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Ritterromantik in der Altstadt

Gaukler in historischen Gewändern zeigen ihre Kunststücke. Fotos: Andreas Becker
Gaukler in historischen Gewändern zeigen ihre Kunststücke. Foto: Andreas Becker
Die Fachwerkkulisse bietet die passende Atmosphäre für den historischen Markt in Großbottwar. .
Die Fachwerkkulisse bietet die passende Atmosphäre für den historischen Markt in Großbottwar. . Foto: Andreas Becker
Auch für kulinarische Genüsse ist gesorgt.
Auch für kulinarische Genüsse ist gesorgt. Foto: Andreas Becker
Der Schmiedehammer singt mit dem Amboss sein Duett. Der Dudelsack pfeift ein Lied mit dem Wind. In der Stadt steigen an vielen Stellen duftende Rauchwolken von offenen Feuern empor. Es war historischer Markt in der Storchenstadt.

Großbottwar. An diesem Wochenende zählte Großbottwar mehr Besucher als Einwohner. Von 10000 Gästen gingen die Organisatoren von „Miteinander attraktives Großbottwar – MAG“ aus – trotz des unbeständigen und regnerischen Wetters. „Nach zwei Jahren Pause sind die Leute hungrig nach solchen Märkten“, sagte Antje Roh vom achtköpfigen Organisationsteam. Am Samstag waren vor allem Personen in historischen Gewändern unterwegs, am Sonntag eher Familien. Fast 70 Stände waren in der Altstadt aufgebaut, die dem Markt die historische Kulisse bot. Gruppen von Künstlern bevölkerten die Bühne und streunten durch die Gassen. Sie gaukelten, jonglierten, tanzten und machten Musik.

Besonders viel war für Kinder geboten, die unter dem Stockmaß von 1,30 Metern noch nicht einmal Wegezoll entrichten mussten. Sie bastelten Marionetten, ritten im Handkurbelkarussell auf Fässern, deckten sich mit neuen Holzschwertern und Schilden ein und schossen mit der Armbrust. Oder sie trugen ein Ritterturnier aus und bewiesen Geschichtlichkeit beim „fiesen Roland“, bei dem man sich nach einem Treffer ganz schnell ducken musste, um nicht den Strohsack in den Rücken zu bekommen.

Aber auch für die Erwachsenen war einiges geboten. Sie konnten sich zum Beispiel bei der rätselhaften Haselfrau die Karten legen oder mit dem Knochenorakel die Zukunft voraussagen lassen. Eher weltlich Orientierte ließen sich die Füße kneten oder kleideten sich mit geschichtlich orientierter Mode und passenden Accessoires neu ein.

Vor allem kulinarisch stach der historische Markt aus der Masse an herkömmlichen Märkten heraus. Hier wurde zum Spanferkel Met und Ritterbier getrunken. Es wurden Entenkeulen und Hirschgulasch gereicht, Backwaren aus Roggen und Hanf gegessen oder frisch geräucherter Lachs vom Brett. Auch altes Handwerk ließ sich auf die Finger schauen: der Schmid, der Scherenschleifer, der Bürstenmacher, Bernsteinschleifer und der Buchbinder. Kinder durften Kerzen ziehen und aus Wolle mit einer Spindel Fäden ziehen sowie Bögen bauen.

Den Umzug am Sonntag führten mit Trommeln die Ritter an. Ihnen folgte das Fußvolk, das die Zaungäste mit „Jubel“-Rufen zu Applaus animierte. Fahnenschwinger warfen ihre Standarten hoch in die Luft, die sie nach mehreren Salti fast immer wieder sicher auffingen. Flöte, Laute, Tamburin und Dudelsack begleiteten den kleinen Tross, bei dem Mönche ihre „Herrgottsb’scheißerle“ verkosten ließen.

Herold Gandulph von Brandeshall verlaß die Marktordnung. Darin werden die Wirtsleut‘ daran erinnert, Teller und Schalen ja auch immer gut zu füllen. Weibsleut‘ werden aufgefordert, sich „geziemlich“ zu verhalten und auf gottgefällige Kleidung zu achten. Vor allem aber werden die Burschen gewarnt, den Marktfrieden durch „Gezänk, Keilerei oder Waffengeplänk“ zu stören. Als Strafe droht die Schandgeige am Marktplatz, in der man dem maßlosen Spott des Pöbels ausgesetzt ist.

Magnet direkt an der Stadtmauer war das Lager der „Freien Ritterschaft Baden“. Etwa 20 Recken haben hier Quartier genommen und demonstrierten ihre Kampfkunst mit Schwert und Schild, mit Streitaxt und Lanze. Ein alter Gerichtstag wurde nachgestellt: Zwei Streithähne kauften sich Kämpfer, die ihren Zwist austragen sollten. Der Verlierer musste am Ende nachgeben. Oder es wurde das Ringen um die Gunst einer holden Maid inszeniert, der nicht immer mit ganz sauberen Mitteln gefochten wird. Nach diesen Auseinandersetzungen war Merthain von Liebenheck durchgeschwitzt bis auf die Knochen. 35 Kilo schleppte er mit sich herum. Am schwersten wogen der Helm mit Nasen-, Brust- und Nackenschutz sowie das Kettenhemd.

Auch bei der 15. Auflage lebte der historische Markt in Großbottwar von einer gewissen mittelalterlichen Ritterromantik und Burgfräulein-Sehnsucht. Es war bunt, und es war laut. Was ihn dazu noch ausmacht, ist das Fachwerk-Flair mit seinen heimeligen Gassen, die alle bespielt werden. Krönender Abschluss war das Tavernenspiel, bei dem alle Künstler auf der Bühne vor dem Rathaus zusammenkamen.