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Neue Sitzungsformate kaum genutzt

Tübingen war die erste Kommune im Land, in der eine Hybridsitzung des Gemeinderates stattfand. Dieses Bild entstand am 15. Mai 2020. Foto:: Tom Weller/dpa
Tübingen war die erste Kommune im Land, in der eine Hybridsitzung des Gemeinderates stattfand. Dieses Bild entstand am 15. Mai 2020. Foto: : Tom Weller/dpa
Dass Sitzungen kommunaler Gremien virtuell stattfinden, oder einzelne Mitglieder sich per Video zuschalten, ist im Landkreis noch selten. Wegen der Coronapandemie müssen sich die Städte und Gemeinden sowie auch die Landkreisverwaltung aber zunehmend damit auseinandersetzen, was, unter welchen Bedingungen möglich ist. Beim Thema Hybridsitzungen gibt es noch Klärungsbedarf.

Kreis Ludwigsburg. Die große Mehrheit der Gemeinderäte tagt aktuell in größeren Sälen und Hallen, um die coronabedingt geltenden Abstands- und Hygieneregeln einhalten zu können. Anfang November waren dem baden-württembergischen Innenministerium lediglich sieben Kommunen und zwei Landkreise bekannt, die bereits das Format der Video- oder Hybridsitzung ausprobiert hatten. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervor. Vorreiter ist Tübingen. Dort tagte der Gemeinderat schon im Mai und seitdem häufiger als die anderen Gremien virtuell.

Die Stadt Remseck wagte sich im Dezember auf dieses Neuland. Einzelne Gemeinderatsmitglieder waren in der letzten Sitzungsrunde 2020 per Video zugeschaltet. Sie durften mitdiskutieren, hatten aber kein Stimmrecht. Das wurde aus den Reihen der Grünen-Fraktion kritisiert. Oberbürgermeister Dirk Schönberger ist Jurist und hat in puncto Rechtssicherheit noch Bedenken, weil Hybridsitzungen im Gesetzestext nicht explizit erwähnt werden. Er möchte nicht das Risiko eingehen, dass Beschlüsse im Nachhinein gerichtlich für rechtswidrig erklärt werden, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Verwaltung prüfe allerdings zeitnah und wohlwollend, ob diese vorsichtige Vorgehensweise geändert werden kann. „Wir machen es uns nicht einfach“, so der Rems-ecker Rathauschef. Um Videositzungen weiterhin möglich zu machen, beschloss der Gemeinderat noch vor Weihnachten die erforderliche Hauptsatzungsänderung.

Auch in Beilstein ist man verunsichert. „Bei Hybridsitzungen habe ich Bauchgrummeln“, so die Hauptamtsleiterin Irina Baumbusch. Diese Alternative zur Präsenzsitzung gab es in Beilstein zwar noch nicht. Aber im April und Mai fanden schon komplett virtuelle Sitzungen statt. In denen seien allerdings nur die Sachverhalte besprochen worden, so Baumbusch. Beschlüsse habe man im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst. Auch die letzte Sitzung des Jahres 2020 war wieder virtuell. Die Hauptamtsleiterin und Bürgermeister Holl befanden sich mit interessierten Bürgern in der Stadthalle, alle Räte und andere Verwaltungsmitarbeiter waren per Video zugeschaltet. Im neuen Jahr soll von Sitzung zu Sitzung entschieden werden, welches Format angesichts der Infektionszahlen angebracht erscheint. „Wir werden auch noch mit der Rechtsaufsicht abklären, wie wir – wenn erforderlich – Zuschauer und Pressevertreter virtuell dazuschalten können“, kündigt Baumbusch an.

Der Landkreis Ludwigsburg teilt die Bedenken der Kommunen nicht. „Wir haben die Möglichkeit der Hybrid- und Videositzungen schon mehrfach genutzt“, so dessen Sprecherin Caren Sprinkart auf Nachfrage unserer Zeitung. Damit das weiterhin möglich ist, sei die Hauptsatzung bereits entsprechend angepasst worden. Bis zu sechs Gremiumsmitglieder hätten sich bisher per Video zugeschaltet. Sie durften laut Sprinkart auch abstimmen. Das baden-württembergische Innenministerium habe zuletzt im November in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass dies rechtmäßig ist. Diese Auffassung teile die Landkreisverwaltung. Es müssten natürlich geeignete technische Vorkehrungen getroffen werden, um eine ordnungsgemäße Sitzung zu gewährleisten.

Auch die Schillerstadt Marbach hat ihre Hauptsatzung angepasst, um neue Sitzungsformate zu ermöglichen. Es gab bisher aber weder Hybrid- noch Videositzungen. Bürgermeister Jan Trost hätte aber keine Bedenken, einzelne Ratsmitglieder von zu Hause aus abstimmen zu lassen. Er stützt seine Auffassung auf die Vorgehensweise der Landkreisverwaltung. „Risiken sehen wir allerdings beispielsweise bei Störungen wie Stromausfall“, so Trost.

Beim Städtetag Baden-Württemberg kann man die Verunsicherung in den Kommunen durchaus nachvollziehen, wirbt aber auch um Verständnis für die Landesregierung. Das Gesetz sei im Mai angesichts der Dringlichkeit mit heißer Nadel gestrickt worden, sagt Dezernent Norbert Brugger im Gespräch mit der LKZ. Baden-Württemberg sei das erste Bundesland gewesen, dass auf dieses neue Thema reagiert habe. Freilich gebe es aufgrund dieser Eile Unschärfen. Dem Wunsch des Städtetags folgend habe das Innenministerium nachträglich in seinen Hinweisen zur Gesetzesänderung ausdrücklich klargestellt, dass bei Hybridsitzungen die Stimmen aller Ratsmitglieder zählen.

Carsten Dehner von der Pressestelle des Innenministeriums formuliert es so: „Findet eine Hybridsitzung nach den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben ordnungsgemäß statt, gelten die im Sitzungsraum anwesenden und die per Video zugeschalteten Ratsmitglieder gleichermaßen als anwesend und können – wie auch bei einer reinen Videokonferenz – ihr Stimmrecht ausüben und damit ihr Mandat in vollem Umfang wahrnehmen“. Bei allen Sitzungsformaten bestehe natürlich die Möglichkeit, dass gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Das angerufene Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof habe unter anderem zu prüfen, ob der Beschluss rechtmäßig zustande gekommen ist. Für die neuen Sitzungsformate bedeutet das konkret: ob die Voraussetzungen nach Paragraf37a der Gemeindeordnung und Paragraf32a der Landkreisordnung gegeben sind. „Es ist – wie auch sonst – möglich, dass ein Verwaltungsgericht im Einzelfall zu einer anderen Einschätzung kommt als der Bürgermeister, der zu der Sitzung eingeladen hat. Dies entspricht dem Wesen des Rechtsstaats“, so Dehner.