1. Startseite
Logo

Urteil nach Todesfahrt immer noch nicht rechtskräftig

An dieser Stelle zwischen einer Tankstelle und der Abfahrt nach Großsachsenheim starb ein 21-jähriger Fußgänger. Archivfoto: Alfred Drossel
An dieser Stelle zwischen einer Tankstelle und der Abfahrt nach Großsachsenheim starb ein 21-jähriger Fußgänger. Foto: Alfred Drossel
Vor einem Jahr schickte das Landgericht jenen Mann, der mit seinem Auto nachts eine Fußgängergruppe erfasste und floh, für vier Jahre ins Gefängnis. Doch dort sitzt er noch nicht ein.

Sachsenheim/Karlsruhe. Es waren nur wenige Sekunden, die in der Nacht des 12. Mai 2019 über das Leben von vier jungen Menschen entschieden, die am Rand der Landesstraße bei Großsachsenheim von einem Auto erfasst wurden. Weitaus länger dauerte es da, bis Hilfe für die drei Verletzten kam, noch mehr, bis der geflüchtete Fahrer sich stellte – und auch die rechtliche Aufarbeitung dauert länger als üblich. Nicht nur, dass der Prozess gegen den 44-Jährigen erst im Oktober 2020 begann. Auch das vor genau einem Jahr gesprochene Urteil wegen fahrlässiger Tötung eines 21-Jährigen sowie zweifachem versuchten Mord und dreifacher Körperverletzung ist noch immer nicht rechtskräftig.

Denn noch immer liegt die Revision, die die Verteidiger beim Bundesgerichtshof eingereicht hatten, in Karlsruhe. Die Anwälte hatten zwar die Wochenfrist gewahrt, um gegen das Urteil vom 4. Januar vorzugehen. Doch der Fall ist erst im Juni beim BGH eingegangen. Und da der Angeklagte nicht in Haft sei, „liegt die bisherige Bearbeitungsdauer noch im Rahmen des Üblichen“, hieß es auf LKZ-Anfrage vor Weihnachten.

Die Heilbronner Schwurgerichtskammer und die Staatsanwaltschaft hatten bei dem 44-Jährigen versuchten Mord bestätigt gesehen, weil er durch die Flucht seine Täterschaft verdecken wollte. Die Verteidigung hingegen hatte in diesem Punkt Freispruch gefordert, und argumentiert, dass der Angeklagte zu dieser Zeit und an diesem Ort nicht mit Fußgängern hätte rechnen müssen, auch wenn diese ortsunkundig waren und nach einer Feier auf dem Grünstreifen neben dem Asphalt zu ihrer Übernachtungsmöglichkeit laufen wollten, gesichert durch Handy-Taschenlampen. Der Fahrer selbst hatte angegeben, nur ein „toktok“ gehört und geglaubt zu haben, eine Warnbake gestreift zu haben. Erst als er am Nachmittag Meldungen im Internet und Hinweise zum Tatfahrzeug sah – der Außenspiegel wurde abgerissen –, stellte er sich.

Schon während des Prozesses war immer wieder die Verärgerung über die lange Verfahrensdauer deutlich geworden, zum einen, bis es überhaupt zum ersten Verhandlungstag kommen konnte, aber auch danach. Immer wieder hatten die Verteidiger Anträge gestellt, die bei dem sonst eher verständnisvollen Richter Roland Kleinschroth den Geduldsfaden reißen ließen, weil sie sich weniger auf den Unfall selbst, als auf das Nachtatgeschehen richteten. So sollte etwa der Sachsenheimer Kommandant – und einige Kameraden – aussagen, wie die Feuerwehr die Straße gesperrt hat, um zu beweisen, dass ihr Mandant noch einige Male nach dem Unfall an der Stelle vorbeifuhr. Auch hätte der Fachbereichsleiter des Landratsamts Angaben zur Häufigkeit von Unfällen dort liefern sollen. Genehmigt wurde hingegen ein weiteres Gutachten, wie lange der Fahrer durch den geltend gemachten Blick auf den Aschenbecher in seinem neuen Auto abgelenkt gewesen sein könnte – doch auch das verleitete den Richter zu scharfen Worten. Denn je länger man diesem Vorgang zugestehen wolle, desto mehr könne man von Vorsatz und damit Mord mit Blick auf jenes Opfer sprechen, das von dem Auto gegen einen Zaun geschleudert wurde und zwei weitere Fußgänger mitriss.