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„Wir hatten keinen Anlass, an der Sicherheit der Einlagen zu zweifeln“

Die Greensill Bank in Bremen ist pleite – und damit sind auch die Einlagen von über 50 Kommunen bundesweit gefährdet. Sachsenheim ist eine davon. Foto: Sina Schuldt/dpa
Die Greensill Bank in Bremen ist pleite – und damit sind auch die Einlagen von über 50 Kommunen bundesweit gefährdet. Sachsenheim ist eine davon. Foto: Sina Schuldt/dpa
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350_0900_31315_kr_kskx.jpg Foto: Alfred Drossel
Der Stadt Sachsenheim und dem Zweckverband Eichwald drohen durch die Pleite der Greensill Bank Verluste von bis zu drei Millionen Euro. Sachsenheims Bürgermeister Holger Albrich verteidigt im LKZ-Interview den Deal: „Wir hatten zum Anlagenzeitpunkt keinen Anlass, an der Sicherheit der Einlagen zu zweifeln.“

Sachsenheim. Herr Albrich, wann haben Sie davon erfahren, dass mit Greensill etwas faul sein könnte?

Holger Albrich: Von möglichen massiven Problemen bei der Greensill Bank habe ich erst durch die Berichterstattung hierzu Anfang März erfahren. Dabei ging es zunächst um die Insolvenz der Muttergesellschaft. Am Tag darauf verhängte dann die BaFin das Moratorium über die Greensill Bank.

Warum haben Sie als Stadt eine Million Euro und über den Zweckverband Eichwald zwei Millionen Euro bei Greensill angelegt?

In den vergangenen Jahren wurde es für die Kommunen und Zweckverbände deutlich schwieriger – so sie dazu überhaupt in der Lage sind, Geld anzulegen. Durch die Nullzinspolitik und die Senkung der Freigrenzen der öffentlichen Geldinstitute fallen schon seit einiger Zeit hohe Negativzinsen an. Diese belasten den oftmals ohnehin bereits angespannten Haushalt, ohne dass die Kommune respektive der Zweckverband dadurch einen Gegenwert erhielten. Dies stellt die Verwaltung vor die Verantwortung, möglichst kein Geld durch Negativzinsen zu verlieren, gleichzeitig aber die liquiden Mittel so sicher wie möglich anzulegen.

Hätten Sie das Geld nicht auch bei öffentlichen Geldinstituten anlegen können?

Öffentliche Geldinstitute bieten zwar eine Einlagensicherung, nehmen aber von Kommunen seit geraumer Zeit keine mittelfristigen Finanzeinlagen mehr an, sondern nur langjährige. Sachsenheim und der Zweckverband Eichwald müssen aber in ihrer Finanzplanung flexibel bleiben. Deshalb kommen langfristige Anlagen nicht infrage. Auf der anderen Seite sind Einlagen von Kommunen bei Privatbanken seit 2017 nicht mehr gesichert. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt entschieden, auch nach 2017 Geld bei Privatbanken mit gutem Rating anzulegen. Die Kommunen müssen sich auf das Rating verlassen können.

Hatten Sie keine Zweifel an der Sicherheit?

Zum Anlagezeitpunkt hatten die Stadt Sachsenheim und der Zweckverband aufgrund des Ratings „A minus“ keinen Anlass, an der Sicherheit der Einlagen zu zweifeln. Die liquiden Mittel der Stadt liegen bei rund 28 Mio. Euro, die des Zweckverbands bei rund 20 Mio. Euro. Diese Mittel werden in den nächsten ein bis drei Jahren für die teilweise schon beauftragten Maßnahmen benötigt.

Wann war das und wie sahen die Konditionen aus?

Die Stadt hat am 6.Februar 2020 eine Million Euro mit einer Laufzeit von 30 Monaten zu 0,45 Prozent angelegt. Der Zweckverband hat jeweils am 9.April 2020 und am 16.Mai 2020 eine Million zu 0,65 Prozent und 0,83 Prozent und einer Laufzeit von 30 und 43 Monaten angelegt.

