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Handel
„An Sinnlosigkeit nicht zu übertreffen“

Leonie Widmann kauft im Caféstüble Lutz am Ludwigsburger Marktplatz ein. Bäckereichef Florian Lutz überreicht der Studentin einen Kassenbon. Foto: Andreas Becker
Leonie Widmann kauft im Caféstüble Lutz am Ludwigsburger Marktplatz ein. Bäckereichef Florian Lutz überreicht der Studentin einen Kassenbon. Foto: Andreas Becker
Bäcker und Friseure kritisieren Kassenbonpflicht für Verkäufer und Dienstleister ab Januar – Mehr Papiermüll und höhere Kosten durch Vorschrift

Kreis Ludwigsburg. Der „größte Mist“ sei das neue Gesetz und „dumm“ die Begründung, es einzuführen: Uwe Volz, Obermeister der Friseurinnung Ludwigsburg–Stuttgart–Bietigheim-Bissingen, findet klare Worte zum Kassengesetz. Das schreibt Verkäufern und Dienstleistern mit einer elektronischen Kasse, etwa Friseure und Bäcker, vor, von 1. Januar 2020 an Kassenbons auszugeben – egal, ob der Kunde sie will oder nicht.

Die Bonpflicht helfe gegen Steuerbetrug – so formuliert es das Bundesfinanzministerium. Manipulationen an einer Kasse könnten erkannt werden, indem der Beleg mit der Software abgeglichen werde. Für Volz ist die Begründung deshalb dumm, da, wie er betont, moderne Kassen ohnehin schon jeden Vorgang aufzeichnen würden und auf Jahre hinaus ausgelesen werden könnten.

Die Bonpflicht, sagt Georg Strohmaier, werde zu solchen Situationen in Bäckereien führen: Schüler kaufen sich morgens vor Unterrichtsbeginn eine kleine Süßigkeit für zehn Cent – und erhalten dafür einen Kassenbon. Strohmaier, Inhaber einer nach ihm benannten Bäckerei mit Hauptsitz im Remsecker Ortsteil Aldingen und früherer Innungsobermeister, kritisiert die Politik: „Ich bin ein weiteres Mal enttäuscht von ihr, weil sie dem Handwerk das Leben schwer macht. Fast jedes Jahr kommt neuer bürokratischer Unsinn dazu. Das frustriert besonders kleine Betriebe.“

Er meint zum einen die vorgeschriebene Umrüstung von Ladenkassen: Diese müssen laut Gesetz vom kommenden Jahr, spätestens von Ende September an, über eine technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Diese soll verhindern, dass ein Kassenvorgang manipuliert werden kann. Die Händler kostet die Umrüstung laut Handelsverband Deutschland mehrere Hundert Euro pro Kasse.

Zum anderen meint Strohmaier die Kassenbonpflicht – die in der Bäckerbranche heftig kritisiert wird. „98 Prozent der Kunden wollen diese Bons überhaupt nicht“, betont Florian Lutz, Inhaber der gleichnamigen Bäckerei-Konditorei mit Hauptsitz in Ludwigsburg und zehn Filialen im Landkreis. „Für mich ist das neue Gesetz an Sinnlosigkeit nicht mehr zu übertreffen“, sagt der Mittelständler. „Den Handwerksbäckern wird pauschal unterstellt, dass sie mit jeder verkauften Brezel betrügen.“ Die Politik habe ein Misstrauen „gegenüber uns Handwerkern, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft“, während große Industrieunternehmen bevorzugt würden. Lutz nennt die EEG-Umlage als Beispiel, mit der der Gesetzgeber den Ausbau regenerativer Energien finanziert: Große Industrieunternehmen könnten sich von der Umlage befreien lassen, Handwerksbetriebe wie der von Lutz aber nicht, weil er nicht zu den energieintensiven Unternehmen gezählt werde – obwohl auch in Bäckereien viel Energie verbraucht werde.

Die Pflicht zu Kassenumrüstung und Bonherausgabe sind aus Händlersicht weitere Instrumente, das Handwerk zu gängeln. Ohnehin gibt es Kritik an immer mehr Vorgaben, mit denen der Mittelstand zu kämpfen habe: „Man kann kaum noch atmen vor lauter Bürokratie“, sagt Volz, der sich in seiner Freizeit – abends und am Wochenende – um all die Vorgaben kümmert; es wäre umsatzschädigend, würde er sich im laufenden Geschäftsbetrieb damit beschäftigen. Kassenbonpflicht hinzu, die für Händler auch die Kosten für Druckergeräte und Papier in die Höhe schnellen lassen. Florian Lutz rechnet am Beispiel von im Schnitt etwa zwölf Zentimeter langen Bons vor: „In einem Ladengeschäft mit etwa 800 Kunden bedeutet das einen Papierverbrauch von knapp 100 Metern pro Tag.“ Eine gut frequentierte Bäckerfiliale „benötigt also knapp 3000 Meter Thermopapier im Monat. Das bedeutet für uns Tausende Euro Mehrkosten im Jahr allein für das Papier, von höheren Gebühren für die Entsorgung ganz zu schweigen“.

Zudem werden Kassenbons meist auf Thermopapier gedruckt – das beschichtete Spezialmaterial soll aus Gründen des Umweltschutzes nicht über das Altpapier entsorgt werden. Die Bonpflicht sei auch deshalb grotesk, sagt Stefan Körber, Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbands für das Württembergische Bäckerhandwerk: „Wir werden von der Politik aufgefordert, umweltfreundlich zu arbeiten. Aber was wir an Papier einsparen, um nachhaltiger zu sein, müssen wir jetzt als Sondermüll wieder an der Kasse rauslassen.“ Bäckermeister Strohmaier bezeichnet das Gesetz als „umweltpolitischen Unfug“. Auch Lutz hat seinen Betrieb umweltfreundlich organisiert – Plastiktüten und -röhrchen abgeschafft, Anreize für Mehrwegverpackungen geschaffen. Komme ein Kunde mit einem Mehrwegbecher in eine seine Filialen, erhalte er 50 Cent Rabatt auf einen Kaffee oder eine Kaffeespezialität zum Mitnehmen. Nun wird er verpflichtet, mehr Papier zu produzieren – in Form von Bons, die die meisten Kunden nicht wollen. Lutz: „Dieses Gesetz verursacht ausschließlich Probleme.“