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Streuobstwiesen bleiben gefährdet

Streuobstwiesen bieten einen Lebensraum für 5000 Arten. Dennoch müssen sie immer wieder Baugebieten weichen. Archivfoto: Andreas Becker
Streuobstwiesen bieten einen Lebensraum für 5000 Arten. Dennoch müssen sie immer wieder Baugebieten weichen. Foto: Andreas Becker
Der Paragraf zum Schutz der Streuobstwiesen erweise sich als „zahnloser Tiger“, klagt Nabu-Landeschef Johannes Enssle: Ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg zeigen sich die großen Umweltverbände im Land ernüchtert. Insbesondere auf kommunaler Ebene hapere es an der Umsetzung.

Kreis Ludwigsburg. „Wenn das, was im Gesetz steht, auch wirklich umgesetzt wird, ist es gut“, sagte der BUND-Kreisvorsitzende Stefan Flaig unserer Zeitung vor Jahresfrist. Damals war das Gesetz mit dem monströsen Namen, das den Arten- und Naturschutz in Baden-Württemberg massiv stärken und bis 2030 einen landesweiten Biotopverbund auf 15 Prozent des sogenannten Offenlandes etablieren soll, gerade verabschiedet worden – mit dem Beifall der an seiner Formulierung beteiligten Naturschutzverbände. Ein Eckpunkt: Insbesondere die für den Südwesten typischen, ökologisch besonders wertvollen Streuobstwiesen sollten vor weiterer Überbauung geschützt werden.

Gelungen ist das bisher zumindest nicht im erwarteten Maß: Es zeigten sich die von Flaig befürchteten „Schwächen bei der Umsetzung, vor allem unter kommunaler Zuständigkeit“, sagt Nabu-Mann Enssler. „Landauf, landab planen die Kommunen Baugebiete in die Streuobstwiesen hinein“, die artenreichen Lebensräume würden „unvermindert gerodet und überbaut“. Etliche Rathäuser und Untere Naturschutzbehörden in den Landratsämtern reizten ihren Ermessensspielraum systematisch zulasten der Natur aus.

Der Hintergrund: Vor Inkrafttreten des neuen „Streuobst“-Paragrafen 33a im Naturschutzgesetz konnten die Kommunen größere Eingriffe in die Natur im Rahmen der baurechtlichen Beteiligungsverfahren selbst gegen andere Interessen „abwägen“ – und die Ansprüche des Naturschutzes mit „Ausgleichsmaßnahmen“ abfinden. Ein jüngeres Beispiel, wie wenig Wert dabei oft auf den Erhalt vorhandener Streuobstwiesen gelegt wurde und wird, ist die Erweiterung des Technologieparks in Marbach: Hier wurde ein Streuobstbestand schon im Vorgriff auf die Änderung des Bebauungsplans abgeholzt, obwohl man ihn vor 20 Jahren extra aus dem Gewerbeareal ausgeklammert hatte. Nun sollen als „Ausgleich“ neue Streuobstwiesen entstehen – aber nicht etwa in Marbach, sondern in Burgstetten und Schwieberdingen.

Solche Vorgänge soll der neue Paragraf eigentlich verhindern: Er besagt, dass Streuobstbestände ab einer Größe von 1500 Quadratmetern erhalten werden müssen – ausdrücklich, um sie so vor Überbauung zu schützen. Sollen sie im Einzelfall dennoch fallen, muss dies bei den Naturschutzbehörden beantragt und von diesen genehmigt werden. In der Pflicht – und hier setzt Enssles Kritik an – sind damit nun auch die Landratsämter, die den Schutz der Streuobstwiesen konsequent durchsetzen müssten.

Und zwar auch, wenn Bebauungspläne noch im Planverfahren sind oder im sogenannten beschleunigten Verfahren durchgezogen werden, wie Umweltministerin Thekla Walker auf Anfrage des Vaihinger Landtagsabgeordneten Markus Rösler bestätigt. Der Grünen-Politiker hatte – als naturschutzpolitischer Sprecher seiner Fraktion und Nabu-Streuobstexperte – den neuen Paragrafen 2020 selbst nur als „erfreuliches Teilziel“ bewertet. Jetzt rügt auch er, dass die Gefahr für die Streuobstwiesen noch nicht gebannt sei. Die neuen Regelungen seien „in manchen Kommunen noch nicht bekannt“, daher hapere es an der Umsetzung. Rösler hat deshalb beispielsweise Vaihingens OB Gerd Maisch in einem Brief dazu aufgefordert, das Gewerbegebiet FuchslochIII so umzuplanen, dass Streuobstbestände erhalten werden, „da sonst die Gefahr der Rechtsunwirksamkeit“ bestehe. Freilich gehört Vaihingen zu den Kreiskommunen, denen das Landratsamt bereits Ausnahmen vom neuen Streuobstschutz genehmigt hat – gemeinsam mit Löchgau, Ingersheim und eben Marbach. Röslers Nabu-Mitstreiter Enssle verlangt denn auch, dass „das Land klare Kante zeigen“ und beim Schutz von Streuobstwiesen „nachschärfen“ müsse.