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Geschichte
Zwei Eichen für den Eisernen Kanzler

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Über diesen Ort ist die Geschichte hinweggegangen: Vor 101 Jahren wurden die Eichen auf dem Bismarckplatz gepflanzt, dort stehen die Bäume bis heute.Fotos: Friedrich Haußer/Janina Rodeit
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Über diesen Ort ist die Geschichte hinweggegangen: Vor 101 Jahren wurden die Eichen auf dem Bismarckplatz gepflanzt, dort stehen die Bäume bis heute.Fotos: Friedrich Haußer/Janina Rodeit
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Nadine Semder vom Fachbereich Tiefbau und Grünflächen, die beiden Schülerinnen Jana Deutsch und Faduma Khaire sowie ihr Lehrer Uwe Jansen (von links).Foto: Janina Rodeit
Vor 101 Jahren pflanzte die Stadt zu Ehren Bismarcks zwei Eichen an der Bismarckstraße. Die gerieten mit den Jahren in Vergessenheit. Schülerinnen des Goethegymnasiums haben nun dafür gesorgt, dass die beiden Bäume ins Bewusstsein Ludwigsburgs zurückkehren.

Ludwigsburg. Jahrzehntelang standen die beiden riesigen Bäume an der Bismarckstraße und kaum jemand wusste um ihre Geschichte. Zwar werden die beiden Eichen in der chronologisch aufgebauten Stadtgeschichte von Dr. Albert Sting erwähnt, vor Ort fand sich aber keinerlei Hinweis.

Das ist jetzt anders. Unter Regie des Lehrers Uwe Jansen vom Goethegymnasium haben zwei Schülerinnen eine Tafel konzipiert, die jetzt von der Stadtverwaltung angefertigt und aufgestellt wurde. „Gemeinsam mit unserem Lehrer haben wir einen Ausflug zu den Bäumen gemacht. Ihre Geschichte fanden wir ziemlich interessant, aber es gab keinerlei Information darüber“, erzählt die Zwölftklässlerin Jana Deutsch. In der Stadtgeschichte von Sting, in alten Zeitungen und im Stadtarchiv hat sie dann gemeinsam mit Faduma Khaire die Geschichte der Bäume recherchiert.

Der 100. Geburtstag von Otto von Bismarck am 1. April 1915 hat in Ludwigsburg hohe Wellen geschlagen. Das zeigt ein Blick in die historischen Bände unserer Zeitung. Ende März 1915, also mitten im Ersten Weltkrieg, erfolgt im Gemeinderat der Beschluss, eine Bismarckfeier zu veranstalten. Stadtrat Barth stellt gleichzeitig den Antrag, zu Ehren des Reichskanzlers auf dem Hohenzollernplatz eine Eiche zu pflanzen.

Für die Festrede ist Garnisonspfarrer Stadelmann vorgesehen. Umrahmt werden soll die Feier von vier „dem vaterländischen Gedenktag prächtig angepassten Chören“, berichtet die Ludwigsburger Zeitung am 27. März 1915. Am selben Tag berichtet die Zeitung über eine Anfrage des Hofwerkmeisters Christian Haußer, der vorschlägt, die Eiche auf den Bismarckplatz am damaligen Ende der Bismarckstraße zu setzen. Der Familie Haußer gehört das Grundstück. Im Gemeinderat kommt die Idee gut an.

Einen Tag später berichtet die Ludwigsburger Zeitung von einer Diskussion über die Kosten der Feier. Mitten im Krieg, während die Lebensmittel knapp sind, die Leute keinen Kuchen backen dürfen – das gilt als Verschwendung – und Nahrungsmittel nur gegen Lebensmittelkarten zu bekommen sind, soll die Stadtkasse 350 Mark für die Feier aufbringen – zum Vergleich: Eine komplette Schlafzimmereinrichtung wird damals für 125 Mark in der Zeitung beworben.

Gemeinderat Neugebauer meint, dass es in der Bürgerschaft die Ansicht gebe, diese Feier sei nicht notwendig. Doch der damalige Oberbürgermeister Gustav Hartenstein unterbindet jede weitere Diskussion, da die Sache schon entschieden sei. Als Neugebauer nochmals zur Sache sprechen will, droht ihm der OB, das Wort zu entziehen. Daraufhin stellt Neugebauer den Antrag, die Kosten mit Rücksicht auf die angespannte Lage nicht zu genehmigen. Ein weiterer Stadtrat mit dem Namen Noz pflichtet ihm bei: Die Feier stehe ihm viel zu hoch. Doch der Antrag hat nur drei Befürworter.

Am 1. April wird groß über Bismarck und die deutschlandweiten Feiern berichtet. Der Gedenktag zielt ganz klar auf den Krieg und den Durchhaltewillen der Deutschen ab. Ganz vorne mit dabei ist die evangelische Kirche, die sich für gebührende Bismarckfeiern in „dieser gewaltigen und ernsten Zeit“ einsetzt.

Das Fest in Ludwigsburg findet zunächst in der geschmückten Turnhalle statt. Viele Bürger aus allen Schichten sind dabei, so der Nachbericht. Der Eröffnungschor singt: „Ein Mann, ein Wort“. Pfarrer Stademann beschwört in seiner Predigt den Kampfgeist der Deutschen: „Das Deutsche Reich steht und wird stehen.“ Und er erinnert an den „größten deutschen Staatsmann“, der das deutsche Volk geeint habe. Die Häuser in der Stadt sind beflaggt. In der Buchhandlung Aigner werden Bismarck-Bildnisse und Bismarckliteratur ausgestellt.

Nachmittags um 16 Uhr werden dann zwei Bismarckeichen auf dem Bismarckplatz gepflanzt. Der Sohn von Christian Haußer, der berühmte Ludwigsburger Architekt Friedrich Haußer, schießt nicht nur Fotos (oben links) von dem Ereignis, sondern versenkt unter einer der Eichen auch eine kupferne Kapsel. Die enthält ein Adressbuch, eine Beschreibung der Stadt und ihrer Bewohner, Brotmarken sowie mehrere Ausgaben der Ludwigsburger Zeitung. In dem Bericht vom Bismarckplatz ist von „einem schönen Blick über das Neckarland“ die Rede.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Der Bismarckplatz ist verschwunden. Die beiden Eichen stehen auf einem schmalen Grünstreifen Niemandsland. Aber die Tafel weist nun kurz auf die Bäume und ihren Hintergrund hin. Für den Lehrer Jansen hat dieses Projekt um einen vergessenen Erinnerungsort einen hohen didaktischen Wert. Egal wie man heute zu diesem Teil der deutschen Vergangenheit stehe, zeige dieser Ort, dass Bismarck eben mehr als nur eine Zubereitung für Heringe ist.

Da Eichen über 1000 Jahre alt werden können, will die Stadt die beiden Bäume in ihren Sanierungsplänen für die Bismarckstraße berücksichtigen, erklärt Nadine Semder von der Stadt. Im Jahr 2019 – dann soll die Straße erneuert werden – könnten die beiden Ludwigsburger Bismarckeichen also wieder etwas mehr Freiraum um ihren Stamm erhalten.