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Narren im Kreis Ludwigsburg haben keine Lust auf „spaßbefreite Fasnet“

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350_0900_38685_COKRFuer_Pol_1_26_02_17Buerkle_27.jpg Foto: Oliver Bürkle
„Wir Narren müssen ja spontan sein“, findet zwar Dany Arnold. Aber so richtig weiß der Vorsitzende des 1. Fasnetsvereins Steinheim auch nicht, wie er die neu gewonnene Freiheit für die Narren so schnell umsetzen will. Auch bei vielen anderen Vereinen ist die Devise eher: „Es wird nichts mit lustig.“

Kreis Ludwigsburg. Die neue Freiheit käme doch relativ kurzfristig, findet Dany Arnold, Vorsitzender des 1. Fasnetsvereins Steinheim. Die ersten Vorgaben mit einer Hallenbelegung von 50 Prozent seien nicht genau definiert worden. Mit seinen Vorstandsmitgliedern will Arnold dennoch prüfen, was vorstell- und machbar wäre. Für einen Hexenball sei man zu spät dran, und ob die Gäste den ganzen Abend mit FFP2-Maske feiern wollten, sei fraglich. Vielleicht könne man aber etwas im Freien anbieten, wobei auch dies mit Aufwand verbunden ist. „Man muss das Gelände einzäunen und kontrollieren“, erläutert Arnold. Auch müsse dann das Wetter mitspielen. Intern soll aber auf jeden Fall eine kleine Veranstaltung stattfinden, schon allein damit sich die Mitglieder mal wieder sehen.

„Wir haben schon im November alles abgesagt“, sagt Sarah Väth von den Murrer Carnevalsfreunden, die immer am Faschingssonntag einen der größten Umzüge im Landkreis organisierten. Man könne mit den Auflagen einfach nicht so feiern, wie man gerne möchte, Guggenmusiken dürften auch nicht spielen. Der Umzug in dieser Form sei überhaupt nicht zu organisieren, die Prunksitzung nur unter erschwerten Bedingungen. „Bei der „2G-Regelung hätten wir wahrscheinlich nicht mal genug Helfer“, vernutet sie. Außerdem müsse man eine Sicherheitsfirma für die Kontrollen engagieren, die Geld koste. „Ich möchte mich auch nicht an den Eingang stellen und mit Leuten diskutieren, warum sie jetzt nicht eingelassen werden“, so Väth. Die Garden der Carnevalsfreunde trainierten aber regelmäßig, eventuell würde man eine kleine Vorführung für die Mitglieder organisieren, damit wenigstens die neuen Tänze gezeigt werden könnten. Väth hofft dringend auf das kommende Jahr, man werde wieder in die Planung einsteigen. „Sonst wird es immer schwieriger, wieder den Rhythmus zu finden, und es stellt sich die Frage, ob die Leute überhaupt wieder kommen“, befürchtet Sarah Väth.

Finanzen und Stimmung leiden

Bei der 1. Fasnetszunft Holma’le Ingersheim fällt die diesjährige Kampagne komplett aus. Das Maskenabstauben am 6. Januar wurde ebenso abgesagt wie der Rathaussturm am 11. Februar und der große Umzug am 12. Februar, Dass der Umzug nicht stattfinden wird, ist besonders bitter für die Holma’le, da sich dafür bereits 35 Gruppierungen angemeldet hatten. Dass das Sozialministerium die Voraussetzungen, unter denen Fastnachtsveranstaltungen durchgeführt werden können, nun konkretisiert hat, ist laut Zunftmeister Jochen Zoller „blinder Aktionismus“ von Politikern, die „keinen Plan“ hätten. Für ihn steht daher fest: „Ich stecke keine Kraft mehr in Vorbereitungen – das ist zu spät und macht keinen Sinn.“ Er habe am Donnerstag Bürgermeisterin Simone Lehnert angeschrieben, am Faschingsdienstag wenigstens einen Verkauf von Krapfen und Getränken im Ort organisieren zu können. „Die Kasse leidet“, sagt Zoller. Zudem sei die Stimmung bei den 54 Mitgliedern sehr betrübt, was dem Verein nicht guttue.

