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Wie geht es weiter an den Schulen?

Maskenpflicht im Unterricht ist nun auch für Grundschulen im Gespräch. Foto: dpa
Maskenpflicht im Unterricht ist nun auch für Grundschulen im Gespräch. Foto: dpa
Kommende Woche wollen die Bundesregierung und die Länderchefs konkrete Beschlüsse über die Corona-Regeln in diesem Winter fassen. Dabei wird es auch um die Schulen gehen. Im Raum steht unter anderem eine Maskenpflicht für alle Schüler, auch an Grundschulen. Außerdem sollen Klassen halbiert und in festen Gruppen hybrid unterrichtet werden. Geht das?

Ludwigsburg. Unsere beiden Redakteurinnen Janna Werner und Julia Essich-Föll sind beide Mütter schulpflichtiger Kinder. Sie haben zum Thema Hybrid-Unterricht ihre ganz eigene Meinung. Lesen Sie hier ein Pro und Kontra.

Pro: Lieber hybrid als gar nix, von Janna Werner

Es ist gut, dass die Kinder zur Schule gehen – nur leider kann man sich nicht darauf verlassen. Mal geht die ganze Klasse wegen eines Covid-Falls in Quarantäne, dann fehlt der Lehrer, der sich beim derzeitigen Stand nicht mit Online-Unterricht in das Klassenzimmer seiner Klasse einschalten kann. Das Resultat: Hohlstunde, Stillarbeit. Und einer der gerade noch aufrecht stehenden Lehrer fehlt woanders, weil er Aufsicht hat.

Ist die Klasse heimgeschickt worden, gibt es, wenn es gut geht, ein paar Arbeitsblätter im Cloud-Speicher, der bereits im Frühjahr als Behelf diente. Im schlechtesten (Normal-)Fall haben die Kinder halt ein paar Tage frei oder länger, je nachdem, wie lange der PCR-Corona-Test des Schülers mit Verdachtsfall dauert – und das kann dauern, weil Schülertests nicht bevorzugt werden.

Also bitte hybrid. Als Krücke, und etwas anderes kann man leider nicht erwarten, mit geteilten Klassen und im Wechsel von Präsenz und zu Hause. Ja, was haben sich die Kinder gefreut, als sie wieder in die Schule durften. Erst mit der Hälfte ihrer Klasse, danach mit allen Freunden. Jetzt sitzen sie mit Maske in der Klasse, nachdem sie im Bus aneinandergepresst wie Sardinen dort ankamen. Mit der erneuten Teilung der Klassen würde dieses Problem gelöst. Die Reduzierung der Fahrgäste ist die einzige Lösung, genug Busse wird es nie geben.

Und es geht nicht nur um Schüler. Die vollen Schulen gefährden auch das Personal, also Lehrer, Sekretärinnen, Hausmeister. Die Quote, wie viele Menschen ein Einzelner ansteckt, steigt kontinuierlich. Die Ausfälle der Lehrer – die als Erwachsene eine Covid-19-Infektion nicht so leicht wegstecken respektive schwer erkranken – zeigen, dass das System längst wackelt. Beim Zusammenbruch wären die Schulen zu.

Ja, die Vorstellung, sich erneut im Homeoffice (wenn möglich) mit dem Homeschooling der Kinder zu beschäftigen, nebenher Haushalt, Essen und Hausaufgaben, ist ein wahrer Horror. Das kann man nicht wollen. Einen zerstückelten Schulalltag, bei dem man jeden Tag feiert, den das Kind in der Schule ist, und spontan auf Ausfälle reagieren muss, aber auch nicht.

In der ersten Coronawelle war die digitale Welt eine Art Experimentierfeld, mal erfolgreicher, mal nicht. Hinzu kommen zahllose Kinder, die hinten runterfielen. Das Hybride hat da schon geholfen, hoffentlich auch den Kindern, die zu Hause von unfähigen Eltern malträtiert werden. Wir haben gelernt. Die Endgeräte kommen langsam bei den infrage kommenden Schülern an. Und die Schulen – gewöhnt daran, nicht auf die Maßgaben einer Kultusministerin zu warten, die im Wahlkampf dem schwankenden Rohr im Winde gleicht – waren nicht untätig. Medienkompetenz ist immer weniger eine abstrakte Pädagogenblase. Genug des Lobs: Die Eltern haben ein Recht auf guten Digitalunterricht. Ob ganz oder halb, spielt keine Rolle.

Kontra: Bitte alle zur Schule, von Julia Essich-Föll

Lasst die Kinder bitte weiterhin zur Schule. Und zwar alle! Wir haben im Frühjahr erlebt, wie Homeschooling geht – oder auch nicht. Wir haben vor den Sommerferien gesehen, wie Unterricht im Zwei-Schicht-Betrieb läuft – oder auch nicht. Und wir haben erlebt, wie gut es ist, dass jetzt alle wieder zur Schule gehen. Sogar die Kinder selbst haben das Ende der Sommerferien gefeiert wie sonst den Beginn derselben.

Es ist gut, dass die Kinder wieder zur Schule gehen. Denn der Fernlernunterricht nimmt nicht alle Schüler mit. Die Schwachen, das haben wir im Frühjahr gesehen, werden abgehängt. Deren Lern-Abstand würde sich noch weiter vergrößern, eine Lücke, die nicht schnell zu schließen ist und die den gesamten Lehrplan-Rhythmus durcheinanderwirbelt wie ein Herbststurm das Laub.

Es ist gut, dass die Kinder wieder zur Schule gehen, denn das Tablet ist kein guter Lehrer. Schüler brauchen reale Lehrer, solche, die motivieren, die zur Konzentration rufen, die sehen, wenn jemand inhaltlich abdriftet, die mal einen Spaß machen und damit bei Laune halten, die Identifikationsfigur sind und Lernpartner. Nebenbei bemerkt: Selbst Steve Jobs, der Gründer von Apple, gab seinen Kindern kein iPad in die Hand, generell habe er für seine Kinder die Nutzung von Technologie stark eingeschränkt, erzählte er mal in einem Interview.

Es ist gut, dass die Kinder wieder zur Schule gehen, denn mit der Digitalisierung ist es immer noch nicht allzu weit. Solange es im Landkreis Schulen gibt, deren Internetverbindung so löchrig ist wie die Osterholzallee kurz vor Asperg, braucht man gar nicht anfangen, digital zu unterrichten. Solange das Land nicht wirklich in gute Software investiert und Lehrkräfte entsprechend fortbildet, ähnelt die Digitalisierung an Schulen dem experimentellen Kochen ohne Rezept. Das kann gut gehen, muss aber nicht.

Es ist gut, dass die Kinder wieder zur Schule gehen, denn dort treffen sie ihre Freunde. Wenn alle anderen Begegnungen immer weiter eingeschränkt werden, gewinnt das immer mehr an Bedeutung.

Es ist gut, dass die Kinder wieder zur Schule gehen, denn das gibt Struktur. Auch den Eltern. Wenn Kinder nun wieder partiell, aber regelmäßig Fernlernunterricht haben, bedeutet das für Eltern nicht selten ebenfalls Homeoffice oder Urlaub. Nicht jeder hat diese Möglichkeit. Schon gar nicht nach diesem Frühjahr, das insbesondere den Eltern sehr viel abverlangt hat.

Lasst die Kinder also bitte alle weiterhin zur Schule. Wenn klassenweise Quarantäne angesagt ist, dann lässt sich das überbrücken. Denn die ist zeitlich begrenzt. Und damit können wir leben. Schüler und Eltern.