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Kreis-CDU
CDU-Kreisverband: Katerstimmung und leise Jamaika-Träume

CDU-Wahlwerbung in Tamm: Dem Anspruch im Megaformat folgen ein mageres Ergebnis und verbreitete Ernüchterung. Foto: Alfred Drossel
CDU-Wahlwerbung in Tamm: Dem Anspruch im Megaformat folgen ein mageres Ergebnis und verbreitete Ernüchterung. Foto: Alfred Drossel
Katzenjammer im CDU-Kreisverband. Mit dem Wort „enttäuschend“ schluckt das Parteivolk die Bitternis des zweiten Wahldebakels nach der Landtagswahl 2019 tapfer hinunter, der Kreisvorsitzende Rainer Wieland deutet die Notwendigkeit einer Neuaufstellung der Union in Bund und Land an. Noch freilich hoffen die meisten in der Kreis-CDU, dass Grüne und FDP Armin Laschet doch noch den Weg ins Kanzleramt ebnen. „Wenn man uns braucht“, sagen viele Christdemokraten im Kreis – einen wirklichen Regierungsanspruch ihrer Partei formulieren nur wenige.

Kreis Ludwigsburg. Kreisweit 25 Prozent der Zweitstimmen – für die Union ist das Wahlergebnis vom Sonntag trotz des Gewinns der beiden Direktmandate durch Steffen Bilger (Ludwigsburg) und Fabian Gramling (Neckar-Zaber) ein Desaster. „Jetzt langt‘s dann auch“, seufzt der Ditzinger Landtagsabgeordnete Konrad Epple: „Schlechter geht‘s nimmer!“ Manfred Hollenbach – CDU-Fraktionschef im Kreistag, Ex-Landtagsabgeordneter und Alt-Schultes von Murr – spricht von einem „Erdrutsch“ und setzt trocken hinzu: „Ich bin ein Mann, der Zahlen lesen kann.“ Auch der Pleidelsheimer Bürgermeister Ralf Trettner, zugleich Chef der Kommunalpolitischen Vereinigung seiner Partei, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: Wer jetzt darauf abhebe, dass man sich mit der SPD „auf Augenhöhe“ befinde, habe „dieses Ergebnis nicht richtig verstanden“, sagt er.

Kritik an Laschet und am Wahlkampf

Das Wort, das am Tag nach der Wahl die weitaus meisten Christdemokraten an der Basis wählen, lautet aber: „enttäuschend“. Das klingt ein bisschen so, als wolle man aus Loyalität den Klartext lieber den Mandat- und Funktionsträgern des Kreisverbandes überlassen. Sie habe bis zum Sonntagabend gehofft, „dass das Volk ein Einsehen mit uns hat und uns doch noch zur stärksten Partei macht“, sagt beispielsweise die Tammer Ortsvorsitzende und Gemeinderätin Petra Brenner. Doch nach allen Prognosen müsse die Union mit ihrem Ergebnis im Kreis sogar noch zufrieden sein. Sie könne „den Scholz-Hype nicht nachvollziehen“, setzt Brenner hinzu. Aber bei ihren Einsätzen an Wahlkampfständen sei ihr auch sehr klar geworden, „dass Armin Laschet unser zentrales Problem in diesem ganz auf die Kanzlerkandidaten fokussierten Wahlkampf war“.

Das sagen so deutlich nur wenige. Ralf Trettner etwa meint, das Problem der CDU im Wahlkampf habe „viele Namen“ gehabt. Die Union sei zu spät in die Puschen gekommen, habe die überdurchschnittliche Bedeutung der Briefwahl bei diesem Urnengang vernachlässigt und beim Thema Klimawandel, das gerade Jungwähler bewege, in den letzten Jahren „nicht immer gut ausgesehen“.

„Als Parteimensch“ müsse er sich die Frage stellen, in welchem Umfang das miserable CDU-Resultat „der mangelnden Geschlossenheit der eigenen Reihen geschuldet“ sei, sagt Rainer Wieland, der CDU-Kreisvorsitzende und Vizepräsident des Europaparlaments – und verweist auf die jahrelange Krise der Sozialdemokratie. Das Ergebnis sei für die Union „sehr schwierig“, räumt der Gerlinger ein, unterstreicht aber auch, dass die Partei im Kreis weniger dramatisch verloren hat als in Bund und Land. Zudem werde in Berlin „das sonst übliche Zusammenzählen von Prozentzahlen diesmal nicht für die Regierungsbildung ausreichen“, lässt er die Hoffnung vieler Christdemokraten auf eine Jamaika-Koalition erkennen: „Wir dürfen jetzt weder kraft- noch konzeptions- noch charakterlos erscheinen!“

Weiter Liebäugeln mit dem Kanzleramt

Sollte in Berlin trotzdem eine Ampel regieren, habe die Union vier Jahre Zeit, sich in Bund und Land neu aufzustellen. Denn neben der Bundestags- müsse die Südwest-CDU auch die Landtagswahl noch aufarbeiten. Für das deutsche Gewicht in Europa sei aber ein Kanzler Laschet die bessere Option: Scholz kenne in Brüssel kaum jemand, während Laschet sechs Jahre lang im EU-Parlament saß.

Die Union könne jetzt keinen Regierungsanspruch anmelden, müsse aber zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werde, formuliert Manfred Hollenbach seine Erwartung: „Die Realität ist, dass Grüne und FDP jetzt die Königsmacher sind.“ Ralf Trettner bringt die dritte Möglichkeit neben Ampel und Jamaika ins Spiel: „Ein Dreierbündnis ist Mist“, sagt er – aber es sei immer noch besser als eine neue Groko mit einem Sozialdemokraten im Kanzleramt.

Der Parteinachwuchs markiert die Ansprüche der CDU selbstbewusster: „Eine schonungslose Aufarbeitung und Analyse dieses Wahlergebnisses schließt eine Regierungsbeteiligung nicht aus“, sagt der JU-Kreisvorsitzende Lukas Tietze aus Tamm. „Der Weg der Grünen zu uns ist kürzer als jener der FDP zur SPD“, begründet er das Hoffen auf Jamaika mit landespolitischer Erfahrung. Vanessa Buchmann aus Ludwigsburg, JU-Vize und Beisitzerin im CDU-Kreisvorstand, sieht das genauso. Sie glaubt, dass die Zeit von Volksparteien mit Stimmanteilen von 40 und mehr Prozent auch für die Union vorbei ist. „Solche Ergebnisse“ werde es angesichts des Wandels von Gesellschaft und medial vermittelter Öffentlichkeit nicht mehr geben. Für die Christdemokratie komme es jetzt entscheidend darauf an, insbesondere bei jungen Leuten und Frauen verstärkt zu punkten.