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Endspurt
„Ohren zuhalten und prusten!“

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Vollgas bei der Probe in großer Besetzung: Dirigent Hermann Dukek feilt am Klang des Sinofnieorchesters und der Chöre.Foto: Holm Wolschendorf
Hermann Dukek probt vor dem Jubiläumskonzert an diesem Samstag im Forum das Finale von Beethovens 9. Sinfonie

Kornwestheim/Ludwigsburg. „Freude“ prangt als Motto auf den Plakaten für das Jubiläumskonzert des Sinfonieorchesters Ludwigsburg mit Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie: Das Orchester feiert sein 60-jähriges Bestehen, und entsprechend intensiv sind die Vorbereitungen. Vor wenigen Tagen probten zum ersten Mal die beteiligten Chöre (mit Ausnahme des Ondrašék-Mädchenchors aus der tschechischen Partnerstadt Nový Jicín, der jedoch mittlerweile auch in der Stadt angekommen ist) und die Musiker gemeinsam.

 

„Freude“ ist natürlich auch das Schlagwort für den Schlusschor des Finales von Beethovens 9. Sinfonie. Im geräumigen, akustisch ansprechenden Festsaal des Kornwestheimer K wurde dieses Finale geprobt. Vor der Mittagspause waren die drei vorangehenden Orchestersätze dran, auch der Festmarsch „Slavnostni Pochod“ von Antonín Dvorák ist „im Kasten“, nun ist Zeit zum Einsingen für die Kantorei der Karlshöhe und den Ludwigsburger Motettenchor, die beide von ihren Dirigenten Nikolai Ott und Martin Kaleschke einstudiert wurden. Arme strecken, Zehenspitzen aktivieren, Aus- und Einatmen, Sprech- und Zischlaute, Lippenvibrato und Vokalisen: Ott übernimmt das Einsingen, Konzentration ist schon spürbar.

 

Als Hermann Dukek die Streicher und Bläser stimmen lässt, wird es mucksmäuschenstill. Der Dirigent des Sinfonieorchesters Ludwigsburg begrüßt die Choristen, klärt noch einige organisatorische Details. „Sie stehen auf im 4. Satz im Presto, bei der sogenannten Schreckensfanfare in Takt 210!“ Mit dem Dissonanzakkord in d-Moll des ganzen Orchesters im Takt 164 beginnt Dukek, singt die Antwort des Baritons – die Solisten Dominic Große, Natalie Karl (Sopran), Diana Haller (Alt) und Kai Kluge (Tenor) werden erst bei der Generalprobe dabei sein – leise mit: „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere!“ Das ganze Solistenquartett kann er, nach den ersten punktgenauen „Freude“-Choreinsätzen, natürlich nicht mehr mitsingen, jetzt geht es zügig weiter bis zu dem ekstatischen Chor-Fortissimo „Und der Cherub steht vor Gott“: Dudek hebt den Dirigentenstab, schaut nach hinten ins Eck, wo die Schlagzeuger stehen. „Das wäre euer Einsatz!“, sagt der Dirigent schmunzelnd, die drei Jungs von der Musikschule schauen etwas überrascht, aber beim zweiten Mal sind sie voll dabei. Beethovens Militärmarsch mit Großer Trommel, Becken und Triangel kommt auf Zack, und beim „Laufet, Brüder, eure Bahn / Freudig wie ein Held zum Siegen“ sind sie schon voll integriert in den prächtigen Orchester-Sound, ein gut auf einander abgestimmtes Trio.

 

Manche Stelle lässt Dukek auch mal a-cappella, also ohne Orchesterbegleitung, singen, achtet auf besondere Betonung, wie etwa beim Schlüsselwort von „Alle Menschen werden Brüder / Wo dein sanfter Flügel weilt“. Auch die Haltung ist ihm wichtig: „So werden Sie die Menschen nie erreichen“, demonstriert er mit dem Kopf in den Noten. „Aber wenn Sie über die Noten hinweg ins Publikum schauen…“ Und er nimmt sich auch Zeit für manche auflockernden Momente, fordert die Choristen einmal auf, selber wie ein Kontrafagott zu klingen: „Ohren zuhalten und prusten!“ Dann kommt ein wirklicher Gänsehautmoment, als in der 4. Variation dieser Ode an die Freude nach mehrfachem, leisem Ansatz und einem plötzlichen Crescendo der gesamte Chor im Tutti-Fortissimo zum ersten Mal sein „Freude, schöner Götterfunken“ aussingt.

 

Viele Teile werden mehrfach geübt, meist mit Angabe des Buchstabens in der Partitur. „Martha bitte mit Orchester“, heißt es da vom Dirigenten, oder der 1. Posaunist bittet um Wiederholung: „Der zweite Takt hinter Nordpol, da ist der Chor einfach zu sportlich!“ Am Ende von eineinhalb Stunden, die mit erstaunlich hoher Konzentration und Disziplin durchgehalten werden, gibt es eine Viertelstunde Entspannungspause vor dem Durchlauf des 4. Satzes. Ob es für Dukek eine Lieblingsstelle in Beethovens Neunter gebe? Ja, wenn die Celli nach den Reminiszenzen der vorangegangenen Sätze ihren geheimnisvollen Gesang piano anstimmen: In 24 Takten entfaltet sich das „Freude“-Thema unisono mit den Kontrabässen zu voller Größe. Wenn dann nach dem Tenorsolo „Froh, wie seine Sonnen fliegen“ die Doppelfuge im Orchester losbricht, ist das noch einmal eine starke Herausforderung für alle Musiker. Bestens vorbereitet dürften sie zusammen mit den Chören am kommenden Samstag im Ludwigsburger Forum eine spannende Aufführung bieten.

 

Info: Das Konzert mit Beethovens 9. Sinfonie im Forum beginnt am Samstag um 19 Uhr. Karten gibt es unter anderem beim LKZ-Ticketservice (Körnerstraße 14-18, Ludwigsburg) und in der NEB-Geschäftsstelle (Bahnhofstraße 8a, Besigheim).