Wie ist der Deal eingefädelt worden? Wer ist auf Sie zugekommen, um das Geld anzulegen?

Die Stadt und der Zweckverband Eichwald bedienen sich mehrerer Finanzberater, über die Angebote zu Geldanlagen eingeholt werden. So war das auch in diesem Fall.

Wie wurde die Anlage geprüft? Hat das Ihr Kämmerer gemacht oder Sie selbst?

Von Finanzdienstleistern haben die Stadt Sachsenheim und der Zweckverband Eichwald regelmäßig, insbesondere zu den Steuerterminen, eine Angebotsübersicht erhalten. Hatte die Stadt Sachsenheim oder der Zweckverband Eichwald Liquidität zum Anlegen, wurde an die Finanzdienstleister eine Angebotsanfrage versendet. Die Angebote wurden dann anhand der Anlagenrichtlinie geprüft. Kriterien für eine Anlage waren dabei die entsprechenden Ratings wie auch die Mitgliedschaft des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken.

Wurde der Gemeinderat eingebunden?

Der Gemeinderat hat am 5. Oktober 2017 die Anlagerichtlinien der Stadt beschlossen. Diese wurden mit Beschluss vom 21. Mai 2019 geändert, wobei die Änderung die hier gegenständlichen Anlagen nicht betraf.

Welche Sicherungen sind dabei vorgesehen gewesen?

Grundlage für die Geldanlage der Stadt ist ein gutes Rating bei einer anerkannten Rating-Agentur. Außerdem ist die Mitgliedschaft der Bank beim Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken Voraussetzung für eine Anlage. Zwar profitiert die Stadt nicht mehr unmittelbar von der Ausfallsicherung, aber durch die Mitgliedschaft unterwerfen sich die Banken besonderen Prüfverpflichtungen gegenüber dem Einlagensicherungsfonds.

Warum haben Sie diese Summen gewählt? Stand noch mehr im Raum?

Die Stadt war sich beim Erlass der Anlagerichtlinien bewusst, dass auch ein gutes Rating keine 100-prozentige Sicherheit bietet. Daher wird das Risiko weiter durch eine maximale Anlagesumme begrenzt. Nach den Anlagenrichtlinien dürfen bei jeder Privatbank grundsätzlich maximal 1 Million Euro, im Einzelfall maximal bis zu 3 Millionen Euro angelegt werden.

Wie lief das beim Zweckverband Eichwald? Hat die Zweckverbandsversammlung die Anlage genehmigt? Gab es damals kritische Stimmen?

Nach der Verbandssatzung des Zweckverbandes Eichwald bin ich als Verbandsvorsitzender Leiter der Verbandsverwaltung und damit zuständig für die Geschäfte der laufenden Verwaltung. Dazu gehört auch die Verwaltung und Anlage der liquiden Mittel. Dabei werden die geltenden Anlagenrichtlinien der Stadt Sachsenheim zugrunde gelegt.

Sie sind Vorsitzender des Zweckverbands. Wie haben Ihre Kollegen auf die Nachricht von der Pleite reagiert?

Die Kollegen waren genauso überrascht und schockiert wie ich.

Wie stehen die Chancen, dass Sachsenheim und der Zweckverband das Geld zurückbekommen?

Dazu können wir aktuell keine seriöse Einschätzung abgeben. Das wird sich erst im weiteren Verlauf des Verfahrens zeigen.

Sie haben sich mit 50 anderen Kommunen bundesweit zusammengeschlossen, um sich gegen den drohenden Ausfall zu schützen und gemeinschaftlich vertreten zu lassen? Wie ist Ihre Strategie?

Durch den Zusammenschluss sollen die Interessen der Kommunen gebündelt und gemeinsam im Insolvenzverfahren vertreten werden. Gemeinsam sollen auch weitergehende Haftungsansprüche gegenüber Dritten geprüft werden. Der Zusammenschluss gewährleistet einen zügigen Informationsfluss und dass alle Kommunen denselben Informationsstand haben. Die baden-württembergischen Kommunen stehen über einen von ihnen ausgewählten Rechtsanwalt mit den anderen auf Bundesebene betroffenen Kommunen im Austausch. Diese Untergruppierung macht Sinn, da der kommunalrechtliche Rahmen in Baden-Württemberg sich stark von anderen Bundesländern unterscheidet.

Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick hat den Kommunen vorgeworfen, dass sie das Angebot nicht richtig geprüft und „einfach auf das beste Angebot zurückgegriffen“ hätten. Waren die Kommunen einfach zu gierig in Zeiten niedriger Zinsen?

Die Aussagen von Herrn Schick kann ich nicht nachvollziehen. Wie ich bereits dargestellt habe, war die Sicherheit für uns bei der Anlage immer das wichtigste Kriterium. Die Greensill Bank wurde bis kurz vor dem Moratorium von der Rating-Agentur und den Wirtschaftsprüfern als solide und vertrauenswürdig bewertet.

Welche Auswirkungen hat die Pleite für die Stadt Sachsenheim?

Kurzfristig, in diesem Jahr, hat die Insolvenz auf uns keine Auswirkungen. Aber in den Folgejahren wird uns unter Umständen ein sehr großer Geldbetrag fehlen. Gerade in unserer aktuellen Haushaltslage ist der Verlust sehr schmerzlich.

Im aktuellen Haushalt mussten Sie Kredite von sieben Millionen Euro aufnehmen, um den Haushalt auszugleichen. Wie passt es da, eine Million Euro bei einer Bank wie Greensill anzulegen?

Im Haushaltsplan muss die Finanzierung der geplanten Maßnahmen gesichert werden. Nach den Planwerten benötigen wir für die Finanzierung die Kredite. Wir haben aber bereits seit Jahren die Situation, dass sich geplante Maßnahmen verzögern oder verschieben. Zum Beispiel weil der Bau länger dauert oder Projekte erst später begonnen werden können. Die Maßnahmen sind dann teilweise durch die Haushalte der Vorjahre bereits finanziert, aber das Geld ist noch nicht abgeflossen. Das sind Mittel in Höhe von derzeit 28 Millionen, die zum großen Teil bereits vertraglich gebunden sind, aber erst in den nächsten ein bis drei Jahren abgerufen werden.

Haben Sie noch andere Anlagen? Und wenn ja, wo?

Die Stadt hat noch 16 Millionen Euro angelegt und der Zweckverband Eichwald 15 Millionen Euro bei verschiedenen Geldinstituten.

Sie sagen, dass sich ein möglicher Ausfall der Millionen-Anlage erst in der mittelfristigen Finanzplanung auswirkt. Welche Auswirkungen sind das?

Möglicherweise können bestimmte Projekte nicht umgesetzt oder müssen verschoben werden oder ist eine höhere Kreditaufnahme notwendig.

Welche Konsequenzen hat ein möglicher Ausfall der zwei Millionen-Anlagen für den Zweckverband?

Bei einem Ausfall würden die Ausschüttungen an die Verbandskommunen sich entsprechend verringern.

Wer ist dafür haftbar?

Haftungsansprüche gegen Mitarbeiter sind nach einer internen Prüfung nicht erkennbar. Die Anlagen wurden nach den kommunalwirtschaftlichen Vorgaben getätigt und entsprachen den geltenden und anwendbaren Anlagerichtlinien. Noch dazu war die Greensill Bank AG zum Zeitpunkt der Anlagen der Stadt Sachsenheim und des Zweckverbands Eichwald mit dem Rating „A minus“ versehen und lag somit in keiner Weise im spekulativen Bereich. Bedenken oder Hinweise von den Anlagevermittlern kamen keine, die Schließung der Greensill Bank AG war nicht vorhersehbar.

Werden Sie Ihre Anlagestrategie überdenken?

Wir werden diesen Fall zum Anlass nehmen, unsere Anlagestrategie zu überprüfen. Wir überprüfen ständig unsere Anlagen und tun dies nun angesichts der Greensill-Insolvenz noch intensiver und umfassender. Allerdings sind uns hier Grenzen gesetzt, wie gerade der Fall Greensill zeigt. Vor Betrug, wie er hier im Raum steht, ist niemand gefeit.