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Pfusch am Bau auf der Spur

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Mit seinem Rissbreitenmesser prüft Udo Schumacher-Ritz die Zwischenfugen der Wände.
Asperg. Udo Schumacher-Ritz hat sich warm angezogen. An diesem kalten Mittwochmorgen schreitet er durch ein Einfamilienhaus in Asperg. Der Mann aus dem hessischen Staufenberg ist Sachverständiger und Vorsitzender des „Vereins zur Qualitäts-Controlle am Bau“ (VQC). In dieser Funktion ist er auf der Suche nach Pfusch am Bau und schaut sehr genau hin, ob es bei Bauleitung und ausführenden Gewerken– meist sind bis zu 22 beteiligt – etwas zu bemängeln gibt.
Ludwigsburg. Schumacher-Ritz hat die Presse dazu eingeladen, ihm bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Er überprüft die Häuser in vier Phasen. In Asperg ist es die dritte Phase, ein geschlossener Rohbau. Die Fenster sind bereits drin, der Dachboden gedeckt.

Auf die Kleinigkeiten kommt es an

Der Sachverständige geht weiter. „Das hier ist mein wichtigstes Werkzeug“, sagt er und greift zum Rissbreitenmesser, eine Art Lineal im Miniformat. Dann wendet der Ingenieur sich den Wänden zu, geht mit dem Messer in die Zwischenfugen – und ins Detail. „Bei Porenbeton muss nur in den Ecken geklebt werden, in den Flächen nicht.“ Schumacher-Ritz ist zufrieden. Er hat schon 3000 bis 4000 Häuser begutachtet, wie er schätzt. „Hier gibt’s nichts zu beanstanden, da wurde sauber gearbeitet.“ Auch an den Fenstern. Der Übergang aufs Mauerwerk ist luftdicht abgeschlossen. Nur geschäumt wäre zu wenig. „Das könnte schimmeln, die Temperatur im Raum geht runter, der Bewohner fühlt sich unbehaglich.“ Schumacher-Ritz kniet auf den Boden. Ein Blick auf den Rissbreitenmesser zeigt: Die Warmwasserleitungen sind mit der richtigen Stärke gedämmt.

Kleinigkeiten sind es, auf die es dem Sachverständigen ankommt. „Der Fehlerteufel liegt im Detail. Sie können den Hausbau zu einem riskanten Vorhaben mit Bauschäden und teuren Nachbesserungen machen.“ Dabei lägen solche Mängel selten an den Materialien und würden von den Handwerkern auch nicht vorsätzlich eingebracht, sondern aus Unwissenheit, „kleinen Nachlässigkeiten und nicht mehr zeitgemäßer Verarbeitung“.

Das VQC-Team begründet dies so: Neue Hightech-Baumaterialien, die kaum noch kleinste Toleranzen verzeihen, neue Verarbeitungsrichtlinien, neues Wohnverhalten – moderne Häuser werden immer komplexer. Niedrigenergie-, Passiv- oder Energieplushäuser sind weit mehr als bloße Gebäudehüllen, wie sie es jahrzehntelang waren. Je weniger Energie zum Heizen zur Verfügung steht, umso wichtiger wird es, dass das Haus eine möglichst luftdichte Hülle darstelle. Nach diversen Wärmeschutzverordnungen bilden die Energieeinsparverordnung (2014) und das Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz (2011) die heutige Gesetzeslage. „Höchste technische Standards verlangen handwerklich perfekte Ausführung sowie ein ausgesprochen hohes Maß an theoretischem Fachwissen.“ Um die gesetzlichen Vorgaben zu vertretbaren Verbraucherpreisen zu erfüllen, konstruierten Baufirmen ihre Häuser bis ins kleinste Detail durch und bauten in recht großen Stückzahlen.

Viele Bauherren können aber nach Erfahrung des Sachverständigen die Komplexität all dessen nicht mehr überblicken. „Selbst der gut informierte Häuslebauer stößt schnell an seine Grenzen“, sagt der Ingenieur. Deshalb würden unabhängige, begleitende Qualitätskontrollen immer wichtiger. Auch um teure Folgeschäden zu vermeiden. Diese treten meist erst viel später auf und sind nach dem Innenausbau nicht mehr sichtbar, so Schumacher-Ritz.

Verein im Jahr 2005 gegründet

Mehr als 16 000 Baustellen mit 55 000 Begehungen haben die 38 VQC-Sachverständigen – meist Architekten oder Bauingenieure – seit der Gründung des Vereins 2005 begleitet. Der VQC versteht sich als eine der großen unabhängigen Sachverständigenorganisationen im Bauwesen mit dem Schwerpunkt Einfamilienhäuser. Für Privatleute koste die VQC-Kontrolle der Ausführungsqualität, an deren Ende ein Luftdichtheitstest, Prüfprotokolle und Zertifikate stehen, etwa 2200 Euro. Meist beauftragen jedoch Bauträger den Verein, etwa 170 sind bereits Mitglied. Diese preisen die Gutachterleistung ins Gesamtpaket mit ein: „Für uns ist das ein gutes Verkaufsargument“, wie Bauleiter Thomas Schneider sagt. Er verantwortet für die Öhringer Firma K.B. Wohnbau das Projekt in Asperg. „Der Kunde glaubt uns heute nicht mehr alles.“

Seit ein paar Jahren arbeitet die Firma mit dem VQC zusammen, der seine Sachverständigen permanent zu Schulungen und Gesprächen in die Industrie schickt. Von diesem Wissen profitiert auch der Bauleiter. „Der Austausch bringt zusätzliche Sicherheit und macht meinen Job ruhiger.“ Das mehrjährige Miteinander und voneinander Lernen steigere die Qualität der Arbeit der beteiligten Handwerker. Schließlich garantiere die Versicherung, sollte später doch ein Mangel auftreten, die überdurchschnittliche Summe von bis zu 75 000 Euro. So können auch der Häuslebauer besser schlafen.