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Über 1000 Euro Miete für Minizimmer

Geflüchtete aus der Ukraine kommen nach ihrem Grenzübertritt im polnischen Medyka an. An der polnischen Grenze wurden auch die drei Frauen und ihre Kinder, die in Remseck zunächst keinen guten Start hatten, von Ehrenamtlichen abgeholt. Foto: dpa
Geflüchtete aus der Ukraine kommen nach ihrem Grenzübertritt im polnischen Medyka an. An der polnischen Grenze wurden auch die drei Frauen und ihre Kinder, die in Remseck zunächst keinen guten Start hatten, von Ehrenamtlichen abgeholt. Foto: dpa
Die Bereitschaft, Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, ist groß. Doch es gibt auch Menschen, die deren Notlage ausnutzen und sich schamlos bereichern wollen. Ein Beispiel aus Remseck: Jeweils über 1000 Euro Miete wurden für winzige Zimmer im Dachgeschoss einer Doppelhaushälfte verlangt.

REMSECK. Ein Sozialarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (Awo), der im Auftrag des Landkreises Ludwigsburg in der Flüchtlingsbetreuung tätig ist, schildert unserer Zeitung diesen Fall, der inzwischen ein glückliches Ende nahm. Drei Frauen mit insgesamt fünf Kindern, die teilweise aus der umkämpften Stadt Mariupol geflohen waren, hatten bei ihm Hilfe gesucht, weil sie an einen dubiosen Vermieter geraten waren.

Die Familien seien von Ehrenamtlichen direkt an der polnischen Grenze abgeholt und in die Region Stuttgart gebracht worden, so der Awo-Mitarbeiter. Über eine WhatsApp-Helfergruppe gelangten sie an drei Zimmer in Aldingen. Aufgrund ihrer Notsituation und des Drucks, den der Vermieter laut Schilderungen der Frauen aufbaute, hätten die Geflüchteten schließlich drei Mietverträge abgeschlossen, ohne wirklich zu wissen, was darin steht. Dem Wunsch der Frauen, diese Verträge zuvor digital zur Verfügung zu stellen, um eine Übersetzung ins Ukrainische zu ermöglichen, kam der Vermieter nicht nach. Er habe nur gesagt, dass der Staat ja sowieso die Miete bezahle, berichteten die Frauen, von denen nur eine ein wenig Deutsch spricht, dem Sozialarbeiter.

Unerträgliche Situation für die Familien

Die Räume, die sich im Dachgeschoss einer Aldinger Doppelhaushälfte befinden, beschreibt er als „winzige Kammern“ mit Flächen von vier, fünf und zwölf Quadratmetern. Jeweils über 1000 Euro Miete inklusive Nebenkosten wurde dafür verlangt. Und damit nicht genug. Die Frauen wandten sich – nachdem sie etwa einen Monat in den Zimmern gewohnt hatten – vor allem an den Flüchtlingsberater, weil die Situation im Haus für sie unerträglich war und sie gerne die Unterkunft wechseln wollten. Der Vermieter würde ihre Post öffnen, klagten die Ukrainerinnen, ihre Privatsphäre stören, keine Besuche dulden und sie weitgehend von der Außenwelt abschirmen – insbesondere, wenn es um Kontakt zu den Behörden gehe. Alle Leistungsanträge habe er selbst gestellt.

Die Mietverträge wurden mittlerweile juristisch geprüft und fristlos gekündigt. „Vergangene Woche haben wir die Familien aus dem Haus rausgeholt und zunächst privat untergebracht“, berichtet der Sozialarbeiter. Vor ein paar Tagen habe die Stadt Remseck ihnen Wohnungen zur Verfügung gestellt, in denen sie erst einmal zur Ruhe kommen können.

„Es ist zu befürchten, dass dieser Mann weiterhin versuchen wird, seine Räume gewinnmaximierend zu vermieten“, warnt der Awo-Mitarbeiter. Ob er angezeigt wird, sei noch offen. Die Anwältin, die von ehrenamtlichen Helfern zurate gezogen wurde, habe jedenfalls erklärt, dass es gemäß Paragraf 291 des Strafgesetzbuches strafbar sei, unter Ausnutzung einer Zwangslage eine Wuchermiete zu vereinbaren.

Noch kein Geld kassiert

Geld kassiert hat der Vermieter im konkreten Fall übrigens noch nicht. Dem Landratsamt Ludwigsburg, bei dem die Übernahme der Mietkosten für die Geflüchteten beantragt wurde, fehlten Unterlagen und der Außendienst wollte sich die Zimmer noch ansehen, berichtet der Sozialarbeiter. Das Landratsamt bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Übernahme der Miete noch nicht bewilligt war, als die Zimmer fristlos gekündigt wurden.

Glücklicherweise meinten es die meisten, die Wohnraum anbieten, gut mit den Flüchtlingen, so die Erfahrung des Awo-Mitarbeiters. Auch im Kollegenkreis seien keine weiteren so drastischen Fälle wie der von ihm beschriebene bekannt.

Der Fall sei zum Schutz der Geflüchteten bei allen zuständigen Stellen gemeldet worden, damit so etwas nicht wieder vorkomme, teilt die Stadt Remseck auf Anfrage mit. Die drei Familien sollen nicht in den jetzigen Unterkünften bleiben, sondern so schnell es geht an zuverlässige Vermieter vermittelt werden. Glücklicherweise handle es sich um einen Einzelfall. Man sei enttäuscht, dass es Menschen gibt, die die Situation der Geflüchteten so zu ihrem Vorteil ausnutzen wollen, so der Sprecher der Stadt, Philipp Weber.

Aus dem Landratsamt heißt es, dass solche Fälle wie in Remseck im Landkreis Ludwigsburg schon vereinzelt vorgekommen seien. Eine Anzeige gegen den Vermieter werde die Behörde nicht erstatten, so Pressesprecher Andreas Fritz.