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„Wichtig ist jetzt der Blick nach vorne“

Jan Trost startet in seine zweite Amtszeit als Marbacher Bürgermeister. Archivfoto: Wolschendorf
Jan Trost startet in seine zweite Amtszeit als Marbacher Bürgermeister. Foto: Wolschendorf
Mit der Verpflichtung im Rahmen einer Gemeinderatssitzung beginnt am 15. April offiziell die zweite Amtszeit von Jan Trost als Marbacher Bürgermeister. Nach einem emotionalen Wahlkampf und einer knappen Entscheidung erst im zweiten Wahlgang, mit einer Opposition aus Grünen und CDU im Gemeinderat, kann man nicht von einem Traumstart sprechen. Dazu hat die Stadt teure Großprojekte vor der Brust

marbach. Herr Trost, sehen Sie den Beginn Ihrer zweiten Amtszeit eher als Neustart oder als Fortsetzung der ersten acht Jahre?

Jan Trost: Sowohl als auch. Auf der Sachebene sind viele Projekte schon angeschoben und laufen, beispielsweise der Gesundheitscampus, die Sanierung der Fußgängerzone und auch das Thema Gartenschau. Auf der persönlichen Ebene ist nach der Kritik der letzten Monate an der ein oder anderen Stelle sicherlich ein Neustart notwendig.

Um beim Stichwort Fortsetzung zu bleiben: Kann es denn einfach nur so weitergehen, wenn man sich zum Beispiel Ihre erste Sitzung nach der Wahl anschaut, die ja ziemlich turbulent war und bei der Sie sich auch einiges an Kritik anhören mussten?

Wie bereits gesagt, darf es in manchen Bereichen nicht einfach so weitergehen. Deshalb habe ich schon Gespräche geführt, um Themen aufzuarbeiten, und weitere werden folgen. Ich denke, wichtig ist der Blick nach vorne, die Bürgerinnen und Bürger erwarten eine Zusammenarbeit im Sinne der Stadt, denn es stehen sehr viele Herausforderungen an. Dafür müssen Verwaltung und Gemeinderat alle Kräfte bündeln. Der Wahlkampf war intensiv, er ist demokratisch abgeschlossen worden, jetzt gilt es nach vorne zu schauen. Dabei dürfen die geäußerten Kritikpunkte aber nicht vergessen werden.

Gleich nach der Wahl hatten Sie ja Gespräche mit Grünen und CDU angekündigt, haben die demnach jetzt auch stattgefunden?

Das Gespräch mit den Grünen hat bereits stattgefunden, mit der CDU war ein Termin vereinbart, der aber verschoben werden musste. Ein neuer Termin steht. Wenn Kritik sachlich geäußert wird und wenn sie berechtigt ist, ist das vollkommen in Ordnung, das ist in jeder Kommune so. Und ich glaube, das muss der Weg sein: Wenn etwas nicht gut läuft, muss man sich austauschen und versuchen, es besser zu machen.

Gibt es denn einen Kritikpunkt, bei dem Sie sagen, ja, da hätte man etwas anderes sagen, anders handeln müssen?

Gut, das, was Frau Breitenbücher (die Vorsitzende der CDU-Fraktion, Anm. d. Redaktion) zum Umgang mit dem Bürger gesagt hat, der in der Fragestunde so emotional aufgetreten war und gegen einen städtischen Mitarbeiter vom Leder gezogen hatte, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe, kann man so sehen. Meine Intention war eher, dem Mann mit dem Vorschlag eines gemeinsamen Ortstermins den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Es war ja nun immer wieder die Rede von Gräben, einerseits zwischen Ihnen und Teilen des Gemeinderats, andererseits auch innerhalb des Gremiums. Nehmen Sie diese Gräben wahr?

Man muss die Sachebene von der persönlichen Ebene trennen. Wir haben in der letzten Gemeinderatssitzung Sachthemen wie den Energie- und Technologiepark oder Hilfen für die Innenstadthändler gut abgearbeitet. Damit haben wir gezeigt, dass wir in der Sache konstruktiv zusammenarbeiten können. Das bedeutet aber nicht, dass immer alle einer Meinung sind, Demokratie lebt ja auch von der Vielfalt. Aber es muss wohl noch etwas Zeit verstreichen, bis sich die Situation beruhigt hat.

Aber bemerkenswert war ja schon, dass mit Hendrik Lüdke einer Ihrer Unterstützer den Grünen-Stadtrat Sebastian Engelmann für dessen Kritik an Ihrer Klimaschutzpolitik gemaßregelt hat. Da könnte man ja schon den Eindruck gewinnen, Sie können sich nicht selber wehren...

Dem ist nicht so. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern, sowohl Herr Engelmann als auch Herr Lüdke. Wichtig ist es, den Blick nach vorne zu richten, wieder Ruhe in das Gremium insgesamt zu bekommen, zu schauen, dass man an der Sache orientiert diskutiert.

Dann lassen Sie uns doch bei der Sachpolitik bleiben. Was würden Sie als die drei wichtigsten Themen im kommenden Jahr nennen?

