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Quarantäne erschwert Pflege

Corona stellt die Pflegedienste weiter vor große Herausforderungen.Foto: dpa/Michael Bader
Corona stellt die Pflegedienste weiter vor große Herausforderungen. Foto: dpa/Michael Bader
Erna Cigdem hat jeden Morgen Sorge, wenn das Telefon klingelt. Die Chefin des Pflegedienstes „Die Pflegeengel“ befürchtet die Erkrankung einer Mitarbeiterin. Die Versorgung der Patienten soll jederzeit gewährleistet bleiben. Der Kampf mit den Behörden erleichtert dies nicht unbedingt.

Steinheim/Marbach. Gleich mehrere Szenarien rauben Erna Cigdem den Schlaf. Zum einen: Eine Mitarbeiterin hat Corona oder muss als Kontaktperson in Quarantäne. Da seien die Schnelltests hilfreich, um weiter arbeiten zu können. Zum anderen: Ein Patient hat Corona: Die Versorgung dauert dann wesentlich länger.

Müssen Mitarbeiter zu Hause bleiben, müssen Kollegen die Dienste übernehmen. Gebe es mehrere Ausfälle, könne man mit den Angehörigen reden, ob diese Teile der Versorgung, zum Beispiel die Medikamentengabe, übernehmen könnten. Wofür aber Cigdem kein Verständnis hat, ist, dass die Behörden nach sieben Monaten immer noch bürokratisch nach Schema F vorgingen. Mitarbeiter, die keinen direkten Kontakt zu Coronapatienten und zudem einen negativen Test vorweisen könnten, dürften dennoch nicht früher die Quarantäne verlassen. Mehrere Schreiben sowie Telefonate mit Gesundheitsamt und Ordnungsamt hätte es gebraucht, bis die Quarantäne doch verkürzt worden sei. „Wir sind systemrelevant und im März mussten wir ohne FFP2-Masken arbeiten, weil keine Lieferungen ankamen, und jetzt macht man es uns weiter schwer.“

Bei den Patienten tragen die Pflegekräfte FFP2-Masken, da häufig die Erkrankten selbst keine Masken tragen können. „Wir wissen auch nicht, wie das Umfeld ist, wie sich die Angehörigen verhalten“, so Cigdem. Teambesprechungen werden nur noch digital abgehalten, Begegnungen im Standort Steinheim reduziert. Natürlich ist auch die Weihnachtsfeier abgesagt. „Das war schlimm für meine Mitarbeiter. Sie hatten gehofft, dass wir mal wieder zusammen lachen können. Das motiviert ja auch.“ Viele Schwestern hätten ihre Kontakte reduziert, aber „wir können doch nicht das ganze Jahr nur arbeiten und uns einsperren“. Auch die Patienten hätten Kontakt mit anderen. Alle Pflegekräfte seien sich aber der Verantwortung bewusst. „Wir können Hygiene, wir wissen, wie wir uns und unsere Patienten schützen müssen“, betont Cigdem. „Wir gehen nicht in den Partykeller und feiern.“

Die Schnelltests bei Patienten erleichterten die Arbeit zwar, dennoch bedeute die Durchführung auch zehn Minuten Zeitverlust. „Bei 20 Patienten in der Frühtour ist das eigentlich zu viel“, so Cigdem. Während die Diakoniestation Marbach derzeit keine neuen Patienten mit Pflegegrad aufnimmt, erfolgt die Aufnahme bei den Pflegeengeln nur nach einem negativen Coronatest. Ist ein Patient mit Corona infiziert, läuft die Versorgung, so gut es geht, weiter. Die Pflegekräfte kommen mit Schutzanzug ins Haus, Umkleidemöglichkeiten müssen eingerichtet werden. Auffangen müssen die Pflegedienste auch den Ausfall eines pflegenden Angehörigen, wenn es möglich ist. „Wir können die Patienten nicht im Stich lassen“, betont auch Ann-Kathrin Benneweg, Geschäftsführerin der Diakoniestation Marbach. Auch sie kritisiert, dass es nicht möglich sei, die Quarantäne zu verkürzen. Sie hätten einen Fall in der Hauswirtschaft gehabt, wo es schwer gewesen sei, die Quarantäne aufzuheben. Benneweg verweist zudem auf wirtschaftliche Probleme: Im März hätten zum Beispiel Handschuhe noch 2,80 Euro gekostet, jetzt schon acht Euro. Die Pflegedienste bekämen das zwar von den Krankenkassen erstattet, aber man müsse es dennoch vorfinanzieren. „Das Geld muss auch irgendwoher kommen.“

Das Landratsamt Ludwigsburg betont auf Nachfrage nochmals: Auch Pflegekräfte müssten als Kontaktpersonen ersten Grades 14 Tage in häuslicher Quarantäne bleiben. Eine negative Testung verkürze weder bei Normalbürgern noch bei Pflegekräften die Quarantäne, da der negative Test keine Sicherheit biete. Es sei mehrfach vorgekommen, dass negativ getestete Personen am nächsten Tag Symptome entwickelten. Für Pflegedienstmitarbeiter könne man aber unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel akuter Personalmangel oder negative Testung, Ausnahmen zulassen. Diese schlägt das Gesundheitsamt dem Ordnungsamt der Wohnortgemeinde vor, das Ordnungsamt entscheidet. Für Covid-19-Erkrankte gebe es aber keine Ausnahmen.