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S-Bahnen müssen draußen bleiben

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350_0900_34760_217476096.jpg Foto: dpa, privat (2)
In den Sommerferien wird die S-Bahn-Stammstrecke zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Schwabstraße für umfangreiche Sanierungsarbeiten gesperrt. Für manche in der Region ist das auch ein positives Signal – doch 2021 ist nur der Anfang.

Ludwigsburg/Stuttgart. Auf die störanfällige S-Bahn in der Region kommt mal wieder ein Stresstest zu, wenn in den kommenden Sommerferien auf der rund drei Kilometer langen Tunnelstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und der Schwabstraße sechs Wochen lang keine S-Bahnen fahren können. „Wir haben uns die Sperrung nicht gewünscht“, sagte der regionale Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler am Mittwoch in Stuttgart. Allerdings scheinen die Sanierungsarbeiten auf der Stammstrecke, die als Nadelöhr gilt und seit mehr als 40 Jahren nahezu ununterbrochen befahren wird, zwingend nötig.

Neue Gleise, Weichen und ETCS

Gleise und Weichen müssen ausgewechselt, die unterirdischen Haltestellen renoviert und Fluchtstollen modernisiert werden. Später kommt der Einbau des elektronischen Lotsen ETCS hinzu, der die Züge enger takten und die Kapazität so erhöhen soll. Rund 60 Millionen Euro lässt sich die Bahn die Runderneuerung des Tunnels nach eigenen Angaben kosten (wir berichteten). Das Problem: Sie braucht dafür auch noch die Sommerferien in den Jahren 2022 und 2023.

Für S-Bahn-Fahrer aus dem Landkreis hat das zur Konsequenz, dass die Linien aus Marbach, Bietigheim, Ditzingen und Korntal bereits am Stuttgarter Hauptbahnhof oberirdisch enden. Von dort sollen laut Regionalverband Ersatzbusse die Fahrgäste weiter in die Innenstadt oder zur Universität nach Vaihingen bringen. „Alle 800 Meter wird ein Bus verkehren“, sagt Wurmthaler. Andere Linien weichen über die Panoramabahn aus. Der 15-Minuten-Takt ist so wohl nicht zu halten. Die Region geht davon aus, dass die S-Bahnen nur noch alle 30 Minuten verkehren werden. Coronabedingt rechnet Wurmthaler jedoch mit weniger Fahrgästen als vor der Pandemie.

Die Auswirkungen werden trotzdem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beträchtlich sein. Für den Stuttgarter Regionalrat Michael Lateier (Grüne) ist die Sperrung der Stammstrecke vergleichbar mit einem Ausfall der A8 zwischen Leonberg und Stuttgart. Er sprach im regionalen Verkehrsausschuss allerdings auch von einem „guten Signal“: dass an der Strecke nicht nur herumgedoktert wird, sondern eine Komplettsanierung erfolge. Seine Partei verlangt für den Herbst zudem einen Bericht und dann eventuelle Nachjustierungen. Für den Ehninger Christdemokraten Rainer Ganske sind die jetzigen Ausweichverkehre „noch nicht das Ende der Fahnenstange“. Die Linken wollen, dass die Einschränkungen für die Fahrgäste so gering wie möglich ausfallen.

Busse auf den staugeplagten Straßen

CDU, Freie Wähler, SPD und FDP halten die Vorhaben für unumgänglich und fordern vor allem eine funktionierende Informationspolitik. „Die Menschen sind bereit, Einschränkungen hinzunehmen, wenn es dafür nachvollziehbare Gründe gibt“, glaubt der Fellbacher Sozialdemokrat Harald Raß. Die Stuttgarter Liberale Gabriele Heise sieht unterdessen den Einsatz von Ersatzbussen auf den staugeplagten Straßen der Stuttgarter City kritisch und befürchtet, dass die Fahrzeuge mehr stehen als fahren werden.

Für die AfD könnte ein erfolgreiches Management während der Sperrungen am Ende auch Werbung für die Krisenfestigkeit der S-Bahn sein. Worum es geht, drückte der Bietigheim-Bissinger Holger Dorn im Ausschuss so aus: eine Operation am offenen Herzen des ÖPNV.