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Trainer muss wegen sexuellen Missbrauchs über fünf Jahre in Haft

Niemand sollte sein Gesicht sehen: Der ehemalige Handballtrainer verbirgt sich im Gericht hinter einem Aktendeckel. Foto: Andrea Nicht-Roth
Niemand sollte sein Gesicht sehen: Der ehemalige Handballtrainer verbirgt sich im Gericht hinter einem Aktendeckel. Foto: Andrea Nicht-Roth
Der ehemalige Handballtrainer, der über Jahre hinweg Kinder und Jugendliche in mehreren Hundert Fällen sexuell missbraucht hat, ist zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Einer der Fälle hat sich in Bietigheim zugetragen. Während der Urteilsbegründung kam es zu Protesten im Gerichtssaal.

Bietigheim-Bissingen/Fellbach. Die dritte Strafkammer am Landgericht Stuttgart sah es am Donnerstagvormittag als erwiesen an, dass der 53-jährige studierte Sozialpädagoge in der Zeit von 2006 bis 2019 als Handballjugendtrainer beim SV Fellbach Jungen zwischen 13 und 18 Jahren sexuell missbraucht hat. Das Gericht sprach von 13 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs, von 38 Fällen sexuellen Missbrauchs und von 210 Fällen sexueller Übergriffe an Jugendlichen und Schutzbefohlenen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung waren außerdem kinder- und jugendpornografische Bilddateien gefunden worden.

50 Tatvorwürfe waren aus Gründen der Sitzungsökonomie eingestellt worden, darunter auch die zum Missbrauch eines Bietigheimers. Gut ein Jahr lang ab Anfang 2020 war der Mann Trainer einer Jugendmannschaft bei der SG BBM gewesen. Der nun 53-Jährige hatte gleich am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis abgelegt und damit den Opfern die Aussage erspart, zeitweise war die Öffentlichkeit aber ohnehin ausgeschlossen.

Zur Urteilsverkündung erschien der kompakte, stämmige Mann, der seit seiner Festnahme Ende November 2021 in Untersuchungshaft sitzt, ganz in Schwarz mit einer schwarzen Baseballmütze auf dem Kopf. Während die Presse Fotos machte, hielt er einen aufgeklappten schwarzen Aktenordner vors Gesicht und wandte der Öffentlichkeit den Rücken zu.

Erschwerend: Langer Zeitraum und Trainerstellung ausgenutzt

In seiner Urteilsbegründung sprach Richter Johannes Steinbach von einer „Tat, die aus dem Rahmen fällt“. Besonders schlimm sei der Fall deshalb, weil sich der Missbrauch über eine so lange Zeit – mit allen Fällen 15 Jahre – hingezogen habe. Dabei habe der bei Spielern wie Eltern beliebte Trainer seine Machtposition ausgenutzt und das, was er „Knuddeln“ nannte, mal aufbrausend, mal bettelnd eingefordert. Seine Schützlinge hätten ihre Position durchaus als „Zwangslage“ empfunden und gefürchtet, sportlich nicht mehr gefördert zu werden, wenn sie sich dem gemeinsamen Masturbieren und dem Oralverkehr entzogen hätten.

Als der Richter sagte, bei den 14 bis 18 Jahre alten Opfern seien die sexuellen Handlungen zwar unter Ausnutzung der Trainerposition, aber einvernehmlich geschehen, gab es Gegrummel und Proteste unter den vielen Zuhörern. Mit Formulierungen wie „einvernehmlich“ habe auch er so seine Schwierigkeiten, sagte ein Vertreter des betroffenen Vereins SV Fellbach hinterher der Nachrichtenagentur dpa.

Geständnis und Täter-Opfer-Ausgleich wirken positiv aufs Urteil

Ein Psychiater hatte dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit attestiert. Seine pädophilen Neigungen richteten sich nicht auf Kinder, sondern auf Jungen in der Pubertät und im heranwachsenden Alter. Positiv legte das Gericht dem Angeklagten außer dem Geständnis die Tatsache aus, dass er sich ernsthaft um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht hatte: Er hat mit jedem Geschädigten einen Vergleich über eine Zahlung von 10000 Euro geschlossen. Das Gericht hatte auf die Höhe der Zahlung keinen Einfluss. Die Summe liege aber über dem sonst üblichen Rahmen, sagte der Richter. Persönliche Entschuldigungen und angebotene Gespräche hatten nur wenige der Opfer angenommen. Ein Geschädigter hatte auch dem Täter-Opfer-Ausgleich explizit nicht zugestimmt.

Das Urteil von fünf Jahren und vier Monaten ist laut Gericht „erforderlich, aber auch ausreichend“, ein Maßregelvollzug sei nicht nötig, es bestehe keine „wesentlich erhöhte Rückfallgefahr“. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert, die Verteidigung unter fünf Jahre.