Etwas völlig Neues werden wir nicht angehen, das ist auch Tenor im Gemeinderat, unsere angelaufenen Projekte binden sehr viel Geld und Kapazitäten. Aber wir haben vom Land jetzt Fördermittel für die Sanierung der Grundschule bekommen, die wird in den Sommerferien beginnen und ist auf mehrere Jahre angelegt. Dann haben wir – die Sanierung des Bildungszentrums hinzugenommen – die Schulen in der Kernstadt auf einem sehr guten Niveau. Aber für uns entscheidend ist zum Beispiel auch noch der Gesundheitscampus beim ehemaligen Krankenhaus, für den es jetzt einen städtebaulichen Wettbewerb geben soll. Es wird eine große Aufgabe sein, das Gelände auch architektonisch ansprechend zu gestalten; federführend sind dabei aber der Landkreis und die Kliniken-Holding. Und in Sachen Gartenschau müssen wir auch mit dem Rahmenplan samt breiter Bürgerbeteiligung weitermachen. Bis 2033 sind es zwar noch zwölf Jahre hin, aber die Zeit für die Planung ist trotzdem sehr knapp.

Als gewisser kommunalpolitischer Schwerpunkt zeichnet sich der Stadtteil Rielingshausen ab. Werden da Entwicklungen nachgeholt?

Da haben wir schon in den letzten acht Jahren Impulse gesetzt, die Zahl der Einwohner ist um 300 gestiegen. Das bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Das Thema Ärzteversorgung wird kommen, bei der Grundschule hat sich das Blatt vollkommen gewandelt. Vor sechs Jahren haben wir noch um ihren Fortbestand gebangt. Jetzt haben wir innerhalb kürzester Zeit einen Jahrgang mit 47 Kindern, der zweizügig sein wird. Wir sind gerade dabei, uns Grundstücke zu sichern, damit wir die Schule bei Bedarf erweitern können. Außerdem brauchen wir einen Standort für eine dritte Kinderbetreuungseinrichtung.

Zumal ja auch das Neubaugebiet Keltergrund in die Realisierung geht...

Ja, ich gehe davon aus, dass die Bevölkerungszahl in Rielingshausen auch in den nächsten Jahren kontinuierlich wachsen wird.

Die Frage, wie vor allem bezahlbare Wohnungen geschaffen werden können, war ja auch im Wahlkampf ein großes Thema. Gleichzeitig liegen die Pläne für das Neubaugebiet Kreuzäcker im Osten Marbachs weiterhin auf Eis, oder?

Die Gespräche mit den Beteiligten laufen weiterhin, aber die Konstellation ist nicht so, dass man sagen könnte, in ein, zwei Wochen macht man einen Knopf an die Sache. Da sind viele Interessenlagen unter einen Hut zu bringen. Wir haben in den Haushaltsplan 2021 noch ein weiteres Wohnbauprojekt in der Poppenweiler Straße aufgenommen. Dort werden wir analog zum Wohngebäude für Asylbewerber ein zweites Haus mit preiswerten Wohnungen bauen. Das ist sehr wirtschaftlich und mit Zuschüssen vom Land auch für uns finanziell darstellbar.

Die städtischen Finanzen sind ein sehr schwieriges Thema in diesem Jahr, eine Kreditaufnahme in Höhe von 18 Millionen Euro ist erforderlich. Wie sehen Sie die mittelfristige Entwicklung?

Mit solchen Kreditraten kann es nicht weitergehen, das ist klar. Wir haben jetzt eine Sondersituation durch viele laufende Großprojekte. Laut Finanzplanung wird aber das Ganze in Zukunft wieder in vernünftigeren Bahnen laufen.

Glauben Sie denn, dass sich vor allem die Einnahmen wieder auf ein Vor-Corona-Niveau einpendeln werden?

Ich bin da optimistisch, weil wir in Marbach viele eigentümergeführte Mittelständler und keine Großkonzerne haben. Sehr wichtig für uns ist die Erweiterung des Energie- und Technologieparks am Neckar, verbunden mit dem Bau der Netzstabilitätsanlage der EnBW, der Ansiedlung der Firma Jetter und der Erweiterung der Firma Leopold. Das wird uns hoffentlich wieder auf das Niveau vor der Krise führen mit Gewerbesteuereinnahmen von rund sechs Millionen Euro jährlich.

Auch im Bereich der Rielingshäuser Straße wird es eine Veränderung geben, das Autohaus Betz stellt seinen Betrieb ein, die Lidl-Gruppe hat das Grundstück bereits gekauft. Hat die Stadt denn noch Einfluss darauf, was in diesem Bereich passieren wird?

Das Heft des Handelns hat die Stadt, und zwar über das Baurecht. Wir können dort entscheiden, was passiert und was nicht passiert. Wir sind im Gespräch mit Vertretern von Lidl und wollen versuchen, das gemeinschaftlich zu entwickeln und eine gute Lösung für die Stadt zu finden, ohne irgendwelche Einrichtungen in der Innenstadt zu gefährden durch Entwicklungen, die dort stattfinden können. Das ist Lidl bekannt, und ich denke, wir werden da auch eine gute Lösung finden, wenn auch keine kurzfristige. Perspektivisch bietet das Areal natürlich auch städtebauliche Chancen.