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Spenderorgan-Empfänger erzählen ihre Geschichte

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Die Schüler der Elly-Heuss-Knapp-Realschule haben sich mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt.
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Zusammen fast 100 Jahre verdanken die sieben Organempfänger anderen. Die sprechen ganz offen mit den Schülern. Warum und wann sie erkrankten. Wie das ist, plötzlich dem Tod ins Auge zu sehen, wie sich dadurch das Verhältnis zum Sterben ändert. Wie die Familie und die Bekannten auf die schreckliche Nachricht reagierten. Wie die Wartezeit auszuhalten ist, wann und ob überhaupt ein passendes Spenderorgan gefunden wird. Wie es ist, mit dem Körperteil eines Toten zu leben.
Ludwigsburg. Die Fragebögen haben sie im Fach Erdkunde, Wirtschaft und Gemeinschaftskunde (EWG) entwickelt. Ihr Lehrer, Michael Burkhardt, der auch Religionspädagoge ist, hat sie auf dieses „brisant-interessante Thema“ vorbereitet. Etwa auf die Frage, wie die Weltglaubensrichtungen zur Organspende stehen. Ergebnis: die meisten tolerieren das, solange sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen geschieht. Etwa, dass einer eine seiner beiden Niere verkauft.

In Kleingruppen fragen die Neuntklässler die Erwachsenen aus. Und die antworten sehr bereitwillig. Die Frau, die dankbar ist, dass ihre Schwester einen Teil ihrer Leber spendete und dass sie beide heute noch miteinander reden und lachen können. Der Mann, der 14 Jahre lang mit einer fremden Niere gut lebte und jetzt wieder an der Blutwäsche, der Dialyse, hängt. Die Mutter dreier Kinder, in deren Brust seit knapp acht Jahren ein anderes Herz schlägt.

Die Schüler sind um die 15 Jahre alt und stehen am Scheideweg, erklärt Uschi Traub vom Gesundheitsamt der Kreisverwaltung. Mit 14 dürften sie eine Erklärung abgeben, dass sie eine Organentnahme verweigern, mit 16 dürften sie einen Spenderausweis ausfüllen. Der könne auf bestimmte Organe beschränkt und auch jederzeit widerrufen werden.

Baden-Württemberg habe dringenden Nachholbedarf, so Traub. 97 Menschen hätten letztes Jahr posthum 341 ihrer Organe gespendet, 81 weniger als noch vor sechs Jahren. 2010 waren das noch 134. Auf eine Million Einwohner gerechnet seien das 8,4 Spender auf eine Million Einwohner. Zum Vergleich: in Deutschland seien es 10,4, in Hamburg 22,4, in Mecklenburg-Vorpommern 18,6. Bundesweit seien 3700 Organe entnommen und verpflanzt worden. 10 000 Menschen würden auf ein Spenderorgan warten, zwei Drittel von ihnen vergeblich.

Eine Physio- Ergotherapeutin erzählt, dass sie mit nur einer Niere geboren wurde. „Irgendwann war ich ständig müde, konnte nicht mehr arbeiten“, erzählt sie. Darunter habe die Familie bei aller Hilfsbereitschaft sehr gelitten. Die Beschäftigung mit dem Tod sei beängstigend und hoffnungsvoll zugleich gewesen. Aber Mann und Kinder hätten sie unterstützt, waren bereit, selbst zu spenden. Bis zur elfstündigen Operation seien ihr acht Stunden Zeit geblieben, sich zu entscheiden.

Für alle sieben war die Minute, da sie langsam aus der Vollnarkose erwachten, ein Moment der Wiedergeburt gewesen. Seither schätzen sie das Leben mehr, gehen bewusster mit sich um, müssen regelmäßig Medikamente nehmen. Und doch: Sie genießen die Zeit mit Frau, Kindern und Freunden. Das gespendete Organ wurde Teil des eigenen Körpers und sei nichts Fremdes mehr. Alle wollten sie die Familie des Spenders gerne kennen lernen. „Wir möchten gerne danke sagen.“

Die Auswertung der Interviews soll als Heft veröffentlicht werden und anderen weiterbildenden Schulen als Unterrichtsmaterial zur Verfügung stehen.