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Engelbergtunnel
1000 Tonnen Stahl für mehr Stabilität

Der spätere Arbeitsbereich unter der Fahrbahn. Der Boden ist teilweise nass, weil mit Höchstdruck der Beton aufgeraut wurde, damit dort die Verankerungen für die Stahlträger befestigt werden können. Rechts der Medienkanal mit neu verlegter Löschwasse
Der spätere Arbeitsbereich unter der Fahrbahn. Der Boden ist teilweise nass, weil mit Höchstdruck der Beton aufgeraut wurde, damit dort die Verankerungen für die Stahlträger befestigt werden können. Rechts der Medienkanal mit neu verlegter Löschwasserleitung. Foto: Holm Wolschendorf
Jeder Arbeiter trägt einen „Selbstretter“, der Sauerstoff für 20 Minuten bietet.
Jeder Arbeiter trägt einen „Selbstretter“, der Sauerstoff für 20 Minuten bietet.
Ein Querschnitt einer Tunnelröhre mit verstärktem Boden und einer zusätzlichen Decke.
Ein Querschnitt einer Tunnelröhre mit verstärktem Boden und einer zusätzlichen Decke.
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Das Regierungspräsidium hat einen Einblick in einen Teil der Baustelle der ersten Sanierungsphase gegeben. Die Mengen, die dabei verbaut werden, sind enorm.

Gerlingen/Leonberg. Unablässig rauscht es über den Köpfen der kleinen Besuchergruppen, immer mal wieder dringen dumpfe Schläge durch den langen, hohen Gang. Doch was da, einige Meter unter der Fahrbahn des Engelbergtunnels, zu hören ist, sind nicht etwa die Bauarbeiter – sondern schlichtweg der Verkehr auf der A.81. 110.000 Fahrzeuge, davon rund ein Siebtel Lkw, brausen im Schnitt täglich durch die beiden Röhren, und das abgesehen von den Nachtstunden nahezu gleich verteilt. Die sonst für große Straßen eher üblichen Spitzenzeiten morgens und ab etwa 16 Uhr sind hier bei Weitem nicht so ausgeprägt, wohl auch, weil sich südlich des Engelbergtunnels eine weitere wichtige Achse anschließt, die A.8. Fakten, die der Baudirektor des Stuttgarter Regierungspräsidiums (RP) und Projektleiter Enrico Hinz nicht ohne Grund präsentiert. Es soll verdeutlichen, wie wichtig dieses vor 20 Jahren eingeweihte Bauwerk, damals mit rund 80.000 Fahrzeugen, ist – und wie sensibel ein Eingriff. Der geschieht seit September, wenngleich für viele Fahrer kaum spürbar.

Knochenjob im Abluftkanal

Während sie über den Asphalt brettern, wird rund um die Uhr unter ihnen gearbeitet – und zwar direkt. Denn auch der Engelberg arbeitet quasi und das aufquellende Anhydrit im Gestein drückt gegen die Verschalung. Betroffen ist ein 175 Meter langer Abschnitt jeder Röhre. „Nur sieben Prozent“, so der Leitende Baudirektor des RP, Reinhold Frenzl. „Auf 93 Prozent seiner Länge funktioniert der Tunnel hervorragend, auch in den anderen Anhydritbereichen.“ Damit das ab 2024 überall so ist, wird zum einen eine Decke eingebaut – die derzeit sichtbare Rundung verschwindet also, ebenso werden unter der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung große Stahlträger eingebaut, die diesen Druck auffangen sollen. Die Fahrbahn mit ihrer aktuellen Stärke von 50 Zentimeter wird so am Ende rund einen Meter dick sein.

Zahlen, die klein wirken, aber hinter denen enorme Massen stehen: 1000 Tonnen Stahlträger, jeder rund 300 Kilogramm schwer, werden von unten mit 15.000 Verbundankern befestigt. Sie werden in die zuvor mit Höchstdruckwasserstrahlen aufgeraute Betonfläche gebohrt – ein Knochenjob im sogenannten Abluftkanal. Zudem werden 3000 Kubikmeter Beton in den Tunnel eingebracht, und zwar durch Schächte von der Fahrbahnebene her.

„Bauphase 0“ nennen die Verantwortlichen diesen etwa sechs Monate dauernden Teil der viereinhalbjährigen Sanierung. Denn Verkehrseingriffe gibt es derzeit nur nachts, dann sind eine oder zwei Spuren gesperrt, damit an den Tunnelwänden gearbeitet werden kann. Immer wieder hat das RP das in den vergangenen Monaten betont, wenn das 130 Millionen Euro-Projekt vorgestellt wurde. Ebenso, dass man in den vier Jahren ab Frühjahr 2020 tagsüber alle Fahrspuren aufrechterhalte, wobei dann vorübergehend auch mal vier Spuren in einer Röhre sein werden, damit in der anderen besser am Rand gearbeitet werden kann. „Das ist die wichtigste Botschaft: Es gibt keine Sperrung von Fahrstreifen“, wiederholt Frenzl – eine Botschaft, hinter der ein „mindestens zweistelliger Millionenbetrag“ steckt.

Furcht vor Verkehrschaos

Doch ganz selbstlos hat man diese Lösung, die nur mit verengten Spuren und deshalb nötigen geringen Tempolimits sowie der rund fünf Millionen Euro teuren Verlegung von Löschwasserleitungen von der Tunnelwand in den Medienkanal unter der Fahrbahn funktioniert, wohl nicht umgesetzt. Denn in den Anrainerkommunen herrscht schon jetzt teilweise Verkehrschaos, wenn es auf der Autobahn ein Problem gibt, sei es nur ein Unfall mit Behinderungen auf ein, zwei Spuren, noch viel mehr während einer Röhrensperrung wegen eines Feueralarms. Mehrmals waren deshalb Vertreter des RP in den Gremien von Leonberg, Ditzingen und Gerlingen eingeladen, um das Verkehrskonzept zu präsentieren (wir berichteten). Kernstück sind verschiedene Verkehrsbeeinflussungsanlagen, teilweise schon am Karlsruher Dreieck und Kreuz Walldorf sowie am Weinsberger Kreuz, die unter anderem zeigen sollen, dass es schneller geht, wenn man trotz zähflüssigen Verkehrs auf der Autobahn bleibt und nicht durch die Orte fährt – ein Pilotprojekt des Landes, so Hinz. Er ist, wie er das schon in den kommunalen Gremien gesagt hatte, weiter in Gesprächen mit Anbietern von Navigationssystemen, die üblicherweise bei Stockungen Ausweichrouten über das nachgeordnete Straßennetz angeben, was das RP verhindern will.

Immerhin: Die Stadtoberhäupter von Leonberg und Gerlingen zeigen sich dankbar, dass die Sanierungsverantwortlichen von der ursprünglich angedachten Teilsperrung abgerückt sind. „Wobei man Staus nie ausschließen kann“, sagt Georg Brenner, und erinnert an die Zahlen zur Einweihung. Und sagt eher vorsichtig zu Frenzl und Hinz: „Ich wünsche Ihnen, dass möglichst viel reibungslos läuft. Alles wird wohl nicht klappen.“ Zumindest beim Zeitplan soll das aber so sein, ergänzt Amtskollege Martin Georg Cohn, und dankt in dem Zusammenhang dem RP für die hohen Vertragsstrafen für die an der Sanierung beteiligten Firmen, falls diese die Termine nicht einhalten. „Das sucht seinesgleichen“, sagt der Leonberger OB. „Damit können wir uns den Bau zwar nicht ruhig anschauen, aber immerhin mit ruhigem Gewissen.“