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Steillagen kommen aufs Handy

Sie sollen den Tourismus im Landkreis Ludwigsburg nach vorne bringen: Terrassierte Weinberge wie über dem Neckar am Mundelsheimer Käsberg. Foto: Holm Wolschendorf
Sie sollen den Tourismus im Landkreis Ludwigsburg nach vorne bringen: Terrassierte Weinberge wie über dem Neckar am Mundelsheimer Käsberg. Foto: Holm Wolschendorf
Nirgends in Deutschland stehen so viele terrassierte Weinberge wie im Kreis Ludwigsburg. Mit einer Homepage und einer App will der Landkreis diese Kulturgüter an Neckar und Enz jetzt stärken und für Touristen erlebbarer machen. Manchen geht das nicht weit genug.

Kreis Ludwigsburg. Gekleidet in einen bunten und großkarierten Anzug, mit roter Krawatte und dunklem Hemd stieg der Weinguru Stuart Pigott vor gut sieben Jahren von seinem Planeten Riesling, so der Titel eines seiner unzähligen Bücher, hinab und stellte auf dem Neujahrsempfang des Landkreises Ludwigsburg kopfschüttelnd fest: „Steillagen erfordern harte Arbeit – und was macht der Schwabe? Er pflanzt dort Trollinger an.“

Dabei bilden sich die Menschen an Neckar und Enz so viel auf ihre terrassierten Weinberge ein. Mehr als 350 Hektar mit Mauerterrassen gibt es hierzulande. „Gemessen an der Gesamtfläche hat kein anderer Landkreis in Deutschland so viele Steillagen wie wir“, sagte Landrat Dietmar Allgaier am Montagmittag im Kreistagsausschuss für Umwelt und Technik.

Das Problem ist: Immer weniger Wengerter wollen sich die Plackerei in luftiger Höhe und ohne den Einsatz von Maschinen antun. Der Benninger Fachmann Claus-Peter Hutter, früher Chef der baden-württembergischen Umweltakademie, sagte einmal über die Steillagen-Wengerter: „Sie sind die Reinhold Messners des Weinbaus.“ Hutter schätzt, dass sie Zehntausende Höhenmeter im Jahr zurücklegen müssen, um ihre Trauben in die Keller zu bekommen. „Sie leisten den vier- bis sechsfachen Aufwand gegenüber Kollegen in flurbereinigten Bereichen.“

Der Kreis will seine Steillagen nun mit einer Marketingkampagne ins rechte Licht rücken – mit einer Homepage und einem griffigen Slogan. Der ist bereits gefunden und lautet: „Echt. Schön. Schräg“. Dazu kommt eine App fürs Smartphone, die im kommenden Herbst an den Start gehen könnte. Mit dabei sind sieben Kreiskommunen: Besigheim, Bönnigheim, Gemmrigheim, Hessigheim, Ingersheim, Kirchheim und Ludwigsburg. Eigentlich sollte die App bereits vor einem Jahr umgesetzt werden, doch Corona machte den Projektbeteiligten einen Strich durch die Rechnung. Insgesamt lässt sich der Kreis das Vorhaben rund 65000 Euro kosten.

Für die Marketingkampagne gab es gestern zwar viel Lob. „Das Motto passt gut“, sagte etwa der Freie Wähler Eberhard Zucker aus Vaihingen. Und der Erdmannhäuser CDU-Kreisrat Horst Stegmaier fand es „ganz wichtig, dass der Steillagenweinbau stärker gefördert wird“. Die Grünen erkannten allerdings noch Luft nach oben. Die Kornwestheimer Kreisrätin Edda Bühler schlug am Montag vor, die Steillagen auch mit Skulpturen oder Malerei für Ausflügler attraktiver zu gestalten.

Deutlich weiter ging der Ingersheimer FDP-Fraktionschef Volker Godel, der einen finanziellen Ausgleich für die Wengerter forderte, damit es sich für sie lohne, die Terrassen weiter offenzuhalten. Godel kann sich etwa vorstellen, dass die Bewirtschafter künftig auch von Ausgleichsprojekten für Baugebiete profitieren – mit mehreren Hundert Euro pro Quadratmeter. „Der Kreis muss hier eine höhere Flexibilität an den Tag legen“, so der Liberale im Ausschuss.

Der Landrat zeigte sich gestern aufgeschlossen. „Bei mir rennen Sie offene Türen ein“, rief er den Kreisräten zu und verwies darauf, dass der Kreistag in der Vergangenheit bereits Fördermittel zur Verfügung gestellt habe – laut Godel auf Antrag der FDP. Allgaier weiter: „Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ende angelangt.“

Dass die Steillagen am Mundelsheimer Käsberg, in den Hessigheimer Felsengärten oder an der Enzschleife im Vaihinger Ortsteil Roßwag gerade während der Pandemie als Naherholungsgebiete einen Schub bekommen haben, machte die SPD am Montag deutlich. Die Ludwigsburger Kreisrätin Stefanie Liepins im Ausschuss: „Die Leute haben sich vermehrt vor der eigenen Haustür umgeschaut und erlebt, wie schön es hier ist.“