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Pfarrer will bauen wie die Deutschen

Julius Ekwueme ist auch für die katholische Kirche in Affalterbach zuständig.Foto: Andreas Becker
Julius Ekwueme ist auch für die katholische Kirche in Affalterbach zuständig. Foto: Andreas Becker
Vor über zehn Jahren ist Pfarrer Julius Ekwueme dem Ruf der katholischen Kirche nach Deutschland gefolgt. So konnte er einem Land etwas zurückgeben, ohne das sein Vater den Bürgerkrieg in Nigeria nicht überlebt hätte. Nun will er auch selbst seiner afrikanischen Heimatgemeinde helfen – mit einem langfristig angelegten Bildungsprojekt.

Affalterbach. „Das war für mich eine der größten Wenden meines Lebens“, sagt Julius Ekwueme über den Tag, an dem sein Bischof in Nigeria ihn aufrief, nach Deutschland zu gehen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hatte angefragt, ob sich nicht ein Pfarrer aus Afrika findet. Eigentlich hatte Julius Ekwueme da bereits andere Pläne, leitete als Priester seine Heimatgemeinde Amanaogu. „Aber das Wort Solidarität ist in der Kirche sehr wichtig“, begründet der heute 46-Jährige, warum er dem Ruf dennoch folgte. Wenn ein Erdteil leide, in diesem Fall an Personalmangel, benötige man Ressourcen von woanders: „Wo Menschen mich brauchen, bin ich richtig.“ Priester aus anderen Ländern seien in der katholischen Kirche gar nicht so unüblich. Meist kämen sie aus Osteuropa, aber auch aus Indien oder eben Afrika.

Also leistete er seinem Bischof Gehorsam, wie er sagt. Ähnlich wie Abraham in der Bibel den Weg gegangen sei, den ihm Gott gezeigt habe. Zunächst führte dieser Weg Julius Ekwueme 2010 nach Stuttgart in die Gemeinde der Marienkirche. „Ich bin hergekommen ohne ein Wort Deutsch“, erklärt er, warum zunächst der Spracherwerb auf dem Plan stand. „Nach sechs Monaten habe ich die erste Predigt geschrieben“, erinnert er sich. Zwei Jahre später wurde er offiziell als Pfarrvikar in die Kirchengemeinde Oppenweiler entsandt – und kam damit an in einem Land, das das Leben seiner Familie schon einmal berührt hatte.

Denn Julius Ekwueme gehört der Volksgruppe der Igbo an, die sich im Jahr 1967 mit der Republik Biafra im Südosten vom restlichen Nigeria für unabhängig erklärt hatte. Es folgte ein Bürgerkrieg, auch als Biafra-Krieg bekannt, der 1970 damit endete, dass die abtrünnige Republik wieder eingegliedert wurde. Zuvor hatte Nigeria eine Blockade verhängt, die zu einer Hungersnot in Biafra führte. Julius Ekwueme wurde erst einige Jahre nach dem Krieg geboren, doch ohne die Hilfsgüter der Caritas aus Deutschland hätte sein Vater diese Zeit gar nicht erst überlebt. Entsprechend habe er ihn auch ermutigt, dem Ruf des Bischofs zu folgen. „Das ist gut. Deutsche sind gute Menschen“, habe er gesagt.

Seit 2020 ist Julius Ekwueme nun offiziell Pfarrer der aus zwei Kirchengemeinden bestehenden Seelsorgeeinheit Oppenweiler-Kirchberg, zu der auch die Affalterbacher Kirche St. Johannes gehört. Doch bereits zuvor hatte er die Aufgaben seines Vorgängers Frank Schöpe übernommen, der nach Ludwigsburg versetzt wurde.

Parallel dazu hat Julius Ekwueme über all die Jahre ein Projekt vorangetrieben, mit dem er von Deutschland aus wiederum seiner Heimat helfen will. Bereits 2013 hat er zusammen mit der Stuttgarterin Gudrun Rohde nach einer gemeinsamen Reise nach Nigeria den Förderverein Amanaogu gegründet. Zunächst vermittelten sie Patenschaften und überbrachten Hilfsgüter, doch nun liegt der Fokus auf der Errichtung eines Zentrums, in dem Waisenkinder ein Zuhause finden und Jugendliche eine handwerkliche Ausbildung erhalten sollen. Laut Julius Ekwueme sind solche Berufe in Nigeria derzeit gefragt, da das Land ein „große Baustelle“ ist.

Allerdings hat er in Nigeria viele Projekte dieser Art von Europäern und Amerikanern gesehen, die inzwischen Ruinen sind – und will es daher besser machen. Man müsse wissen, dass es im Land nur zwei Jahreszeiten gibt – die Trocken- und die Regenzeit. Letztere falle so stark aus, dass für ihn deutscher Regen nur ein Nieseln sei. „Wir wollen daher ganz solide bauen, nicht nur so mit Bambus“, sagt der Pfarrer. Nach dem Spatenstich 2015 steht inzwischen das Fundament. „In Nigeria sagt man zu einem fest betonierten Boden ‚German floor‘“, so Julius Ekwueme. Das bedeute, zu bauen wie die Deutschen.

„Im Dorf sieht man das wahre Gesicht Afrikas“, begründet er, warum er das Projekt jenseits der großen Städte wie Lagos oder Abuja verwirklicht. Ein wichtiges Anliegen ist ihm, damit Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen. Für die Investition in die Zukunft seines Landes will er sich die Zeit nehmen, die es eben braucht. Auch selbst beteilige er sich finanziell daran: „Ich spare jeden Tag für das Projekt und spende einen Teil meines Gehalts.“ Langfristig ist auch ein Gästehaus geplant, in dem die Spender bei Besuchen unterkommen können. Zudem sollen Jugendliche aus Deutschland im Zentrum einmal Auslandspraktika absolvieren.

Das anstehende Weihnachtsfest wird auch in Nigeria gefeiert. Zwischen 40 und 50 Prozent der Bevölkerung sind Christen. In der Nacht auf den 25. Dezember halten sie einen Gottesdienst ab. Außerdem ist es laut Julius Ekwueme Tradition, füreinander zu kochen: „Jeder, der vorbeikommt, bekommt etwas, auch Fremde.“ Vor allem für die Armen sei das ein guter Tag. Zudem gebe es ein Kulturfest mit Maskerade, Tänze und Fußballspiele zwischen den Dörfern. Das meiste geschehe draußen. „Hier sieht man hingegen kaum Menschen auf der Straße.“ In Nigeria sei aber eben auch immer Sommer. „Die Weihnachtszeit ist auch bei uns eine Zeit der Begegnung“, erzählt er weiter. „Leute kommen von überall auf der Welt nach Hause, um die Familie zu treffen.“ Zumindest vor der Pandemie. Er vermisse es, dabei zu sein, bereue es aber auch nicht, stets in Deutschland zu bleiben: „Ich kann meine Gemeinde nicht sausen lassen.“

INFO: Näheres zum Projekt und aktuelle Fotos gibt es auf der Webseite des Vereins.