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Ringen um das Einkaufserlebnis

Kornwestheims Mitte – hier die Güterbahnhofstraße – macht den Händlern Kopfzerbrechen. Für die Kundschaft sei sie zu wenige attraktiv, meinen viele und fordern ein neues Konzept zur Belebung der Innenstadt. Archivfoto: Holm Wolschendorf
Kornwestheims Mitte – hier die Güterbahnhofstraße – macht den Händlern Kopfzerbrechen. Für die Kundschaft sei sie zu wenige attraktiv, meinen viele und fordern ein neues Konzept zur Belebung der Innenstadt. Foto: Holm Wolschendorf
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Beim Kornwestheimer Businessfrühstück geht es um WLAN-Inseln, Aufenthaltsqualität und Digitalisierung

Kornwestheim. Handel und Gewerbe in Kornwestheims Innenstadt haben es nicht leicht. Die Sandwichlage der Kommune zwischen Stuttgart und Ludwigsburg macht ihnen zu schaffen. „Kornwestheim ist keine Einkaufsstadt“, stellen die Teilnehmer des Businessfrühstücks im Kultur- und Kongresszentrum fest, zu dem die Wirtschaftsförderung der Stadt eingeladen hatte.

Beklagt wird, dass der Innenstadtbereich bei der Bahnhof- und Güterbahnhofstraße für Kunden nicht attraktiv sei. Ausgerechnet der Samstag sei für den Kornwestheimer Handel der schlechteste Wochentag, heißt es fast schon resigniert. „Da fahren alle nach Ludwigsburg auf den Markt, um einzukaufen und anschließend noch einen Prosecco zu trinken,“ beschreibt ein Händler etwas zugespitzt die aktuelle Wettbewerbssituation. Und der Vertreter eines örtlichen Immobilienunternehmens setzt noch eins drauf: „Bei Gewerbeimmobilien läuft gar nichts“. Nur Betreiber von Shisha-Bars, Sportwetten oder Dönerläden hätten Interesse an einer Geschäftseröffnung. Auf die Dauer sei dies keine Perspektive für eine Stadt. „Wir können kein Erlebniseinkaufen bieten“, so der Tenor der anwesenden Frühstücksgäste. Über die Funktion der Grund- und Nahversorgung käme der Handel nicht hinaus.

Das soll sich ändern: Impulse dafür erhoffen sich Handel und Kommune von Stefan Leuninger. Der Leiter der Büros der Beratungsgesellschaft CIMA in Stuttgart und Frankfurt, die auf Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Gewerbeflächenpolitik sowie Citymanagement spezialisiert ist, startet mit einer guten Nachricht: Bei 200 Millionen Euro liege die Kaufkraft der Bürger in Kornwestheim. Dies sei schon einmal eine gute Voraussetzung für eine Stadtentwicklung. Der promovierte Marktforscher schiebt die schlechte Botschaft gleich hinterher: 50 Prozent der Kaufkraft fließen in andere Kommunen ab. Wer dem gegensteuern wolle, müsse sich von alten Zöpfen trennen. Neues Denken sei angesagt.

Bei Leuningers Konzept hat die Innenstadt die Funktion eines Kommunikationsraums. Die City soll in erster Linie ein Treffpunkt für die Bürger sein. Dafür müsse ein Angebot bereitgehalten werden, das Wohnen, Bildung, Kultur, Gastronomie, Gewerbe, Verwaltung und Arbeitsplätze umfasst. Ein entscheidendes Kriterium sei auch die Erreichbarkeit: ÖPNV, Verkehrsführung, Leit- und Beschilderungssysteme, Fuß- und Fahrradwege und ein Parkraummanagement gehörten dazu. Die Gestaltung der Innenstadt sei zudem ein wichtiges Element, um deren Attraktivität zu erhöhen. Dabei gehe es um Fassaden, Beleuchtung, Schaufenster, oder um die Einrichtung von Plätzen und um Grünanlagen. Leuninger empfiehlt, Orte der Begegnung zu schaffen, die konsumfreie Räume sein sollten. Dies erhöhe die Aufenthaltsqualität, auf die Konsumenten und Bürger immer mehr Wert legten. Märkte, Aktionen und Veranstaltungen machten Städte zu einem Treffpunkt. Aber auch Themen wie Sicherheit, Sauberkeit und Service müssten in eine innovative Strategie zur Stadtentwicklung einfließen.

„Neues muss ausprobiert werden“, gibt Leuninger den Teilnehmern des Businessfrühstücks mit auf den Weg. Eine WLAN-Insel einzurichten, sei durchaus einen Versuch wert, oder schöne Ecken und Plätze mit Liegestühlen zu möblieren. Warum nicht einmal in der Woche eine Straße für ein besonderes Ereignis sperren?, meint Leuninger. Er rät zu einem Mix aus Aufenthaltsqualität und Einkaufsfunktion für eine Straße. Einen klaren Trend gibt seine Botschaft zu erkennen: Alles muss in die Innenstadt rein – alles sollte sich dort konzentrieren.

Der Angst der Händler vor Amazon und Co. tritt Leuninger entgegen. Das große Thema sei: Online-Orientierung und der Kauf vor Ort. Die Konsumenten informierten sich immer mehr im Internet über Produkte oder über das Warenangebot des örtlichen Handels, um später dort auch einzukaufen. Früher sei dies umgekehrt gewesen. Der Handel sollte deswegen verstärkt digital Flagge zeigen. „Begreifen Sie die Digitalisierung als Chance“, appelliert er an seine Zuhörer.

Oberbürgermeisterin Ursula Keck fordert die Einzelhändler auf, ihre Kräfte zu bündeln, nur so könnten die Herausforderungen auch mit Blick auf die coronabedingten Veränderungen gemeistert werden. Die Zusammenarbeit mit der Kommune sei unerlässlich. Sie bedauert das Fehlen einer Werbegemeinschaft. Auf Großveranstaltungen als Attraktionen für die Innenstadt könne in naher Zukunft nicht gesetzt werden. Alle müssten jetzt Verantwortung tragen, mit gutem Beispiel vorangehen und in der Innenstadt einkaufen.