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Müllgebühren stoßen auf Widerspruch

Der Streit um die Müllgebühren geht in die nächste Runde. Archivfoto: Alfred Drossel
Der Streit um die Müllgebühren geht in die nächste Runde. Foto: Alfred Drossel
Insgesamt rund 2300 Widersprüche gegen die Abfallgebührenbescheide 2021 und 2022 sind beim Landratsamt eingegangen. Der Initiativkreis Müllgebühren Ludwigsburg hatte Ende vergangenen Jahres beim baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof eine Normenkontrollklage eingereicht.

Kreis Ludwigsburg. Der Streit um die Müllgebühren im Landkreis geht in seine nächste Runde. Jetzt liegt die ausführliche Klagebegründung der Stuttgarter Anwaltskanzlei Quaas und Partner beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vor. Bei einem Erfolg der Klage müssen für alle Bescheide, gegen die Widerspruch eingelegt wurde, die Abfallgebühren neu festgesetzt werden.

Der IMLB wehrt sich dagegen, dass die immensen Kosten der Deponienachsorge in Horrheim und Poppenweiler allein von den Gebührenzahlern – und damit von Privathaushalten und kleinem Gewerbe – aufgebracht werden sollen. Schließlich seien die in den Deponien Burghof und Lemberg schlummernden Altlasten zu einem wesentlichen Teil das Erbe der Industrieproduktion des 20. Jahrhunderts, argumentiert der Initiativkreis.

Juristisch geht der Streit um einen Passus des Kommunalabgabengesetzes, mit dem der Kreis die wegen der explodierenden Nachsorgekosten nötige Gebührenerhöhung begründet hatte. Nach Auffassung des IMLB müsste zumindest ein Teil dieser Kostenexplosion aus dem Kreishaushalt finanziert werden.

Der letzte Hausmüll wurde im Jahr 2005 in Horrheim angeliefert. Für die Nachsorge dort und am Lemberg hat der Landkreis bis 2020 Rückstellungen von 33 Millionen Euro aus den Hausmüllgebühren gebildet. Nach einem Gutachten von 2021 erhöhen sich die prognostizierten Nachsorgekosten aber auf insgesamt 125 Millionen Euro – 92 Millionen mehr als 2020 vorhanden. Diese Summe soll nun ausschließlich der Gebührenzahler aufbringen, obwohl auf den beiden Deponien nicht nur Haus-, sondern auch Gewerbe- und Industrieabfälle abgelagert wurden. Daher hält der IMLB die Gebührenkalkulation für 2021 und 2022 und die zugrundeliegende Ermessensausübung durch den Kreistag für rechtswidrig.

Klageschrift liegt vor

Dies wird auch in der Klageschrift aufgegriffen. Kosten, die weder betriebsbedingt noch erforderlich seien, dürften nicht in die Gebührenkalkulation einfließen. Dies sei aber in 2021 und 2022 der Fall, argumentieren die Kläger: „Die Gebühren dürften nur so kalkuliert werden, dass das in einem bestimmten Rechnungszeitraum zu erwartende Gebührenaufkommen die in diesem Zeitraum zu erwartenden gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung nicht übersteigt“, heißt es in schönstem Juristendeutsch.

Da die beklagten Gebührensatzungen vom Kreistag erst nach intensiver rechtlicher Prüfung durch zwei vom Landkreis konsultierte Anwaltskanzleien beschlossen wurden, geht die Kreisverwaltung zwar „nicht von einem Erfolg“ der Klage aus. Dennoch empfehle sich schon jetzt die vorsorgliche Festlegung auf eine Gleichbehandlung aller „Gebührenschuldner“. Denn: Diese „sollen nicht gezwungen sein, nun Widerspruch einzulegen, um eine Gleichbehandlung zu erreichen“.

Trotzdem hatte der IMLB die Gebührenzahler schon im Frühjahr dazu aufgerufen, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen. „Das hat auch eine symbolische Wirkung beim Verwaltungsgerichtshof“, so der 1. Vorsitzende des Initiativkreises, Dr.Wolfgang Appel. Mit einem Widerspruch konnten die Bürger zeigen, dass sie die Entscheidung der Kreisgremien zur Finanzierung der gestiegenen Nachsorgekosten nicht mittragen und hinter der Klage des IMLB stehen. Und das haben sie auch in großer Zahl getan. Gegen den Bescheid aus dem vergangenen Jahr haben 2000 Bürger Widerspruch eingelegt. In diesem Jahr waren es immerhin noch 300. Zur Erinnerung: Als der IMLB im Zuge des AVL-Skandals gegen die Müllgebühren 1997 und 1998 klagte, widersprachen insgesamt 70000 Haushalte im Kreis ihren Gebührenbescheiden. Wer fristgerecht Nein gesagt hat und die Ablehnung noch nicht begründet hat, könne sich für eine anwaltliche Unterstützung für das Widerspruchsverfahren direkt an das vom IMLB beauftragte Anwaltsbüro Quaas wenden.

Landratsamt reagiert gelassen

Das Landratsamt sieht der Klage recht gelassen entgegen. Der Ausschuss für Umwelt und Technik des Kreistages habe schließlich im April entschieden, dass alle Bürger, egal ob sie Widerspruch eingelegt haben oder nicht, gleich behandelt werden. Ein Widerspruch sei daher rein rechtlich gar nicht erforderlich. „Natürlich steht es den Bürgern aber frei, Widerspruch einzulegen“, heißt es aus dem Landratsamt. Die meisten Bescheide seien aber ohnehin bereits bestandskräftig.

Die Initiative hofft nun auf einen Erfolg vor dem VGH in Mannheim. „Dass auch bürgerfreundliche Entscheidungen in der Abfallwirtschaft möglich sind, hat der Landkreis beim Umtauschangebot der blauen Glaskörbe in blaue Glastonnen gezeigt“, so Appel. „Obwohl sich der Landkreis hier gegenüber den Entsorgungsunternehmen im Recht sieht, hat er einen Vergleich geschlossen, dessen Mehrkosten durch die AVL getragen werden.“