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Mini-Kreuzfahrten auf dem Neckar

Die weiße Flotte ist wieder auf dem Neckar unterwegs – mit den entsprechenden Hygienevorschriften.Foto: Holm Wolschendorf
Die weiße Flotte ist wieder auf dem Neckar unterwegs – mit den entsprechenden Hygienevorschriften. Foto: Holm Wolschendorf
Eine Jungfernfahrt im Doppelpack: Zwei Schiffe des „Neckar Käpt’n“ nahmen gestern wieder Fahrt auf. Die „Weinkönigin“ und die „Wilhelma“ starteten zur ersten Tour nach dem harten Corona-Lockdown.

Marbach. Über ein halbes Jahr lagen die Schiffe im Cannstatter Hafen zwangsweise „vor Anker“. Die Zeit nutzte der Reeder und Geschäftsführer Jens Kaspar und hat viel Geld in die beiden Dampfer investiert, da wurde mehr als ein Eimerchen Lack verstrichen. Auch in Optik, Möblierung, Sound- und Medientechnik und, wie sollte es anders sein, ins Coronaschutzkonzept wurde investiert.

Die meisten Passagiere legen an der Anlegestelle gegenüber von der Stuttgarter Wilhelma einen frischen Negativtest vor, bevor sie an Bord dürfen. Wenn der zu alt ist, können sie das schnell im Testzentrum des Neckarkäpt’n ganz in der Nähe nachholen. Einige legen ihren Impfpass vor, als „genesen“ weist sich niemand aus.

Auf der Wilhelma dürfen 70 Fahrgäste zusteigen. Normalerweise könnten es 300 sein. Die Stimmung ist freudig erregt: „Endlich, endlich darf man wieder etwas unternehmen“, meint ein Paar und gönnt sich zur Feier des Tages, mit Sekt anzustoßen. Die beiden Sonnendecks an Bug und Heck sind schnell belegt, aber jede Gruppe wahrt die nötige Distanz und trägt Mundschutz – auch wenn es anfangs ein paar Erinnerungen braucht. Mit sonorem Brummen der beiden Dieselmotoren vibriert das Boot beim Ablegen leicht, um dann nahtlos in ein sanftes, fast geräuschloses Gleiten überzugehen.

Entspannter kann ein Ausflug kaum sein. Nur der Wind weht um die Nase, die Sonne prickelt auf der Stirn. Viele unterschätzen auf der fast dreistündigen Fahrt die Kraft der frühen Sommersonne. Selbst mit hohem Lichtschutzfaktor verwandelt sich winterblass in krebsrot. Die Flucht unter Deck eine Stunde vor dem Anlegen kommt da schon zu spät.

„Die Stimme kenn ich doch“, denkt man sich, wenn Durchsagen vom Band kommen. Zur Umgebung mit ihren Sehenswürdigkeiten, den Weinbergen und Fischen, zu den Menschen am Fluss. Na klar, das ist Michael Gaeth, der sich seinerzeit über die anarchische „Kleine Tierschau“ einen Namen machte. Heute ist der Entertainer, Sänger und Comedian auch als Schauspieler bekannt. Unter anderem bei der Soko Stuttgart. Die Texte verfasste er selbst. Sie sind fast hochdeutsch und fast alles ist seriös. Auch er ist bei der Jungfernfahrt auf der Wilhelma an Bord. In seinem typischen Outfit. Die Bügel der Brille mit den orangefarbenen Gläsern verstecken sich hinter den wallend angegrauten Koteletten. Er trägt dazu ein pinkfarbenes Blouson mit krachigen Aufnähern. Unauffällig wie er und seine Art sind, scherzt er mit den Fahrgästen.

Gegen Mittag meldet sich zum Hefeweizen auch der Hunger. Die einen zieht es zur Maultasche, den anderen zu Linsen, Spätzle und Saiten. Thomas Kible hält mit seinem „Saxparty-Programm“ alle Gäste bei ohnehin prächtiger Laune auf der 34 Kilometer kurzen Kreuzfahrt. Auf der werden in vier Schleusen von Cannstatt bis Marbach fast 25 Höhenmeter überbrückt. Ab sofort ist der Linienverkehr mit der Wilhelma wieder am Laufen: Ab 11 Uhr hin und um 15 Uhr zurück. Vorerst von Donnerstag bis Sonntag.

Im gleichen Zug wurde die Weinkönigin an ihren Heimathafen Benningen überführt. Das war weithin zu hören. Zwei DJ’s beschallten die Ufer. „Wir sind noch da“, schrien die Lautsprecher. Bis nach Marbach war die Weinkönigin ohne Passagiere unterwegs und gerade als es nach Besigheim weitergehen sollte, stoppte ein Platzregen den erhofften Andrang. Da half auch „Pirates oft he Carribean“ im Party-Mix wenig.

Projektleiterin Sandra-Daniela Erdmann ist im Moment ein wenig sauer auf Petrus, aber für die Zukunft zuversichtlich, dass die zahlreichen geplanten Veranstaltungen für dieses Jahr auf den Schiffen des „Neckar Käpt’n“ so auch durchgezogen werden können. „Nach so langer Zwangspause sind die Menschen heiß drauf und auch wir, die Crew.“