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„Watschn“ am laufenden Band

Superbe Wortakrobatin: Die Kabarettistin Lisa Eckhart. Foto: Andreas Becker
Superbe Wortakrobatin: Die Kabarettistin Lisa Eckhart. Foto: Andreas Becker
Lisa Eckharts „ungenierte Sonderausgabe“ ihres Programms „Die Vorteile des Lasters“

Kornwestheim. Wenn Lisa Eckhart die Bühne betritt, ist Provokation das Herzstück ihres Programms. Schließlich ist die österreichische Kabarettistin und Roman-Autorin ein herausforderndes Gesamtkunstwerk, das polarisieren will – in Ton und Façon. Zimperlichkeit ist nicht ihr Ding. Und so erlebte das Publikum im sehr gut besuchten „K“ einen ungenierten, sprachgewaltigen „Ritt“ durch brisante Themen – immer haarscharf entlang der „Geht-gerade-noch-Grenze“, der beiden Seiten sichtliches Vergnügen bereitete.

Ihr Programm wäre ein anderes gewesen ohne Corona. Daraus macht die gebürtige Österreicherin, die seit einigen Jahren in Leipzig lebt, keinen Hehl. Zwei Jahre Pandemie-Modus haben etwas gemacht mit ihr und den Mitmenschen, und wer Lisa Eckhart kennt, der weiß: Diese einschneidenden Veränderungen muss sie aufgreifen auf ihre Art, die sich nicht schert um „sagt man nicht“ oder „tut man nicht“.

Teufelsgleiche Botschaften

Einige Menschen, die im Grund gar nicht wollen, dass die Corona-Pandemie jemals endet, werden „Anfälle von Drostalgie“ überkommen, mutmaßt sie zum Beispiel und setzt noch eins drauf: „Manch einer wird dem ‚Wir im Virus‘ noch nachtrauern!“. Und so bilden Lockdown & Co., diese Entstehung einer pandemischen „Parallelgesellschaft“, die Klammer ihrer „ungenierten Sonderausgabe“.

Auf der ganz in dunkelblau ausgeleuchteten Bühne ist Lisa Eckhart auf ihrem Barhocker die vom Haaransatz bis zur Schuhsohle gleißend weiße, engelshafte Verkünderin freilich teufelsgleicher Botschaften. Hinter- wie vordergründig boshaft, dabei mit charmantem „Schmäh“, seziert sie menschliche Abgründe, von denen sie sich im Übrigen nicht ausnimmt. Genau deswegen wirkt sie keine Sekunde überheblich oder gar moralisierend, sondern hat die Lacher von der ersten Minute an auf ihrer Seite.

Bewusst überfährt sie gesellschaftliche Stoppschilder und jagt allem nach, was heutzutage ihrer Meinung nach falsch läuft. Stichwort Gesundheitswahn und Fitness-Kult: „Früher musste der Mensch am Laufband arbeiten, heute will er darauf laufen“, skandiert sie, oder zum Joggen und der anschließenden Belohnung in Form von Glückshormonen: „Nix ist gut, wenn es nur gut ist, wenn es vorbei ist!“ Sie begibt sich auf rutschiges Terrain zum Beispiel zum Thema Transsexualität: „Niemand fühlt sich wohl im eigenen Körper – auch ich bin in meinem gefangen“ und beackert augenzwinkernd die Partnerwahl ihrer weiblichen Geschlechtsgenossinnen: Das sei bei Frauen häufig so ein „Hausfrauending: Man will die Reste noch verwerten“.

Insofern verwundert es nicht, dass Lisa Eckhart auch schon einmal vor einem Auftritt wieder ausgeladen wurde – so geschehen vor anderthalb Jahren bei einem Literaturfestival – aus Sorge vor Protesten gegen mutmaßlich antisemitische und rassistische Inhalte ihres Programms.

Beißender Humor

Wer jetzt, anderthalb Jahre später, die Veranstaltung im „K“ miterlebt, ist es ihr schuldig, genau hinzuhören: Lisa Eckhart legt ihren Finger tatsächlich in die Wunde, und für manch einen bohrt sie ihn zu tief. Aber sie heilt den Schmerz ihres beißenden Humors stets mit Augenzwinkern, wärmender Stimme und superber Wortakrobatik. Als Kabarettistin sollte, ja, muss sie Reizthemen aufgreifen. Daraus jedoch willkürlich Einzelnes herauszugreifen und zu einer anderen Wahrheit zu stricken, wird der Künstlerin nicht gerecht. Denn so lautet nun einmal der Vertrag zwischen Lisa Eckhart und ihrem Publikum: Wer einen Abend mit ihr besucht, erwartet „Watschn“ am laufenden Band – und bekommt sie.