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Politik
Es brodelt an der CDU-Basis im Kreis

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Tritt für eine mögliche Groko ein: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (am Rednerpult) in der Bietigheimer Kelter. Foto: Ramona Theiss
Auf dem Kreisparteitag der CDU verteidigt die Parteispitze den Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten. Doch an der Basis machen sich Wut und Enttäuschung breit.

Bietigheim-Bissingen. Ein Abend unter Gleichgesinnten in der Bietigheimer Kelter im Herzen der Altstadt. Gut 100 CDU-Mitglieder sind zum Kreisparteitag gekommen. Sie bedienen sich an der Theke bei Kartoffelsalat und Fleischkäse. Dazu gibt es Wein und Bier. Vorne am Rednerpult sinnieren der Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger und sein Parteifreund Eberhard Gienger aus dem Wahlkreis Neckar-Zaber über Politik in unruhigen Zeiten. Am heutigen Montag soll ein Bundesparteitag in Berlin den Koalitionsvertrag mit der SPD absegnen.

Bilger grast die Themenfelder ab: Flüchtlingspolitik, solide Finanzen, Rentenpolitik und Investitionen in Verkehr, Infrastruktur und Breitband. „Dieser Koalitionsvertrag ist ein solides Werk, mit dem wir Deutschland gut gestalten können“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Ein Feuerwerk an visionären Ideen sei nicht zu erwarten gewesen. Bilger bekommt matten Applaus.

Dann ist Eberhard Gienger an der Reihe. Er findet, dass die Union in den gemeinsamen Koalitionsjahren mit der SPD „ganz ordentliche Ergebnisse“ erzielt habe, auch wenn er mit der FDP nach wie vor größere Schnittmengen sieht. Doch die Lindner-FDP hat sich bekanntlich vor Monaten in die Büsche geschlagen.

Gienger kündigt an, dass in den kommenden Jahren 15 000 neue Polizisten eingestellt und die Bürger um 46 Milliarden Euro entlastet werden. Dass seine Partei das Finanzministerium verliert, sei schmerzhaft, doch der designierte SPD-Minister Olaf Scholz ein zuverlässiger Mann. Erleichterung verspürt Gienger, dass Martin Schulz nicht ins Außenministerium einzieht – und es wohl nicht zu einer Vergemeinschaftung der Schulden in Europa komme.

Was bei Bilger und Gienger deutlich mitschwingt, ist die folgende Botschaft: Lief doch ganz gut für die Union während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Zumal der CDU-Kreischef und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland aus Gerlingen, hinzufügt, dass sich die Union nach etwa einem halben Jahrhundert wieder das Wirtschaftsministerium gesichert habe.

Doch jetzt ist die Basis in der Kelter an der Reihe – also die CDU-Mitglieder, deren Posten nicht (zumindest mittelbar) mit Kanzlerin Angela Merkel zu tun haben. Der Kartoffelsalat ist verzehrt, die Gläser sind noch voll. Die CDU-Spitze will ja mit einem Stimmungsbild auf dem Bundesparteitag heute antreten – und das kann sie haben. „Ich bin enttäuscht“, ruft der Senioren-Unionler Winfried Breil in den Saal. „Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die CDU am meisten preisgegeben hat, um eine Regierung bilden zu können.“

Der Ton für den weiteren Abend unter eigentlich Gleichgesinnten ist gesetzt. Der ehemalige Vaihinger Landtagsabgeordnete Albrecht Fischer hätte gerne die Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Der Rems-ecker CDU-Chef Steffen Kirsch wirft der Partei vor, „einen Wahlkampf ohne Ideen geführt“ zu haben. Er befürchtet, dass die Union zu einem Sinkflug wie die SPD ansetzen könnte, wenn nicht frisches Personal kommt. „Angela Merkel reicht als Programm alleine schon lange nicht mehr aus“, sagt Kirsch. Der Hemminger Fraktionschef Walter Bauer sieht mit dem Koalitionsvertrag die „Grundlage fürs nächste Wahldebakel“ gelegt. Als Fehler bezeichnet es Bauer, dass die CDU von vornherein eine Minderheitsregierung ausgeschlossen habe. „So mussten wir alles abnicken, was die SPD gefordert hat.“

Der Besigheimer CDU-Chef und Reservist Uttam Das geht hart mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ins Gericht. Ihm geht die Bundeswehr-Ausrüstungsmisere gegen den Strich. Seine Forderung an von der Leyen: „Abtreten Marsch-Marsch.“

Doch dazu wird es wohl so bald nicht kommen. Die CDU ist bekannt dafür, dass sie mit ihrem Führungspersonal pfleglicher umgeht als Sozialdemokraten und Christsoziale. Der Kreischef Wieland hält es für richtig, dass Merkel kein Ausstiegsdatum für sich selbst genannt hat. Er sagt: „Sie wäre sofort eine lahme Ente.“