Ära Kretschmann geht in die dritte Runde
Die Ära Winfried Kretschmann im Südwesten geht in die dritte Runde. Der grüne Übervater macht seine Partei groß und die CDU klein. Nun ist die große Frage: Beendet er Grün-Schwarz und wagt etwas Neues?
Die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben die Landtagswahl in Baden-Württemberg mit einem bundesweiten Rekordergebnis gewonnen und können sich die Koalitionspartner aussuchen. Die bisher mitregierende Südwest-CDU stürzte am Sonntag in ihrer einstigen Hochburg auf das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte.
Die grün-schwarze Koalition könnte zwar weiterregieren, die Grünen haben aber auch die Möglichkeit, mit SPD und FDP ein Ampel-Bündnis zu bilden. Nach Hochrechnungen der ARD vom Abend wäre auch eine Neuauflage der grün-roten Koalition denkbar, die zwischen 2011 und 2016 schon einmal regierte. Die AfD verliert deutlich und landet hinter SPD und FDP nur auf Rang fünf.
Sowohl Grün-Schwarz als auch eine Ampel hätten stabile Mehrheiten, dagegen hing Grün-Rot am seidenen Faden. Die Grünen landen nach der Hochrechnungen von Infratest dimap für die ARD von 22.22 Uhr bei 32,7 Prozent und hätten damit 56 Mandate. Die SPD käme demnach auf 11,2 Prozent und 19 Sitze. Das wäre zusammen eine Mehrheit von 75 von insgesamt 149 Sitzen. Grüne und SPD kämen auf 43,9 Prozent, während die anderen drei Parteien zusammen 44,0 Prozent hätten. Die CDU hätte demnach 23,8 Prozent, die AfD 9,8 Prozent und die FDP 10,4 Prozent.
Bei der Forschungsgruppe Wahlen (22.29 Uhr) reicht es dagegen knapp nicht für Grün-Rot. Die Grünen kommen demnach auf 32,7 Prozent, die SPD auf 11,0 Prozent, macht zusammen 43,7 Prozent. Sie kämen gemeinsam auf 77 Mandate, die Mehrheit liegt aber nach dieser Berechnung bei 78 Sitzen. Die CDU kommt laut ZDF auf 24,1 Prozent, die FDP auf 10,4 Prozent und die AfD auf 9,7 Prozent. Das wären zusammengerechnet 44,2 Prozent. Laut ZDF sind auch hier noch Verschiebungen aufgrund der Überhangmandate möglich. Ob Grün-Rot möglich wird, werde sich erst mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entscheiden.
Für die Grünen ist es in jedem Fall das beste Ergebnis auf Landes- und Bundesebene jemals. Vor fünf Jahren war die Ökopartei auf 30,3 Prozent gekommen. Die CDU rutscht in ein Rekordtief nach 27,0 Prozent im Jahr 2016. Die AfD verfehlt die starken 15,1 Prozent von vor fünf Jahren klar. Die SPD verliert noch mal nach 12,7 Prozent bei der letzten Wahl. Die FDP kann sich nach 8,3 Prozent 2016 deutlich steigern. Die Linke verfehlt mit 3,2 bis 3,5 Prozent klar den Einzug in den Landtag.
Kretschmann sagte, Baden-Württemberg brauche eine "verlässliche und stabile Regierung" die einen klaren Kompass habe. Am Abend sagte er im ZDF-"heute-journal", er werde "sehr ernsthafte Gespräche" führen. Es werde nicht "irgendwelche Scheintreffen" geben. Die Grünen wollen am Mittwoch zuerst mit der CDU sprechen und am Freitag dann separat mit SPD und FDP.
Der Wahlsieg der Grünen festigt die Vormachtstellung der Ökopartei in Baden-Württemberg, die Wahlforscher vor allem an der starken Stellung des Landesvaters Kretschmann festmachen. Dieser sei bei der Landtagswahl ein "überragender Faktor" gewesen. Ihm bescheinigten 80 Prozent aller Menschen im Land eine gute Arbeit. Er verkörpere wie kaum ein anderer den "idealtypischen Landesvater", analysierte die Forschungsgruppe Wahlen. Dagegen hat sich die über fast sechs Jahrzehnte dominierende CDU innerhalb von 15 Jahren fast halbiert, im Jahr 2006 lag sie noch bei 44,2 Prozent.
Vor zehn Jahren war Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt worden, nachdem Grün-Rot die schwarz-gelbe Koalition des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) überholt hatte. 2016 wurden die Grünen dann erstmals stärkste Partei, allerdings reichte es nicht mehr für eine Koalition mit der SPD. Kretschmann ging ein Bündnis mit der CDU ein. (dpa)