Eine ähnliche Situation bei der Guggenmusik Bietigheim. Auch die Wefzga haben ihre Veranstaltungen schon seit Wochen abgesagt. „Wir können unter Coronabedingungen schon gar nicht üben. Unser Probenraum ist dafür viel zu klein“, sagt der Vorsitzende Andreas Rehmann. Auch sonst hält er nicht viel von der neuen Verordnung aus der Landeshauptstadt, denn die Veranstalter hätten schon lange beschlossen, auch in diesem Jahr alles ausfallen zu lassen. Neun von zehn Veranstaltungen, bei welchen die Bietigheimer Guggenmusiker eingeladen waren, seien inzwischen abgesagt. „Das geht vielleicht bei Umzügen der schwäbisch-alemannischen Fasnet im Badischen oder Richtung Schwäbische Alb. Dort gibt es auch kleine Veranstaltungen. Bei uns ist das fast unmöglich. Wie will man all die Zuschauer kontrollieren? Wir müssen Masken aufsetzen, wenn wir nicht spielen – ebenso im Bus. Das ist alles schon sehr spaßbefreit“, so Rehmann.

Ortsbegehung in Hemmingen

Im südwestlichen Kreisgebiet hingegen will man zumindest nicht ganz verzichten. So haben sowohl die Strohgäunarren Hemmingen als auch – und das erstmals – die „Obacha“ Heimerdingen jüngst im kleinen Rahmen den jeweiligen Christ- zum Narrenbaum der Kommunen umfunktioniert. Die Aktiven aus dem Ditzinger Teilort nutzen die Premiere auch für einen Wettbewerb um den schönsten Narrenbaum im Garten (Foto bis 20. Februar an info@obacha-heimerdingen.de), zumindest auf diesem Weg soll das Brauchtum etwas weiterleben, so Präsidentin Yvonne Riffert. Denn nach den vielen Verboten und Hin und Her kämen alle so langsam an ihre Grenzen, und Online-Alternativen wie 2021 wolle keiner mehr. Nun soll es nur noch vielleicht einen Besuch im Garten einer Kita geben – „wie der Nikolaus“ werde man aber einfach nur, auf Abstand, etwas abstellen – sowie einen Narrengottesdienst am 20. Februar, und wenn man auf dem Rückweg auf Kinder treffe, bekämen die möglicherweise Bonbons. Auch die Hemminger kündigen an, dass es sein könne, dass ein kleiner Trupp „eine Ortsbegehung“ unternimmt. Definitiv an die närrische Zeit erinnern soll aber wieder wie in den Jahren zuvor ein aufgestelltes Häs beim Schreibwarengeschäft.

„Von Woche zu Woche kommt etwas Neues, so schnell kann man nicht reagieren, man hätte sich doch früher mit dem Thema auseinander setzen können“, sagt auch Stefan Diefenbach, Vorsitzender der Neckarweihinger Mistelhexen. Mit diesen Vorgaben könne er keine wirtschaftliche Veranstaltung machen. „Bei aller Brauchtumspflege müssen wir schon auch auf die Zahlen schauen“, erklärt er. In die Eglosheimer Halle dürften so gerade einmal 350 Personen, dafür sei der Organisationsaufwand aber zu groß. Selbst vereinsintern könne man mit 400 Mitgliedern keine Veranstaltung organisieren. Eventuell wollen die Hexen am Faschingswochenende über den Marktplatz laufen, aber auch das sieht Diefenbach noch kritisch. „Wenn man unter der Holzlarve noch eine Maske trägt, kann man kaum noch atmen. Wenn wir aber keine Maske tragen, heißt es wieder, die vom Fasching können es nicht lassen“, sagt er. In Neckarweihingen habe man aber immerhin ein paar Bändel aufhängen und die Besen vors Rathaus stellen dürfen. Auch ein Schaufenster sei mit den Figuren dekoriert. Kommendes Wochenende werden zudem die Tanzgruppen gefilmt und so ein Brauchtumsabend über „You tube“ ausgestrahlt. Auch das Kinderbuch „Die Maus erzählt von der Fasnet“ werde wieder in den Kindergärten verteilt. „Mit den Kindergärten sind wir auch im Gespräch, ob wir da nicht etwas machen können“, erzählt Diefenbach.