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Mit Kraft und Naivität

Ein Meister seines Fachs: Mario Adorf. Foto: Jens Kalaene/dpa
Ein Meister seines Fachs: Mario Adorf. Foto: Jens Kalaene/dpa
Der 90. Geburtstag – eigentlich ein Grund, groß zu feiern. Bei Mario Adorf wird es bescheidener zugehen, auch wegen Corona. Doch der Schauspieler wirkt auch so sehr zufrieden. Kein Wunder, kann er doch auf ein aufregendes Leben zurückblicken.

München. Mit einer Rolle hat Mario Adorf Fernsehgeschichte geschrieben: „Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast“, sagt er im breitesten Dialekt als stinkreicher rheinischer Kleberfabrikant Heinrich Haffenloher in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Doch ihn auf diesen Part zu verkürzen, wäre zu wenig. Adorf ist einer der großen deutschen Schauspieler und spielte in actionreichen Westernstreifen ebenso mit wie im sozialkritischen Neuen Deutschen Film oder in Komödien. Wenn er am Dienstag seinen 90. Geburtstag feiert, kann er auf eine beachtliche Reihe von Rollen zurückblicken, im Film ebenso wie auf der Bühne.

Dabei hatte die Karriere des jungen Mannes aus dem rheinland-pfälzischen Mayen holprig begonnen. Beim Vorsprechen an der Otto Falckenberg-Schauspielschule war Adorf nämlich von der Bühne gestürzt. „Es war eigentlich ein Misserfolg“, gibt er im Dokumentarfilm „Es hätte schlimmer kommen können“ zu, noch bis Ende Oktober in der Mediathek der ARD. Der damalige Kammerspiel-Intendant war trotzdem neugierig geworden. „Er hat zwei Dinge, die mir aufgefallen sind: Er hat Kraft und Naivität“, nennt Adorf ein Zitat Hans Schweikarts, das ihm später überliefert wurde.

1953 startete Adorf also an der Schule und traf dort den legendären Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner, der ihn stark beeindruckte. Bis 1962 blieb er an den Kammerspielen. Seinen Durchbruch vor der Kamera hatte er bereits 1957, als Frauenmörder in Robert Siodmaks Krimi „Nachts, wenn der Teufel kam“. Viele Rollen folgten. In Volker Schlöndorffs oscarprämierter Literaturverfilmung „Die Blechtrommel“ war er Vater Matzerath. In Rainer Werner Fassbinders Wirtschaftswunder-Satire „Lola“ gab er den Baulöwen Schuckert und für Helmut Dietl trat er als Promi-Wirt auf in der Gesellschaftssatire „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“. Und er drehte mit berühmten Regisseuren wie Claude Chabrol oder Billy Wilder. Auch in zahlreichen Mafia-Filmen und Western spielte er mit, darunter viele Italo-Western, sowie in dem Karl-May-Film „Winnetou 1“, wo er als Schurke Santer zu sehen war. Auch ans Theater zog es ihn zwischendurch immer wieder.

Im französischen Nobelort Saint-Tropez lernte der Schauspieler seine spätere Ehefrau Monique kennen, die mit der legendären Brigitte Bardot befreundet war. „Ich hatte zuerst nur Augen für die Bardot“, gab Adorf später zu. Doch dann fiel ihm irgendwann Monique auf, ihre Lebendigkeit. „Und da begann die ganze Geschichte zwischen uns.“ Eine Liebe, die auch Jahrzehnte später noch halten sollte, anders als die Kurzbeziehung zur mittlerweile verstorbenen Schauspielerin Lis Verhoeven, mit der er die Tochter Stella-Maria hat, ebenfalls eine Schauspielerin. Mehrere Jahrzehnte lebte Adorf auch in Italien, der Heimat seines Vaters, zu dem er allerdings kaum Kontakt hatte.

„Jede Einstellung, jede Bühne betritt er mit der Wucht einer Naturgewalt“, schrieb 2010 die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Adorf, der unter anderem den Grimme-Preis, das Bundesverdienstkreuz sowie den Deutschen und den Bayerischen Filmpreis erhalten hat. Der Gewürdigte selbst sieht rückblickend manches kritischer: „Es sind sicher viele Wünsche offen geblieben, aber ich war mit meinem Leben und dem, was ich erreicht habe, im Ganzen zufrieden“, sagte er in München. „Das Besondere am Beruf des Schauspielers ist, dass er im Gegensatz zu vielen Menschen ein zwar unsicherer aber frei gewählter und geliebter Beruf ist. Es ist ein Beruf, der es erlaubt, über die Kindheit hinaus ein Leben lang zu spielen.“

Im vergangenen Jahr verabschiedete sich Adorf dennoch von der Bühne – mit einer letzten Tournee. Nun hat er wie alle anderen auch mit den Umständen der Coronapandemie zu tun. „Es geht mir gut, wenn auch das vergangene halbe Jahr wegen des Coronavirus nicht zum Jubeln war“, sagte er. „Das müssen wir mit Vernunft und der Bereitschaft angehen, Regeln zu akzeptieren und zu befolgen. Ohne das geht’s nicht.“ Auch die Pläne für seinen 90. Geburtstag sind davon betroffen. Wie er feiern wird? „In Anbetracht der Coronakrise im allerkleinsten Kreise“, verriet er. Ohnehin ist er mit wenig zufrieden, so scheint es: „Ich habe keinen großen Wunsch mehr, eher viele kleine.“