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Schulhof-Pornografie nimmt zu

Schüler am Smartphone: Wenn sie über Chats kinderpornografische Fotos teilen, machen sie sich strafbar. Foto: Mirko Vitali /stock.adobe.com
Schüler am Smartphone: Wenn sie über Chats kinderpornografische Fotos teilen, machen sie sich strafbar. Foto: Mirko Vitali /stock.adobe.com
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2021 war für die Polizei im Landkreis Ludwigsburg ein besonderes Jahr. Sie verzeichnete einen Rückgang der Straftaten von 7,6 Prozent. Gleichzeitig gab es einen Anstieg bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dabei wurden auch Kinder und Jugendliche ganz schnell zu Tätern.

Kreis Ludwigsburg. Sie gelangen über irgendwelche Kanäle zu Fotos mit kinderpornografischen Motiven und verbreiten sie schnell in ihren Chatgruppen. Dass Schüler damit eine Straftat begehen, ist ihnen oftmals gar nicht bewusst. Die Polizei nennt das Schulhof-Pornografie. Sie stellt die Ermittelnden vor große Herausforderungen. Nach aktueller Rechtslage muss gegen alle Empfänger solcher Fotos ein Verfahren wegen Verdachts des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Schriften eingeleitet werden. Das Delikt fällt in der Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, die diese Woche vorgestellt wurde, unter die Rubrik „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Diese nahmen vergangenes Jahr von 369 auf 548 Fälle zu. Dies stellt einen Höchstwert im Vergleich der vergangenen fünf Jahre dar. Ursache dafür ist laut Polizei vor allem der Anstieg im Bereich der Verbreitung pornografischer Schriften mit Schwerpunkt beim Verbreiten, Besitz beziehungsweise Erwerb von Kinderpornografie. Etwa die Hälfte der Tatverdächtigen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind Kinder und Jugendliche, was vorwiegend auf die Schulhof-Pornografie zurückzuführen ist. Auch die Sexualstraftaten haben zugenommen. So gab es zum Beispiel 34 Fälle von Vergewaltigungen (2020: 31 Fälle). Dagegen verzeichnete die Polizei im Kreis einen Rückgang bei sexuellen Nötigungen, exhibitionistischen Handlungen und sexuellem Missbrauch von Kindern.

Historischer Tiefstand bei Wohnungseinbrüchen

Der Rückgang der Straftaten insgesamt um 7,6 Prozent hat insbesondere mit der Coronapandemie zu tun. Im Kreis Böblingen, für den das Ludwigsburger Polizeipräsidium ebenfalls zuständig ist, lag der prozentuale Rückgang bei 7,3 Prozent. Ein Beispiel sind die Wohnungseinbrüche. Sie erreichten mit 162 Fällen im Kreis Ludwigsburg einen „geradezu historischen Tiefstand“, wie es Polizeipräsident Burkhard Metzger ausdrückte. „Die Menschen waren aufgrund von Homeoffice vorwiegend daheim und boten den Tätern dadurch weniger Gelegenheiten“, sagte Metzger am Freitag gegenüber der Presse. Zudem hätten viele Bauherren die kriminalpolizeiliche Beratung in Anspruch genommen.

Die mit 64,3 Prozent höchste Aufklärungsquote der vergangenen Jahre erklärt sich unter anderem mit einem besonderen Ermittlungserfolg in Bietigheim-Bissingen, wo eine Serie von 100 Einbrüchen einem einzigen Täter zugeordnet werden konnte.

In vielen Bereichen spielte die Coronapandemie der Polizei in die Hände. Geschlossene Geschäfte führten beispielsweise zu weniger Ladendiebstählen. Es wurden weniger Fahrräder gestohlen und weniger Sachbeschädigungen begangen. Weil weniger Personen mit Bussen und Bahnen unterwegs waren, ging auch im Bereich Erschleichen von Leistungen die Anzahl der Fälle zurück.

Dagegen ist ein Anstieg im Bereich des Drogenhandels feststellbar. Dies liegt einerseits an der durch Corona fehlenden Sozialkontrolle. Sind weniger Menschen unterwegs, tun sich die Rauschgifthändler leichter. Zudem hat die Polizei in dem Bereich ihre Ermittlungsarbeit verstärkt.

170 Einsätze bei Demonstrationen

Trotz eines Rückgangs der Straftaten ist der Polizei vergangenes Jahr nicht langweilig gewesen. Die Beamten hatten viel damit zu tun, die Regularien des Infektionsschutzes zu überwachen. Im April beispielsweise wurden 8000 Fahrzeuge und 14000 Personen kontrolliert. Dabei wurden 800 Verstöße festgestellt, die von der fehlenden Schutzmaske bis zur Missachtung der nächtlichen Ausgangssperre reichten. Zudem war die Polizei mit erheblichem Personalaufwand bei Demonstrationen gefordert und musste hier 170 Einsätze bewältigen. Zwar war dort laut Polizei das Aggressionspotenzial deutlich niedriger als beispielsweise in Mannheim. Dennoch bleibt die Gewalt gegen Polizisten mit 140 Fällen im Kreis weiter auf hohem Niveau.

Insgesamt 16 Straftaten gegen das Leben sind in der Kriminalstatistik aufgeführt. 2020 waren es neun Fälle. Die vermeintlich stark gestiegene Zahl hat damit zu tun, dass die Polizei sogenannte Cold-Case-Fälle wiederaufgenommen hat, von denen im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Ludwigsburg drei geklärt werden konnten. Somit bleiben im Kreis zwei Mordfälle und sechs Totschlagsdelikte zu verzeichnen.

Ein trauriges Beispiel: Am 11. Mai 2021 wurden im Rahmen einer großangelegten Suchaktion eine 28-Jährige und ihre beiden drei und sieben Jahre alten Töchter tot aus der Enz in Vaihingen geborgen. Hinweise auf eine mögliche Einwirkung Dritter haben sich nicht ergeben, so dass die Polizei von einem erweiterten Suizid spricht.