Region Stuttgart (VRS) deshalb ein Instrument geschaffen, um die wenigen unbebauten Freiflächen in der Region zu erhalten: regionale Grünzüge. Das sind Gebiete, die (eigentlich) nicht bebaut werden dürfen. „Die grüne Infrastruktur ist als Standortqualität von außerordentlicher Bedeutung“, sagt der Leitende Technische Direktor des Verbands Region Stuttgart, Thomas Kiwitt, und verweist darauf, wie wichtig dieser Freiraum auch für die Lebensqualität sei.

Daran zweifeln die Kommunen nicht, doch trotzdem kommt es immer wieder zu Konflikten. Denn in Ausnahmefällen darf dort sehr wohl gebaut werden. Doch wie viel Flexibilität beim „Bauen im Grünzug“ ist möglich und nötig? Gerade in einer Region wie dem Großraum Stuttgart, wo es ohnehin kaum noch Entwicklungsmöglichkeiten gibt? Wie weit sollte man in den Gestaltungsspielraum der Kommunen eingreifen?

Grünzüge seien durchaus sinnvoll, „aber sie bremsen die kommunale Entwicklung massiv aus und greifen stark in die kommunale Selbstverwaltung ein“, finden die Bürgermeister von Bönnigheim und Kirchheim, Albrecht Dautel und Uwe Seibold. In beiden Orten sind in den nächsten Jahren Projekte in regionalen Grünzügen geplant: in Bönnigheim die Erweiterung des Gewerbegebiets, was die Region strikt ablehnt und auf einen geeigneten alternativen Standort verweist. In Kirchheim soll die Obsthalle vergrößert werden, die Chancen dafür stehen nicht schlecht, weil es sich um die Erweiterung einer bestehenden Anlage handelt.

Auch wenn die Ausgangslage in beiden Orten eine andere ist, wünschen sich Dautel und Seibold mit Blick auf die regionalen Grünzüge etwas mehr Flexibilität und Gestaltungsspielräume für die Kommunen und eine differenziertere Betrachtungsweise von der Region. Die Vorgaben in ländlich geprägten Gebieten mit mehr Grün sollten dabei anders gewichtet werden als in Ballungsräumen, finden sie. Gerade im nördlichen Landkreis seien viele Kommunen von Grünzügen und diversen Naturschutzgebieten umschlossen, „die Entwicklungsmöglichkeiten sind damit praktisch begrenzt“, weist Dautel auf ein Dilemma hin. Hinzu komme hier die Nähe zur Region Heilbronn-Franken, wo nicht ganz so strenge Maßstäbe fürs Bauen gelten würden. Die Sorge, dass der nördliche Landkreis davon die negativen Folgen zu tragen habe, kommt immer wieder zur Sprache. In den Regionen sollten deshalb ähnliche Maßstäbe gelten, sprechen die beiden Bürgermeister landesweit stringentere Vorgaben an.

„Regionalplanung soll für die Entwicklung der Kommunen dienlich sein und sie nicht behindern“, sagen Dautel und Seibold, die aber auch betonten, dass durchaus ein Austausch mit den Verantwortlichen der Region stattfinde. Für das Bauen im regionalen Grünzug machen sie konkrete Vorschläge: Bei einem Flächentausch könnte der Grünzug einfach an anderer Stelle ausgewiesen werden. „Dabei ginge kein Grün verloren“, betont Dautel, der das auch als gangbare Variante für das Bönnigheimer Gewerbegebiet sieht. Auch Betriebe, die sonst keine Erweiterungsmöglichkeit hätten, sollten in einen Grünzug hineinbauen dürfen. „Eine parzellenscharfe Abgrenzung ist nicht sinnvoll“, sagt Seibold.

Die gebe es ohnehin nicht, betont VRS-Chefplaner Thomas Kiwitt und spricht von einem gewissen Spielraum, der den Kommunen zugestanden werde. Zwar sei das Bauen im regionalen Grünzug erstmal grundsätzlich verboten, aber es gebe Ausnahmen, beispielsweise für die Erweiterung von Sportanlagen, Aussiedlerhöfen oder bestehende Anlagen wie die Kirchheimer Obsthalle. Einem Betrieb, der ein paar Meter in den Grünzug erweitern wolle, werde man das sicher nicht verweigern. Und auch ein Flächentausch sei möglich. Doch alles nur mit guten Gründen: „Wir verschließen uns dem nicht, aber alle Änderungen brauchen eine rationale und gut begründete Grundlage.“ Pauschale Änderungen gebe es dagegen nicht, vielmehr müssten die Grenzen immer wieder austariert werden. Landeseinheitliche Vorgaben lehnt Kiwitt ab, weil in den Regionen unterschiedliche Voraussetzungen bestünden. „Man denkt immer, dass das Gras beim Nachbarn etwas grüner ist“, weiß er um die Sorgen an den Rändern der Region. Und auch eine Differenzierung zwischen ländlichem Raum und Ballungsgebiet mache im Stuttgarter Umland keinen Sinn – denn ländlich geprägte Gebiete gebe es hier nicht wirklich. „Es gibt gute Gründe, die regionalen Grünzüge freizuhalten“, betont Kiwitt.

Freiraum und kommunale Entwicklung, dieses Spannungsfeld lässt sich in einer dicht besiedelten Region wohl nie ganz auflösen. Und führt immer wieder zu Interessenskonflikten, wie das Beispiel Mundelsheim zeigt. Dort gibt es Überlegungen, an der Autobahnauffahrt ein neues Gewerbegebiet auszuweisen – mitten im regionalen Grünzug. Die Region steht dem aufgeschlossen gegenüber, da es sich laut Kiwitt „um eine ganz besondere Nutzung mit großflächigen Gewerbezonen und einer sehr guten Lage zwischen den Zentren“ handele.

Die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes und die Schaffung von Arbeitsplätzen auch am Rande der Region stehen hier also dem Erhalt von Freiraum gegenüber. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Kommt das Gewerbegebiet, muss dafür aber der Regionalplan geändert und der bisher dort eingezeichnete Grünzug gestrichen werden.