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Amtsgericht
Enthemmte Gewalt in der Arena-Toilette

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Vor dem Amtsgericht sind jetzt zwei junge Männer verurteilt worden. Sie haben auf der Faschingsparty in der MHP-Arena in Ludwigsburg einen 24-Jährigen krankenhausreif geschlagen. Warum die beiden bisher völlig unbescholtenen Männer dermaßen ausgerastet sind, blieb auch vor Gericht ein Rätsel.

Ludwigsburg. Dass die Zivilisation nur einen dünnen Firnis hat, unter dem die enthemmte Gewalt brodelt, ist kein Geheimnis. Vor dem Amtsgericht waren jetzt ein 28-jähriger Kaufmann und ein 25-jähriger Mechatroniker – beide aus Ludwigsburg – angeklagt. Der Vorwurf: gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung.

Der Fall ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zum einen durch seine Brutalität. Die beiden haben ihr Opfer – einen 24-jährigen Speditionskaufmann aus Freiberg – bei der Faschingsparty am 26. Februar in der MHP-Arena dermaßen übel zugerichtet, dass der junge Mann bis heute unter den Folgen leidet. Laut Anklage haben die beiden dem 24-Jährigen nach einem Streit auf der Toilette gegen 2.38 Uhr zunächst auf den Kopf und den Oberkörper geschlagen. Als der Speditionskaufmann zu Boden ging, sollen sie noch auf ihn eingetreten haben. Die Folgen: ein bis heute nicht völlig verheilter offener Nasenbruch, ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere Prellungen sowie zwei gesprungene Zähne. Der junge Mann lag nach dem Übergriff mehrere Tage im Krankenhaus, war wochenlang krankgeschrieben, die Arztkosten gehen in die Tausende.

Der Grund für diese enthemmte Gewalt konnte auch vor Gericht nicht mehr geklärt werden. Alle Beteiligten, die beiden Schläger, das Opfer und auch die drei vor Gericht geladenen Zeugen, waren zum Tatzeitpunkt stark betrunken.

Alle Beteiligten waren stark betrunken

Schon zu Hause hätten sie ordentlich mit Whiskey-Cola vorgeglüht, schildert der bieder wirkende 28-jährige Kaufmann vor Gericht. In der MHP-Arena hätten sie weitergetrunken. Auf der Toilette seien sein Freund und er dann ohne Grund von dem späteren Opfer, das sie zuvor noch nie gesehen hätten, angepöbelt worden. „Er hat mir einen Faustschlag verpasst.“ Was danach passiert sei, wie der junge Mann zu Boden ging und in die Bewusstlosigkeit geprügelt wurde, daran könne er sich nicht erinnern. „Das ging alles so schnell, ich weiß es nicht mehr.“

Nach der Tat sind die beiden Schläger zunächst wieder tanzen gegangen, bevor sie von Sicherheitsmitarbeitern zur Polizei gebracht wurden.

Die Schilderung des zweiten Täters brachte das Gericht auch nicht weiter. Auch er erinnert sich zwar daran, viel getrunken zu haben und auf der Toilette provoziert worden zu sein, „mehr kann ich aber auch nicht sagen“, so der 25-Jährige. Ob er nach der Provokation zugeschlagen habe, will die Richterin wissen. „Wahrscheinlich habe ich versucht, mich zu wehren“, erläutert der Mechatroniker zaghaft. An Tritte oder Faustschläge könne er sich aber nicht konkret erinnern. Das Opfer hat dagegen einen guten Grund, keinerlei Erinnerungen mehr an den Vorfall zu haben: die schweren Kopfverletzungen. „Ich erinnere mich nur noch, dass ich aufs Klo gehen wollte, dann bin ich im Krankenzimmer der Arena aufgewacht.“ Noch heute leide er unter dem Ereignis, könne schlecht schlafen, die Nase mache ihm Probleme beim Atmen, so der schüchterne 24-Jährige. Die Zeugen konnten den Vorfall zwar grob bestätigen, warum es zu dem schwerwiegenden Streit gekommen war, konnten aber auch sie nicht erklären. Ein 25-Jähriger aus Benningen, der zur selben Zeit auf der Toilette war, hatte zunächst das Wortgefecht gehört, kurz darauf lag das 24-jährige Opfer in einer Blutlache in der Mitte der Toilette. Er habe dann Sanitäter geholt.

Noch in der Verhandlung kam es dann zu einer ersten Einigung zwischen Tätern und Opfer. Diese waren bereit, dem 24-Jährigen 4000 Euro zu bezahlen, wenn er auf weitere Forderungen verzichte, wozu dieser bereit war. Die Anwälte der Angeklagten hofften dadurch auch darauf, dass ihre bisher völlig unbescholtenen und nie straffällig gewordenen Mandanten wegen eines „minderschweren Falles“ ohne eine Vorstrafe davonkommen.

Persönlich beim Opfer entschuldigt

Das sah die Staatsanwältin aber anders. Die rechnete den Angeklagten zwar an, dass sie vom Grundsatz her geständig waren, sich um Schadenswiedergutmachung bemühten und sich noch im Gerichtssaal bei dem Opfer persönlich entschuldigten, forderte aber wegen der Schwere der Verletzungen eine neunmonatige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, und neben der finanziellen Wiedergutmachung auch noch eine Geldbuße von zwei Monatseinkommen.

Mit einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, blieb die Richterin in ihrem Urteil nur knapp unter dieser Forderung. Außerdem müssen die beiden jungen Männer neben der Wiedergutmachung auch die Prozesskosten übernehmen und 3000 beziehungsweise 4000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen bezahlen. „Völlig unerklärlich“ sei ihr dieser Ausbruch der Gewalt, so die Richterin in ihrer Begründung.